Sie wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen: die jährliche "Renteninformation". Da mögen Crashpropheten den nahenden Zusammenbruch des Finanzsystems ausrufen, die Deutsche Rentenversicherung kann uns verlässlich mit zwei Nachkommastellen unsere in zehn, 20 oder auch 30 Jahren gezahlte Rente berechnen. Einmal im Jahr flattert das Schreiben ins Haus - natürlich in den Post-Briefkasten und nicht ins E-Mail-Postfach. Wie beruhigend!
Auch wenn die Zahlen unter Vorbehalt zu studieren sind, bilden sie tatsächlich eine gute Ausgangsbasis für die eigene Vorsorgeplanung. Was also steckt dahinter? Wie kommen die Zahlen zustande? Was sagen sie aus - und was nicht?
Die Berechnung der späteren Rente ist weniger kompliziert als gedacht. Grundsätzlich bemisst sich die Höhe nach den bis Ruhestandsbeginn gesammelten Rentenpunkten. Pro Beitragsjahr bekommen Angestellte in der gesetzlichen Rentenversicherung Punkte gutgeschrieben. Wer 2015 knapp 35.000 Euro brutto verdient hat - das entspricht dem Durchschnitt -, bekommt dafür einen Punkt. Bei rund 70.000 Euro wären es zwei Punkte. Bei der Beitragsbemessungsgrenze von 72.600 Euro (Ost: 62.400 Euro) ist Schluss. Auf jeden weiteren Einkommenseuro fällt kein Beitrag zur Rentenversicherung mehr an. Dafür bringt er eben auch keine Rentenpunkte.
Doch was bringen die Rentenpunkte? Im Moment bekommen Rentner in den alten Bundesländern pro Punkt 29,21 Euro Monatsrente (Ost: 27,05 Euro). 45 Beitragsjahre mit dem jeweiligen Durchschnittseinkommen hätten Rentnern in den alten Bundesländern 1314 Euro Rente pro Monat gebracht, 30 Jahre mit dem doppelten Durchschnittseinkommen für 1753 Euro gereicht. So gerechnet sind selbst bei besonders gut verdienenden Angestellten kaum mehr als 2500 Euro späterer Rente möglich. Für ab 1992 geborene Kinder bekommt ein Elternteil je 87 Euro Rente extra - für früher geborene Kinder 58 Euro. Seit einigen Jahren bringen Schule und Studium Neurentnern keine höheren Alterseinkünfte mehr. Ende 2014 lag die durchschnittlich von der Rentenversicherung gezahlte Altersrente an die rund 14,4 Millionen Rentner nach Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen bei 771 Euro.
Doch diese heutige Auszahlung sagt den Rentnern von morgen, übermorgen und überübermorgen wenig. So weist etwa der Rentenreport des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft darauf hin, dass nicht nur die durchschnittliche Lebenserwartung rasant steigt, sondern dass es große regionale Unterschiede in der Rentenhöhe und Kaufkraft der Rentenbezüge gibt. Im Auftrag des GDV hat sich das Prognos-Institut die Rentenperspektiven bis 2040 angesehen.
Dazu wurden tausende Erwerbsbiografien, regionale Lebenshaltungskosten und wirtschaftliche Wachstumsperspektiven ausgewertet. Davon hängen etwa die möglichen Lohnsteigerungen und die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bis zu Renteneintritt ab.
Das Ergebnis: Wie gut sich von der künftigen Rente leben lässt, ist maßgeblich vom Wohnort des künftigen Rentners ab. Gerade dort, wo viel verdient wird und deshalb auch höhere Renten zu erwarten sind, werden diese Vorteil von deutlich höheren Lebenshaltungskosten aufgezehrt.
Noch liegen die „Rentnerparadiese“ eher im Osten, was unter anderem daran liegt, dass dort zu DDR-Zeiten mehr Frauen berufstätig waren. Im Jahr 2040 werden sich die "Rentnerparadiese" über die ganze Republik verteilen, allerdings nicht in den Metropolen liegen. Dort sind die Lebenshaltungskosten schlicht zu hoch.
Vorsicht Rentenprognose
Zunächst stellt sich die Frage, ob wir mit den Beträgen aus der jährlichen Renteninformation tatsächlich rechnen können. Das jährliche Schreiben weist verschiedene Werte aus, die - schwarz umrandet - in einem Kästchen stehen. Der oberste Wert bezieht sich auf eine Erwerbsminderungsrente, also keine klassische Altersrente. Der mittlere Wert zeigt, welchen Rentenanspruch der Versicherte bereits erreicht hat - auf Basis seiner Beiträge, der gesammelten Rentenpunkte und der aktuell geltenden Regeln (also zum Beispiel auf Basis des derzeitigen Zahlbetrags pro Rentenpunkt). Bei jungen Beitragszahlern ist der Wert noch gering. Er steigt im Laufe der Zeit an. Der Wert gilt für den Fall, dass der Rentner zum gesetzlich vorgesehenen Zeitpunkt in Rente geht. Bei allen ab Jahrgang 1964 also erst mit 67 Jahren.
Der dritte und unterste Wert ist eine Prognose, die scheinbar die Antwort auf die entscheidende Frage liefert: Wieviel Rente ist später drin? Doch, wie oft bei Prognosen, hängt der Wert an zahlreichen Annahmen. So basiert er auf den während der vergangenen fünf Jahre gezahlten Beiträgen und geht davon aus, dass auch in Zukunft im Durchschnitt gleich hohe Beiträge gezahlt werden. Wer während der vergangenen fünf Jahre zum Beispiel noch gar nicht gearbeitet hat, in Elternzeit, Arbeitslosigkeit oder einer beruflichen Auszeit war, bekommt weniger aussagekräftige Werte ausgewiesen. Je vergleichbarer die angesetzten fünf Jahre mit der Zukunft sein dürften, desto besser sollte der Wert passen.
Der ausgewiesene Wert berücksichtigt keine "Rentenanpassungen". Auf Deutsch: Er geht davon aus, dass die später gezahlten Renten bei gleicher Anzahl an Rentenpunkten genauso hoch sind wie heute. Auf den ersten Blick ist das eine pessimistische Annahme. In den vergangenen 30 Jahren ist der Zahlbetrag pro Rentenpunkt durchaus gestiegen, um etwa 1,8 Prozent pro Jahr. Im kommenden Juli sollen die Renten gar um vier bis fünf Prozent steigen. Andererseits muss auf lange Sicht auch die Inflation berücksichtigt werden. Zwar ist diese derzeit gering. Davon auszugehen, dass das auf Dauer so bleibt, wäre bei der Vorsorgeplanung aber gefährlich.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Unter dem Punkt "Rentenanpassung" rechnet die Rentenversicherung vor, wie sich weitere Erhöhungen der Rente im konkreten Fall auswirken würden, bei ein und zwei Prozent Rentenplus pro Jahr. Doch diese höheren Rentenprognosen sollten nicht für bare Münze genommen werden. Bei aller Unsicherheit über die Zukunft, steht schon jetzt fest, dass die Demografie es der umlagefinanzierten Rente nicht einfach macht. Da hier die Beitragszahler von heute die Rentner von heute finanzieren, ist das System darauf angewiesen, dass genug an Beiträgen für die fälligen Renten erwirtschaftet werden kann.
Länger arbeiten bringt kräftiges Plus
Früher war das theoretisch deutlich leichter. Vor 50 Jahren kamen noch sechs Beitragszahler für einen Rentner auf. Heute hat sich das Verhältnis auf Zwei zu Eins verschlechtert. In rund 35 Jahren dürfte jeder Beitragszahler schon einen Rentner finanzieren. Kann das überhaupt gutgehen? Nein, sagen Pessimisten mit Verweis auf diese absehbare demographische Schieflage.
Doch viele Experten halten das für zu kurz gesprungen. So würde sich die Relation zwischen Beitragszahlern und Rentnern schon lange verschlechtern, ohne das System zum Kippen zu bringen. Steigende Produktivität würde es durchaus erlauben, das schlechtere demografische Verhältnis aufzufangen. Einflüsse von außen, wie jüngst etwa der verstärkte Zuzug von Flüchtlingen, könnten selbst die demographischen Rahmenbedingungen verbessern. Regeländerungen im Rentensystem selbst, wie ein späterer Rentenstart, böten noch Sicherheitspuffer. In dieser Gemengelage erscheint es durchaus vertretbar von den ausgewiesenen Renten ohne Erhöhungen auszugehen. Immerhin steckt auch dahinter die Annahme, dass wenigstens die künftige Inflation voll ausgeglichen werden kann.
Der Zeitpunkt des Rentenstarts gibt Angestellten wenigstens einen Hebel, mit dem sie die Höhe ihrer Rente selbst beeinflussen können - soweit ihr Arbeitgeber dabei mitspielt. Lässt man Sonderfälle, die eine abschlagsfreie vorzeitige Rente zulassen, beiseite, kostet jedes Jahr vorgezogener Ruhestand 3,6 Prozent der Rente. Wer statt mit 67 mit 63 Jahren in Rente geht, müsste also auf 14,4 Prozent verzichten. Außerdem hätte der Frührentner durch die kürzere Arbeitszeit weniger Beiträge einzahlen können, was ohnehin zu einer etwas geringeren Rente führen würde.
Deutlich weniger bekannt: Wer über seine "Regelaltersgrenze" hinaus arbeitet, wird dafür mit einem Rentenaufschlag belohnt. Pro Jahr gibt es hier 6 Prozent Bonus, zusätzlich zu den so gesammelten Extra-Rentenpunkten. Allerdings muss der Arbeitgeber dabei mitspielen.
Mit den Werten aus der Renteninformation und etwas Hintergrundwissen gewappnet, können Sie sich also durchaus an eine grobe Vorsorgeplanung machen. Die gesetzliche Rente allein wird nicht reichen, um davon später zu leben. Wer früh beginnt, möglichst renditereich vorzusorgen, etwa mit Sparplänen auf kostengünstige Aktienindexfonds (ETFs), kann Lücken füllen.