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Gbureks Geld-Geklimper

Lebensversicherung auf Abwegen

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Die Tage der traditionellen Lebens- und privaten Rentenversicherung sind gezählt, adäquater Ersatz ist nicht in Sicht. Wer fürs Alter vorsorgen will, ist zu individuellen Umwegen gezwungen. Das lohnt sich.

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Die Leistungsfähigkeit der Lebensversicherer
Die Lebensversicherung ist für Millionen Deutsche der wichtigste Baustein der privaten Altersvorsorge. Die niedrigen Zinsen nagen aber seit Jahren an den Erträgen. Schon ab Juli könnten die Auszahlungen an Kunden per Gesetz weiter schmelzen. Dennoch wird es auch künftig deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Versicherern geben. Für die Entscheidung, ob sich der Abschluss, das Halten bis zum Laufzeitende oder eine vorzeitige Kündigung der Lebensversicherung lohnt, kommt es darauf an, wie gut die Lebensversicherung für einen lange Niedrigzinsphase gerüstet sind. Nachfolgend wichtige Kennziffern der zwölf größten Lebensversicherer, die insgesamt 60 Prozent des Marktes repräsentieren. Quelle: Geschäftsberichte der Versicherer, Prof. Hermann Weinmann (Hochschule Ludwigshafen) Quelle: dpa
Ein Schild mit dem Logo der Nürnberger Versicherungsgruppe Quelle: dpa/dpaweb
Bayern-VersicherungLaufende Verzinsung der Kapitalanlagen ohne Einmaleffekte 1: 2013: 4,0 % Laufende Verzinsung der Kapitalanlagen mit Einmaleffekten 1: 2013: 4,4 % Bewertungsreserven: 2013: 9,7 % der Kapitalanlagen Anteil Zinspapiere an Bewertungsreserven 2: 2013 (2012): ► Was der Versicherer verteilen kann ( Überschuss) 3: 2012: 14,5 % der Beiträge 2013: 12,8 % der Beiträge Wie lange die freien Mittel reichen ( Bilanzpuffer) 4: 2012: 3,1 Jahre 2013: 3,4 Jahre Stärken: hohe Reserven, gute KapitalanlageSchwächen, die sich in Niedrigzinsphasen besonders stark auswirken: keine Niedrigzins-Risiko für Anleger: niedrig 1Einmaleffekte: Gewinne und Verluste aus Anlageverkäufen sowie Zu- und Abschreibungen; 2im Vergleich zum Branchendurchschnitt; 3Kapitalerträge oberhalb der Garantieverzinsung + interne Überschüsse durch zu hoch angesetzte Kosten für Verwaltung und Vertrieb sowie Risiken (Berufsunfähigkeit, Tod); das Verhältnis von Überschuss zu Beiträgen zeigt, wie gut der Versicherer wirtschaftet; 4ein Wert von beispielsweise 2,0 besagt, dass der Versicherer seine laufende Überschussbeteiligung zwei Jahre lang aus den freien Mitteln finanzieren kann; je höher der Faktor, desto finanzstärker ist der Versicherer. Quelle: PR
Der Schriftzug "W&W württembergische" Quelle: dpa
Fahnen mit dem Logo der Allianz Quelle: dpa
R+V AG Quelle: Presse
CosmosDirekt Quelle: Presse

An diesem Freitag segnet der Bundesrat die Reform der Lebensversicherung ab. Damit geht die etappenweise Enteignung deutscher Sparer weiter. Denn Kunden, deren Verträge demnächst auslaufen, werden weniger Geld ausbezahlt bekommen als ihnen versprochen wurde. Die Gesetzesreform ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Lebensversicherer zu Opfern der niedrigen Zinsen geworden sind – und dadurch auch deren Kunden, die den Versprechen hoher Garantiezinsen aus früheren Hochzinsjahren aufgesessen sind.

Die Branche der Lebensversicherer ist für Außenstehende höchst undurchsichtig. Da wimmelt es von kaum verständlichen Begriffen wie Bewertungsreserven, Provisionsoffenlegung, Zillmerung, RfB-Rückstellung, Ablaufleistung und -rendite. Dabei geht es im Kern nur um einen langfristigen, um Versicherungsbestandteile ergänzten Sparvertrag, der am Ende in der Regel so ausgezahlt wird wie ein Bausparvertrag oder Fondssparplan. Denn nicht einmal ein Fünftel der Kunden entscheidet sich schließlich für eine laufende Rente und damit für die eigentliche Altersversorgung ähnlich der gesetzlichen Rentenversicherung. Die weit überwiegende Mehrheit lässt sich den angesparten Betrag dagegen auf einen Schlag auszahlen.

Im Zweifel zulasten der Kunden

Dass jeder Bundesbürger rein statistisch über mehr als eine Lebensversicherung verfügt, ist ganz einfach mit drei Phänomenen zu erklären: mit der früheren, jetzt aber nicht mehr geltenden vollen Steuerfreiheit der Erträge, mit dem Garantiezins und mit der Abschlussprovision. Noch in den 90er Jahren garantierten Versicherer 4 Prozent auf das Ersparte (heute 1,75, bald nur noch 1,25 Prozent). Die Abschlüsse liefen wie geschmiert, weil Versicherungsvertreter und die flotten Verkäufer der Finanzvertriebe durch hohe Provisionen motiviert waren (überwiegend 4 Prozent, wobei die effektiven Vertriebskosten höher sind). Bis die Kunden merkten, worauf sie sich da eingelassen hatten, war es zu spät. Vorzeitige Auszahlungen hätten für sie zu erheblichen Verlusten geführt, weil zu Beginn der Laufzeit erst die Provision fällig wurde. Bezeichnenderweise bleiben die  effektiven Vertriebskosten auch nach der jetzigen Gesetzesreform weiter im Dunkeln – ein Erfolg der Lobby zulasten der Kunden.

Aber warum auf einmal die Eile mit dem neuen Gesetz? Klare Antwort: vor allem wegen der Bewertungsreserven. Die sind indirekt den niedrigen Zinsen zu verdanken. Denn durch jeden Zinsrückgang stiegen in den vergangenen Jahren die Kurse der Anleihen, mit denen die Versicherer sich vollgesogen hatten. Daraus entstanden stille Reserven. Aktien wie auch Immobilien spielten und spielen in den Portfolios der Branche nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle. Wem gehören nun die Kursgewinne aus Anleihen? Bisher zur Hälfte den Kunden, die sich auszahlen lassen. Das soll sich zu deren Lasten ändern. Gewinner sind die Versicherer.

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