
Düsseldorf/Frankfurt Extrem schwankende Kapitalmärkte spiegeln die Unsicherheit über die Zukunft Europas. Banker und Vermögensverwalter gehen auf Nummer sicher und parken große Teile ihres ihnen anvertrauten Vermögens am Geldmarkt oder auf Zinskonten. „Wir legen relativ viel in Liquidität an“, sagt Björn Robens, Chef der auf Vermögende aus dem Mittelstand spezialisierten BHF-Bank, die noch der Deutschen Bank gehört. Er erkennt eine „neue Dimension von Kursschwankungen an den Kapitalmärkten“. Aktuell verunsichere die Politik die Börsen, zugleich trübe sich das konjunkturelle Umfeld ein.
Robens Antwort ist eine rund zehnmal so hohe Liquiditätsquote von rund einem Viertel des Vermögens von Kunden mit einer mittleren Risikoneigung, die also in normalen Zeiten ihr Vermögen rund zu Hälfte in Aktien und in weniger schwankende Papiere wie Anleihen anlegen. Das liquide Kapital legt Robens in Fonds an, die in vergleichsweise stabile Geldmarktpapiere investieren, und als Termingeld auf Konten.
Viele Geldmanager parken aber noch deutlich größere Teile ihres Kundenvermögens, wie eine Umfrage des Handelsblatts unter rund einem Dutzend namhafter Vermögensverwalter zeigt. In den so genannten ausgewogenen Depots halten sie bis zur Hälfte des Vermögens liquide auf Zinskonten, Geldmarktfonds oder Anleihen mit sehr kurzfristiger Restlaufzeit.
Private Anleger bewegen sich bereits seit längerem abseits der Börsen und haben ihr Kapital in den vergangenen Jahren in hohem Maß auf Zinskonten eingezahlt. Nach Bundesbank-Statistik stiegen die Einlagen auf Tagesgeld-Konten in den vergangenen drei Jahren um rund die Hälfte auf 729 Milliarden Euro.
Das Parken des Kapitals bringt Anlegern allerdings nur eines: Sicherheit vor den Ausschlägen der Börsen. Ertrag dagegen bleibt aus. Denn die Zinssätze sind in den vergangenen Jahren weiter und weiter gefallen auf Rekordtiefs. So liegen die an den Euro-Leitzins angelehnten Tagesgeldzinsen nach Angaben der Frankfurter Finanzberatung FMH im Durchschnitt bei 1,8 Prozent. Da Ökonomen von der Europäischen Zentralbank eher einen weiteren Zinsschritt nach unten als nach oben erwartet, sieht es auch nicht so aus, als würde sich daran auf absehbare Zeit viel ändern. Damit verlieren alle Geldparker real Vermögen, ist doch die Inflationsrate auf 2,5 Prozent geklettert. Mehr als eine kurzfristige Parkstelle sollte die Bar-Haltung also nicht sein.
Typischerweise belächeln Finanzprofis das Verhalten privater Anleger - ihre Risikoscheu, ihre Vorliebe für berechenbare, wenn auch noch so kleine Erträge. Doch seitdem die Schuldenkrise in Europa eskaliert, ist Schluss damit. Jetzt stehen auch bei Großanlegern Tagesgelder, Anleihen mit kurzer Laufzeit oder Geldmarktkonten auch bei Vermögensverwaltern ganz oben auf der Liste der beliebten Anlagen.
Vorsichtige Verwalter
Nach Meinung von Eberhard Weinberger, Vorstand des namhaften Vermögensverwalters DJE Kapital in München, ist die Gesamtbörsen-Konstellation aufgrund der stärkeren Abhängigkeit von der Politik immer unkalkulierbarer geworden. Deswegen setzt er auf Cash: „Eine Barquote von 50 Prozent bietet einerseits einen gewissen Schutz nach unten, andererseits genügend Investitionsvolumen, um bei Bedarf auch eine aggressivere Strategie zu fahren“, sagt Weinberger. Privatanlegern rät der Anlageprofi zu gut gemanagten Geldmarktfonds, die qualitativ hochwertige Papiere kaufen.
Sehr skeptisch ist auch der Kölner Verwalter großer Fondsvermögen, Markus Zschaber, Geschäftsführender Gesellschafter von V.M.Z. Seine Cashquote liegt bei bis zu 35 Prozent. Er meidet Tages- und Festgeldofferten der Banken und investiert in deutsche Bundesschatzbriefe mit sehr kurzer Laufzeit und überproportionaler Liquidität. „Alle unsere Analysen beziffern für nahezu alle europäischen Banken eine unterdurchschnittliche Eigenkapitalquote beziehungsweise einen deutlich zu hohen Verschuldungsgrad“, sagt Zschaber.
Sparer mahnt der Verwalter zur Vorsicht. „Privatanleger sollten hinter die Fassaden einer Bank schauen und prüfen, welche Risiken in den teilweise sehr komplexen Bilanzen schlummern“, sagt Zschaber. In der Praxis sei das aber kaum möglich. Als Alternative zu Tagesgeld empfiehlt er daher die Tagesanleihe des Bundes.
Immerhin ein Viertel des Depotkapitals vermögender Kunden steuert Jörg Ludewig, Generalbevollmächtigter der Hamburger Sparkasse, derzeit in stets verfügbaren Anlagen. „Wir managen taktisch Liquidität verkleidet in verschiedenen Investments“, sagt der vergangene Woche als einer der besten deutschen Vermögensverwalter Prämierte. Ein wichtiges Thema sind Währungen, um das Risiko des Euros abzufedern: Kürzlich hat er beispielsweise eine US-Anleihe der Staatsbank KfW gekauft und hält andere Bonds hochwertiger Schuldner in norwegischen Kronen oder Schweizer Franken.
Da Unternehmen zudem im Moment „die besseren Schuldner sind“, kauft Ludewig auch Anleihen solider europäischer Konzerne mit kurzer Restlaufzeit. Obendrein setzt er auf Gold-Fonds oder –Zertifikate, um diese Fluchtwährung in liquider Form zu haben und parkt bis zu einem Zehntel des Kundenvermögens in Tagesgeld.
Rendite unterhalb der Schmerzgrenze
Bei der ebenfalls ausgezeichneten Privatbank Berenberg hält man rund ein Fünftel der Kundenvermögens täglich verfügbar. „Die Liquiditätsquote halten wir vor, um bei einem sich abzeichnenden Trend zur Lösung der europäischen Vertrauenskrise, die Aktien- bzw. die Rentenquote zu erhöhen“, erklärt Peter Reichel, Leiter Anlagestrategie Private Vermögensverwaltung. Er hat das Kapital auf Geldmarktfonds, Geldmarkt-ETFs und Fonds mit Kapitalgarantie verteilt.
Diese Sicherheit hat allerdings ihren Preis. Mit einem Zins von aktuell 0,57 Prozent liegt die täglich verfügbare Anleihe des Bundes weit unter der Inflationsrate von 2,5 Prozent und der durchschnittlichen Rendite von Tagesgeld von rund 1,8 Prozent. Wer nicht an einen Untergang des Finanzsystems glaubt, macht mit Bankangeboten den besseren Schnitt. Ein Zinsvergleich der FMH-Finanzberatung für das Handelsblatt zeigt: Bei Tagesgeld gibt es aktuell Sätze von bis zu 2,75 Prozent, für Festgeld mit einer Laufzeit von einem Jahr 3,16 Prozent und für Spareinlagen bis zu 2,70 Prozent. „Vor allem Auslandsbanken locken mit üppigen Sätzen, da das Zinsniveau im Heimatland häufig weit über dem Deutschen liegt“, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung.
Kunden sollten trotz aller Lust auf Rendite auch in die Bedingungen der Produkte schauen. Kundenfreundliche Tagesgeld-Offerten reservieren den Einstandszins zwischen sechs und zwölf Monaten und machen keinen Unterschied zwischen Neu- und Bestandskunden. Alle Banken mit Sitz in der Europäischen Union bieten ihren Kunden Staatsgarantien der jeweiligen Länder für Einlagen in Höhe von bis zu 100.000 Euro. Vorsichtige Anleger bevorzugen Institute mit der erweiterten deutschen Einlagensicherung , die von den Institutseinrichtungen gewährleistet wird.
Entscheidend für die Rendite ist die Wahl von Tages- oder Festgeld. Wer sein Geld nicht direkt in Aktien oder andere Anlagen investieren will, und nicht mit stark steigenden Zinsen rechnet, sollte Festgeld bevorzugen. Aktuell gibt es für Offerten mit deutscher Einlagensicherung und einer Laufzeit von drei Jahren vier Prozent Zinsen. Der beste Vergleichbare Tagesgeldanbieter bietet 2,6 Prozent. Um über den Anlagezeitraum einen guten Schnitt zu machen, müsste der Anleger in einem Jahr ein Angebot zu einem Zinssatz von 4,7 Prozent abschließen, um den Zinsunterschied zum Start wieder wett zu machen. „Dann müsste das Zinsniveau innerhalb eines Jahres um ein Prozent steigen“, sagt Herbst. „Das ist angesichts der aktuellen Lage am Zinsmarkt eher unwahrscheinlich“.
Flucht in Währungskonten
Weniger attraktiv zeigten sich die Renditen von Geldmarktfonds. Risikoarme Produkte bieten zwar auch Sicherheit: Das Risiko ist auf verschiedene Emittenten verteilt und das Fondsvermögen gegen Insolvenz des Fondsanbieters gesichert. Manager von Geldmarktfonds kaufen Papiere in ihre Fonds, mit denen sich der Bund über Wochen oder Monate Kapital beschafft. Über An- und Verkauf dieser Papiere an Banken versorgt die Europäische Zentralbank die Wirtschaft mit Geld.
Diese Papiere gelten als vergleichsweise sicher und stets verfügbar. Dafür bringen sie aber wenig Ertrag. Sicherheitsorientioerte Produkte brachten in diesem Jahr maximal bis zu 1,1 Prozent Rendite, wie ein Vergleich des Ratinghauses Feri für das Handelsblatt belegt. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl: Wenn ein Fondsmanager in der Vergangenheit keinen Verlust gemacht habe, spreche das für einen sauberen Fonds, erklärt Andre Härtel, Fondsanalyst beim Ratinghaus Feri Eurorating. Achten sollten Anleger auch auf Kosten. Mehr als 0,3 Prozent laufende Gebühren dürfe ein Geldmarktfonds nicht kosten, sagt Härtel. ETFs sind billiger mit 0,14 Prozent, daher spricht viel für diese passiven Fonds. Kaufgebühren, den Ausgabeaufschlag, sollte man für solche Parkplätze nicht zahlen.
Angesichts der eher niedrigen Renditen bleiben die meisten Kunden aber den Sparkonten treu. Von diesem Trend profitieren vor allem die Direktbanken. Hier legen vor allem preissensible Kunden mit Vorliebe ihr Geld an. Die Ing Diba, mit fünf Millionen Sparern Marktführer in diesem Segment, freut sich über einen Zufluss bei den Spareinlagen in Höhe von „einigen Milliarden Euro seit Jahresbeginn“. Vor allem Festegeld sein aktuell gefragt. Auch die Konkurrenz schläft nicht. Die DAB Bank, traditionell eher stark im Wertpapiergeschäft, verzeichnet einen Zuwachs der Einlagen in Tagesgeldkonten um 20 Prozent, was auch an einer aktuellen Zinsofferte liegt. Die Comdirect hat seit Jahresbeginn 73.000 neue Tagesgeld-Kunden gewonnen.
Besonders stark ist der Zuwachs bei den Währungskonten. Aus Angst vor dem Wertverfall des Euro tauschen Anleger ihr Geld verstärkt in Norwegische Kronen oder US-Dollar. Die Einlagen auf den Währungsanlagekonten sind bei der Comdirect seit Jahresbeginn um knapp 20 Prozent gestiegen. „Cash is King“ – dieses Sprichwort gilt eben nur, wenn die Währung hart ist.