




Während alle von Krise reden, frohlocken ausgerechnet die deutschen Krankenkassen: Nach offiziellen Schätzungen wird der Überschuss im Gesundheitsfonds Ende des Jahres zwölf Milliarden Euro betragen. Im nächsten Jahr dürfte die Rücklage sogar auf ein neues Rekordhoch von über 14 Milliarden Euro klettern, wie das Bundesversicherungsamt schätzt.
In den Zahlen sind die Milliardenüberschüsse der einzelnen gesetzlichen Krankenkassen noch nicht enthalten. Insgesamt werden die Reserven wohl auf über 20 Milliarden Euro steigen. Die guten Zahlen dürften die Debatte über eine Beitragssatzsenkung und den Wegfall der 10-Euro-Praxisgebühr für Arztbesuche neu entfachen. Die WirtschaftsWoche beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wie funktioniert der Gesundheitsfonds?
Der Gesundheitsfonds ist quasi das Sparbuch der gesetzlichen Krankenkassen. Seit Januar 2009 zahlen alle Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung ihre Beiträge in einen gemeinsamen Topf, den Gesundheitsfonds. Auch der Anteil der Arbeitgeber fließt hier rein, genauso eventuelle Steuerzuschüsse. Erst danach wird das Geld anteilig auf die jeweiligen Versicherungen verteilt. Das ist möglich, seitdem die Beitragssätze für alle Kassen einheitlich sind. Wie viel eine Versicherung für einen Versicherten bekommt, richtet sich nach dessen Alter, Geschlecht und Gesundheit.
Entscheidungshilfe: Gesetzlich oder privat versichern?
Ja: PKV geht
Nein: Sie dürfen aus gesetzlichen Gründen nicht in die PKV
Ja: spricht für die PKV,
Nein: überlegen Sie es sich zwei Mal - Drin gefangen, drin gehangen
Ja: in der GKV sind ihre Kinder kostenlos mitversichert, in der PKV kosten sie im Schnitt 120 Euro pro Kind und Monat extra
Nein: dann ist die PKV für Sie vermutlich günstiger als die GKV
Ja: GKV übernimmt sie unter Voraussetzungen
Nein: spricht für die PKV, in der Kinderbetreuung nicht als Standardleistung gilt
Ja: diese Leistung übernimmt nur die GKV
Nein: dann kann eine private Krankenversicherung günstiger sein
Ja: davon zahlt die GKV nichts, nur die PKV
Nein: spräche für GKV
Ja: die GKV spart daran, dort bräuchten Sie eine private Zahnzusatzversicherung, bei der PKV brauchen Sie diese in der Regel nicht
Nein: dann reichen die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus
Ja: achten Sie auf die Wahl des GKV-Anbieters, einige erstatten auch Akupunktur und andere Verfahren. Oft ist die PKV aber kulanter
Nein: GKV reicht aus
Ja: die GKV zahlt. Die PKV zahlt Krankentagegeld nur, wenn diese Leistung zusätzlich vereinbart und über höhere Beiträge bezahlt wird
Nein: dann spielt dieser Aspekt bei der Entscheidung GKV oder PKV keine Rolle
Ja: das spricht für eine Privatversicherung
Nein: dann genügen die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse
Ja: Dann ist die PKV kein Problem
Nein: dann ist der Abrechnungsmodus der GKV besser. Sie zahlt sofort.
Warum erwirtschaften die Kassen derart hohe Überschüsse?
Überschüsse im Fonds entstehen grundsätzlich dann, wenn die Beitragseinnahmen höher ausfallen als erwartet. Dabei profitieren die Kassen aktuell von der guten Lage am Arbeitsmarkt - je mehr Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Job ausüben, desto mehr Geld fließt in den Topf. Außerdem wurde Anfang dieses Jahres die Beitragsbemessungsgrenze erhöht. Wurden die Beiträge im vorigen Jahr auf einen Bruttolohn von maximal 44.450 Euro im Jahr erhoben, sind es 2012 45.900 Euro. Auch das lässt zusätzliche Euros in den Fonds fließen. Aber nicht nur die Einnahmen sind gestiegen, auch Ausgaben für Arzneimittel, Arzthonorare oder Krankenhauskosten wurden strenger kontrolliert.
Profitiere ich als Versicherter auch von den Rücklagen meiner Kasse?
Nicht nur im Gesundheitsfonds, auch auf den Konten der Kassen selbst haben sich große finanzielle Rücklagen angesammelt. Deshalb kündigte die Techniker Krankenkasse (TK) als erste Versicherung vor einigen Wochen an, ihren Mitgliedern aufgrund der außerordentlich guten Finanzlage eine Prämie zahlen zu wollen: Im kommenden Jahr wird jedem TK-Mitglied, das vom Mai bis Dezember 2013 Beiträge zahlt, eine Prämie von 80 Euro gezahlt. Für kürzere Mitgliedschaften gibt es eine anteilige Erstattung. Wer mit den Beiträgen im Rückstand ist, bekommt jedoch kein Geld. Der Vorstandsvorsitzende Jens Baas bezifferte die auszuschüttende Summe auf eine halbe Milliarde Euro. Zudem sollen Versicherte, die etwa an Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, Praxisgebühren im Umfang von bis zu 60 Euro zurück bekommen. Das Kassen-Geld muss allerdings vom Versicherten versteuert werden.
Während Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) noch auf ähnliche Aktionen weiterer Krankenkassen hofft, ergab eine Umfrage der WirtschaftsWoche, dass gerade die großen Kassen nicht zahlungswillig sind. Von den zehn größten Kassen mit insgesamt 34,5 Millionen Mitgliedern will keine dem Beispiel der TK folgen. Weder der Marktführer Barmer GEK noch die DAK oder die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) wollten einen Teil des Beitrags zurückzahlen. Lieber würden sie weitere Zusatzangebote anbieten wie Zahnreinigungen oder Auslandsimpfungen. Erwogen werden auch Boni für gesundheitsbewusstes Verhalten. Lediglich einige kleine Versicherer wollen Prämien zahlen. Aber trotzdem: Von Zusatzbeiträgen dürften die Versicherten im Großen und Ganzen verschont bleiben.