Gesundheitskarte Hunderttausende Versicherte verweigern Foto

Eigentlich soll die elektronische Gesundheitskarte im Januar starten. Das wird aber wohl nichts werden: Viele Bürger weigern sich ein Foto einzuschicken.

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Die Tricks der Krankenversicherer
Mit günstigen Preisen lockenWer sich im Internet für Krankenversicherung interessiert, findet ganz schnell auch Anzeigen, in denen eine private Krankenversicherung für 49 Euro im Monat versprochen wird. Experten raten ab: In nur ganz wenigen Fällen kommen solche Beiträge überhaupt zustande. Wer so wirbt, hat meist nur ein Ziel: Die Daten des Interessenten einsammeln. Quelle: dpa
Adressen weiter verkaufenIm Internet sind viele professionelle Adressenhändler unterwegs. Wer seine Daten in einem scheinbar unabhängigen Portal für einen kostenlosen Vergleich eingibt, muss damit rechnen, dass er später mit Emails oder Anrufen bombardiert wird. Denn die Adressensammler verkaufen die Kontaktdaten an interessierte Vermittler weiter, die genau wissen, wie sie einen Versicherungsvertrag am besten verkaufen. Quelle: gms
Gierige Vermittler rausschickenNur wer eine private Krankenversicherung tatsächlich auch verkauft, verdient in der Vermittlerbranche Geld damit. Denn nur dann kassiert er Provision. Das Prinzip dabei: Je höher der Monatsbeitrag des Kunden, umso besser die Provision des Verkäufers. Nach den neuen Regeln wird der Monatsbeitrag hier in der Spitze mit dem Faktor neun multipliziert. Früher ging es bis zum Faktor 15 hoch. Quelle: dpa
Hohen Eigenanteil aufbrummenDas Prinzip in der privaten Krankenversicherung: Je mehr der Kunde im Falle einer Krankheit selbst bezahlt, umso niedriger wird sein Monatsbeitrag. Wer also einen Selbstbehalt von mehreren hundert bis zu 1000 Euro vereinbart, hat die Chance auf Prämien von weniger als 200 Euro. Quelle: dpa
Rechnungen nur teilweise zahlenJeder Versicherer hat seine eigenen Bedingungen. Daraus ergibt sich, was er im Zweifel bezahlt und was nicht. Für den Kunden ist das von vornherein schwer ersichtlich, deshalb haben die Analysten von Franke & Bornberg einen Index mit typischen Krankheiten gebildet und so das Leistungsniveau von unterschiedlichen Tarifen simuliert. Oft liegt das Erstattungsniveau der Billigtarife dabei nur zwischen 50 und 70 Prozent. Quelle: dpa
Teure Krankheiten ausschließenDie private Krankenversicherung (PKV) wirbt gerne damit, dass sie deutlich mehr leistet als die gesetzliche Krankenversicherung. In Billigtarifen wird jedoch die Leistung für bestimmte Krankheiten von vornherein ausgeschlossen. Dazu zählen etwa Behandlungen durch Psychologen, Wahlleistungen im Krankenhaus, Zahnleistungen oder die freie Arztwahl. Quelle: dpa
Prämien schnell erhöhenViele Krankenversicherer lockten Kunden in Billigtarife und hoffen, dass sie bald in höherwertige und teurere Tarife wechseln. Diese Rechnung ist in vielen Fällen jedoch nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Viele Kunden in Einsteigertarifen zahlen sogar gar nichts mehr. Die Kosten tragen alle Versicherten im jeweiligen Kollektiv. Die Folge sind satte, zweistellige Prämienerhöhungen. Quelle: dpa

Die neue elektronische Gesundheitskarte ist umstritten und dass viele Bürger sie nicht wollen, zeigen sie nun deutlich. Dabei geht es nur darum, ein Passbild an die Krankenkasse zu schicken. Seit Monaten schon mahnen diese deshalb ihre Kunden an, das kleine Foto endlich zu schicken. Nun erhöhen sie den Druck auf die fünf Prozent der mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherten, die sich bislang unkooperativ zeigen. Allerdings weiß niemand so genau, ob es aus Trödelei passiert oder weil sie dem System ablehnend gegenüber stehen.

Das Problem: Die Krankenkassen haben schon mehr als 700 Millionen Euro an Beitragsgeldern in die Karte investiert, wie die Welt schreibt.

Entscheidungshilfe: Gesetzlich oder privat versichern?

Außerdem müssen sie derzeit mit zwei parallel-laufenden Systemen arbeiten - das soll sich irgendwann ändern. Deshalb setzen die Krankenkassen momentan eine Vielzahl ihrer Mitarbeiter frei, um den Hunderttausenden hinterher zu telefonieren oder ein Mahnschreiben nach dem anderen herauszuschicken.

Derweil kündigt sich von anderer Seite ein neues Problem an. Auch die Kassenärzte haben angekündigt, die Einführung der Gesundheitskarte zu boykottieren. Auch wollen die Ärzte niemanden stehen lassen, der im kommenden Jahr mit einem alten Ausweis in die Praxis kommt. Das ist aktuell die Angst vieler Versicherter, die in diesen Tagen Post bekommen, die aussagt, dass ihre Karte nur bis zum 31. Dezember 2013 ihre Gültigkeit behalte. Der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben sich auf eine Übergangsfrist bis zum 30. September geeinigt.

Für diejenigen, die sich auch danach noch verweigern, wird es dann doch etwas unangenehm: Denn obwohl ein Patient immer medizinisch versorgt werden muss, kann der Arzt ihm die Kosten privat in Rechnung stellen, sofern es der Versicherte nicht schafft, innerhalb von 14 Tagen einen Versichertennachweis nachzureichen. Grundsätzlich ist als jeder Kassenpatient dazu verpflichtet, ein aktuelles Foto abzugeben - es muss allerdings nicht biometrisch sein. Ausnahmen gibt es für Kinder bis 15 Jahren, Menschen mit Pflegestufe, aber auch für Menschen, deren religiöse Überzeugung ein Foto verbietet.

Seit 1. Oktober 2011 werden die neuen elektronischen Gesundheitskarten ausgegeben, die die herkömmlichen Krankenkassenkarten nach und nach ablösen. Eigentlich sollte der Start schon 2006 über die Bühne gehen. Doch jahrelanger Streit um Kosten und Datenschutz sorgten dafür, dass die Ausgabe der Karten immer wieder verschoben wurde.

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