Giro- und Sparkonten 2017 Flucht vor dem Strafzins

Noch scheuen sich die Geldhäuser, Kleinsparern negative Zinsen zu berechnen. Doch 60 Prozent der Kunden halten Strafzinsen schon nächstes Jahr für möglich. Eine Umfrage zeigt, wie sie darauf reagieren werden.

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Kaum eine Bank will Strafzinsen mehr ausschließen. Die Kunden halten es für möglich, dass viele Geldhäuser schon 2017 Minuszinsen berechnen werden. Quelle: dpa

Bisher sind Strafzinsen für private Bankkunden in Deutschland die absolute Ausnahme. Bekannt sind drei Genossenschaftsbanken, die von vermögenden Kunden bei hohen liquiden Einlagen Strafzinsen verlangen. Und eine Volksbank hat eine Gebühr für das Tagesgeldkonto eingeführt.

Die Sparer selbst allerdings erwarten negative Zinsen auf Giro- und Sparkonten durchaus – sogar schon im kommenden Jahr. Rund 60 Prozent halten es für „vielleicht möglich“ oder „gut möglich“, dass Banken in den nächsten zwölf Monaten auf breiter Front einen negativen Zins einführen. Das ergibt eine Umfrage unter rund 3.600 Kunden der Onlinebank ING-Diba. Erstellt wurde die Befragung vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) der Universität Mannheim.

Nicht nur das: Die Bankkunden würden auf Strafzinsen auch reagieren, zeigt die Umfrage. Sollte eine Bank den Zinssatz ihres Tagesgeldkontos von 0,4 Prozent auf minus 0,1 Prozent senken, würden rund 40 Prozent der Befragten ihr Geld auf ein anderes Tagesgeldkonto schieben. „Die Minuszinsen machen etwas für die Leute aus“, sagte der Mannheimer Bankenprofessor Martin Weber, einer der Studienautoren. Die Kunden wollten keine Verluste, und der Minuszins sei ein Verlust.

Je gut 20 Prozent würden umschichten und ihr Geld längerfristig anlegen oder risikofreudiger investieren. Nur fünf Prozent täten gar nichts. Wie viele Kunden ihr Geld ganz von einem Bankkonto abzögen, ermittelte die Umfrage allerdings nicht.

In dem Szenario, in dem eine Bank den Zinssatz dann noch auf minus 0,6 Prozent drückt, würden nur vier Prozent ihr Geld auf dem Konto lassen. 30 Prozent sähen sich nach einem anderen Tagesgeldkonto um, und etwa genau so viele Befragte würden sich in riskantere Anlagen mit mehr Renditechancen wagen.

Niedrigzinsen mindern Sparwillen

Hintergrund der Umfrage ist, dass viele Banken von Firmenkunden mit hohen kurzfristigen Einlagen bereits seit längerem Strafzinsen verlangen. Auslöser dafür ist die Politik der Europäischen Zentralbank. Dort müssen Banken einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie überschüssige Liquidität über Nacht parken wollen.

Weit verbreitet ist deshalb bereits auch, dass Banken auf Tagesgeld gar keine Zinsen mehr zahlen. Im Schnitt zahlten die Kreditinstitute für eine Anlagesumme von 10.000 Euro homöopathische 0,05 Prozent Zinsen pro Jahr, ermittelte das Vergleichsportal Verivox.

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Schon jetzt zeigt sich, dass die deutschen Sparer zunehmend auf die Niedrigzinsen reagieren und weniger Geld beiseitelegen. 44 Prozent gaben in der ZEW-Umfrage an, dass die Minizinsen beeinflussen, wie viel Geld sie sparen. Zehn Prozent dieser Gruppe sparen gar nicht mehr, gut 80 Prozent sparen weniger.

„Das Sparverhalten ändert sich spürbar“, sagte Weber. Eine Umfrage der Deutschen Bundesbank, die schon im Oktober 2015 veröffentlich wurde, ergab noch, dass sehr viel weniger Deutsche auf die niedrigen Zinsen reagiert hatten. Knapp 80 Prozent antworteten damals, sie hätten ihr Sparverhalten nicht geändert.

ING-Diba gewinnt Postbank-Kunden

Auch die ING-Diba registriert, dass sich mehr Kunden mit dem Thema Niedrigzinsen beschäftigen. Trotz der scheinbaren Ruhe brodle es etwas, sagte Martin Schmidberger, Leiter Gruppen- und Zielgruppenmanagement der Bank. Die ING-Diba selbst denkt derzeit nicht an die Einführung von Strafzinsen.

Schmidberger rechnet auch vielmehr damit, dass zahlreiche Banken weiter an der Gebührenschraube drehen. Das sei die „erste Option“ für die Geldhäuser. Zahlreiche private Banken, Sparkassen und Volksbanken haben in den vergangenen Monaten bereits Girokonten verteuert.

Zählt man die aus einer Landesbank hervorgegangene Berliner Sparkasse mit, haben acht der zehn größten Sparkassen dieses Jahr Gebührenerhöhungen angekündigt und weitgehend auch schon umgesetzt. Dazu kommt die Sparkasse Köln-Bonn, die bereits 2015 gehandelt hat.

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Auch kostenlose Girokonten gibt es immer seltener. Die Postbank, die 1998 ein Gratiskonto eingeführt hatte und damit als Vorreiter in Deutschland galt, verabschiedet sich weitgehend von der Gratisvariante. Für das klassische Konto Giro plus verlangt sie seit November 3,90 Euro monatlich. Gratis bleibt es nur ab einem Geldeingang von 3.000 Euro, bislang liegt die Grenze bei 1.000 Euro pro Monat.

Davon wiederum profitiert die ING-Diba nach eigenen Angaben, die nach wie vor ein kostenloses Girokonto anbietet. Zwar kann sie nicht angeben, wie viele Kunden von der Postbank zu ihr gewechselt sind. Aber eine Indikation nennt Schmidberger: Von August bis Oktober habe man rund 150.000 Neukunden für Girokonten gewonnen.

Die Postbank hatte das neue Gebührenmodell im August vorgestellt. Normalerweise eröffnet die ING-Diba täglich 800 bis 1000 neue Girokonten, im Herbst waren es in der Spitze 3000 bis 4000 pro Tag. In der Zeit hatten allerdings auch viele andere Geldhäuser die Preise angehoben, so dass ING-Diba auch Kunden anderer Banken angezogen haben dürfte.

Die Postbank selbst teilt mit, dass sich die Anzahl der Kündigungen unterhalb ihrer Erwartungen bewege. Zahlreiche Kunden würden in andere Postbank-Konten wechseln. So kostet das Onlinekonto unabhängig vom Gehaltseingang 1,90 Euro pro Monat. Zugleich verzeichne die Bank ein „durchaus signifikantes Neugeschäft durch Kunden anderer Banken“, so ein Sprecher der Postbank.

In der Tat akzeptieren Bankkunden höhere Gebühren für das Girokonto weitaus besser als einen Negativzins, wie die ZEW-Umfrage zeigt. So betrachten 75 Prozent der Befragten einen Strafzins als reine Kosten für sie – ohne Gegenleistung der Bank. Bei Kontoführungsgebühren liegt der Wert bei gut 50 Prozent.

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