Gold Der Goldpreis der Straße

Der hohe Goldpreis ist verlockend. Wie gut lassen sich altes Zahngold und Schmuck jetzt verkaufen? Wo droht Abzocke? Ein Besuch bei Pfandleihern, Goldhändlern, Gutachtern und Auktionshäusern.

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Antike Taschenuhr: Goldwert 80 Euro, auf dem Antikmarkt geschätzt mehr als das Doppelte Quelle: Cream Digital Pictures/Markus Schwalenberg für WirtschaftsWoche

Ein kurzer Blick durch den Spion, dann öffnet der Mann mit der Hornbrille die DIN-A4 große Holzklappe in seiner Wohnungstür. „Sie kaufen Gold, habe ich unten in der Fußgängerzone auf dem Schild gelesen“, murmle ich und umklammere mit der Hand fest die Goldschätze meiner Urgroßeltern. Mein Blick fällt durch die kleine Luke auf einen Orientteppich, Dutzende kleine Bilderrahmen hängen an der Wand, dazu Uhren, Landkarten, verschnörkelte Vasen. „Öffnen Sie die Tür?“ An Ketten hängend ist aus der Klappe ein Tischchen geworden. „Nein, legen Sie hin, ich wiege aus, dann Preis“, sagt der Händler. Das ist suspekt, die Klunker reiche ich nicht durch das kleine Loch. „Schon 30 Jahre hier, keiner geht weg“, schimpft er und schmeißt die Klappe zu, dass es nur so durch den Hausflur hallt. Der Blick fällt auf die Platte an der Tür: „Bissiger Hund.“

Immer mehr Deutsche wollen ihr Gold zu Geld machen

In der Kölner Innenstadt will ich den Goldschmuck der Urgroßeltern zu Geld machen: eine rund 100 Jahre alte Uhr, ein Medaillon mit acht ineinandergefalteten Bilderrahmen, eine knapp 16 Gramm schwere 585er-Kette und zwei Gramm Zahnkrone. Der immer noch rekordhohe Goldpreis – seit seinem Tief im August 1999 bei 236 Euro je Unze (31,1 Gramm) hat Gold seinen Wert auf aktuell rund 800 Euro mehr als verdreifacht – treibt immer mehr Deutsche dazu, derartige Preziosen zu Geld zu machen. Ablesen lässt sich dies an den Zahlen der Unternehmen, die das Gold einschmelzen: 7077 Kilogramm Feingold, knapp 50 Prozent mehr als noch 2007, arbeitete allein die Allgemeine Gold- und Silberscheideanstalt AG (Agosi) in Pforzheim aus Altgold auf. „Die Spitze hatten wir 2008, seitdem hat sich die Anliefermenge auf diesem Niveau stabilisiert“, sagt Volkmar Häuser, Technischer Leiter der Rückgewinnung bei Agosi.

Der Trend bestätigt sich auch bei der Kette Exchange AG, die 15 Leihhäuser betreibt. Im vergangenen Jahr habe man rund 25 Prozent mehr Gold angekauft, sagt Vorstand Michael Diell.

Einmal eingeschmolzen, landen Omas olle Klunker schließlich bei Anlegern – in Safes und Bankschließfächern. „Denn die Verkaufsbewegung von Altschmuck wird noch überlagert von der starken Nachfrage nach Barren“, sagt Ralf Drieselmann, Leiter des Edelmetallhandels bei Umicore im hessischen Hanau.

Verbraucher sollten sich immer eine zweite Meinung einholen

Medaillon mit Bilderrahmen: 120 Euro für Gold, Juwelier bietet rund 20 Prozent mehr Quelle: Cream Digital Pictures/Markus Schwalenberg für WirtschaftsWoche

Besuch bei der öffentlich bestellten und vereidigten Schmucksachverständigen Adriane Friedrich in Köln: Die 50-Jährige schätzt, dass die Taschenuhr mit dem Zylinderwerk und dem Emailleziffernblatt zwischen 1880 und 1920 gebaut wurde. Sie wiegt knapp 20 Gramm, enthält aber nur geschätzte acht Gramm Gold, und das auch nur in 585er-Legierung – das heißt, dass 585 von 1000 Metallanteilen reines Gold sind. Die Uhr tickt noch, ihr Zustand ist gut, aber die Verkaufschancen klein. „Davon gibt es viele, mit Glück bekommen Sie auf dem Antikmarkt 180 bis 200 Euro dafür“, sagt Friedrich. Der reine Goldwert liegt heute bei 81 Euro.

Jedes Schmuckstück hat einen Markt- und einen Materialwert. Die Altgoldankäufer bieten fast immer nur Letzteren an. Hinzu kommt: Kunden müssen selbst bei seriösen Händlern je nach der zu verkaufenden Menge mit einem Abschlag von bis zu 30 Prozent auf den aktuellen Tagesgoldkurs rechnen. Händler kalkulieren einen sinkenden Kurs ein, denn die Ankäufer sammeln das Altgold über Wochen und verkaufen erst später an Großhändler oder Goldscheidereien. „Verbraucher sind gut beraten, sich mindestens eine zweite Meinung einzuholen“, rät Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer beim Bundesverband der Juweliere.

Beim Anblick des Medaillons kommt Schmuckexpertin Friedrich sogleich ins Schwärmen: „Ist das süß, viel zu schade zum Einschmelzen“, sagt sie und lupft die Brille. Das Gold sei 120 Euro wert, bis zu 300 Euro könne man auf dem Antikmarkt erlösen, schätzt die Expertin. „Aber Sie müssen jemanden finden, dem es das wert ist.“ Keine leichte Aufgabe.

Das Kettchen der Taschenuhr beäugt sie besonders kritisch, der Säuretest soll die Wahrheit über den Goldgehalt ans Licht bringen. Friedrich feilt die Kette an, reibt sie mehrfach über den Schieferstein. Mit Spezialsäure geht sie über den goldenen Strich auf dem Stein, der verschwindet. Test nicht bestanden – das Kettchen ist bloß ein Doublé.

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