Goldexperte Dabelstein Gold lieber kaufen, bevor es brennt

Karsten Dabelstein, Goldexperte bei der Hamburger Conrad Hinrich Donner Bank, geht davon aus, dass der Goldpreis wegen der Nachfrage von Notenbanken aus den Schwellenländern nicht mehr nennenswert unter 1000 Dollar pro Unze fallen wird.

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Karsten Dabelstein, Goldexperte bei der Hamburger Conrad Hinrich Donner Bank

Herr Dabelstein, populäre Ökonomen wie Nouriel Roubini und Martin Feldstein warnen vor einer Anlageblase im Gold. Großspekulant George Soros sprach von der ultimativen Blase. Stimmen Sie der Prominenz zu?

Ganz abwegig sind diese Kommentare in meinen Augen jedenfalls nicht.

Goldaktien müssten doch in einer Goldblase viel höher stehen. Außerdem notiert Gold in Dollar gerechnet nur 30 Prozent höher als im Januar 1980. Sieht so eine Blase aus?

Trennen wir besser Gold von den Goldaktien, das ist keine homogene Anlageklasse. Und wie man letztlich eine Anlageblase definiert, ist eher eine akademische Diskussion, an der ich mich nicht beteiligen will. Fakt ist: Der Goldpreis hat sich binnen fünf Jahren nahezu verdreifacht. Das ist kein normaler Aufwärtstrend mehr. Auch der Goldpreisanstieg ist vor allem eine Folge der hohen Liquiditätszufuhr an den Märkten. Diese Liquidität ist in alle Vermögensklassen geflossen ist, so auch ins Gold. Die Nullzinspolitik der US-Notenbank hat eine günstige Verschuldung in Dollar möglich gemacht. Doch es kann Einschnitte geben, wie zum Beispiel Diskussionen um einen Staatsbankrott von Griechenland oder eine Zinserhöhung in den USA – sprich, eine Situation, in der dieser Carry-Trade in Dollar nicht mehr aufgeht. Chinesische Aktien sind schon stark gefallen, auch der Goldpreis hat vom Hoch immerhin 100 Dollar verloren. Es gibt eine Interdependenz in der Preisentwicklung verschiedenster Anlageklassen.

Der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan bezeichnete Gold einst als „ultimative Währung“. Sehen Sie Gold auch als Währung – oder ist es für Sie eine ganz normale Anlageklasse?

Für uns ist Gold zunächst eine eine Anlageklasse wie jede andere auch. Gold war für unser Haus schon immer Bestandteil einer strategischen Asset-Allokation, hat aber in den letzten fünf Jahren an Bedeutung gewonnen. Das ist nicht zu leugnen.

Der Kunde, der 1980 zu Ihnen kam und Gold kaufte, für den ist die jährliche Rendite bisher recht mager ausgefallen.

Für denjenigen, der sich Ende der Neunzigerjahre mit Gold beschäftigt hat, sieht die Rechnung schon besser aus. Unseren Kunden ist schon klar, dass sie auf regelmäßige Ausschüttungen verzichten und auch hohe Preisschwankungen aushalten müssen.

Was bewegt ihre Kunden zum Goldkauf?

Unsere Kunden denken sehr langfristig. Sie sehen in Gold vor allem eine Versicherung. Sie suchen keine Lösung für die nächsten sechs Monate, sondern für die nächsten fünf, zehn oder 20 Jahre, mitunter für die nächste Generation. Ein Kunde erzählte mir kürzlich, dass es ihn überhaupt nicht interessiere, wohin der Goldpreis geht. Für ihn sei Gold bei 1000 Dollar gar billig im Vergleich zu dem Wert, den es besitzt, wenn er die Versicherung tatsächlich einmal brauchen sollte.

Für diesen Kunden ist Gold dann doch so etwas wie die ultimative Währung?

So gesehen schon.

Gegen was wollen sich Ihre Kunden versichern – gegen steigende Papiergeldentwertung?

Zumindest derzeit ist das Thema Inflation kein Treiber für den Goldpreis, weil wir in keiner Ecke der Welt überbordende Inflation haben.

Erzählen Sie das mal den Menschen in Indien. Dort sind die Nahrungsmittelpreise um 20 Prozent gestiegen.

Das gilt aber nicht für die entwickelten Industrieländer wie Deutschland.

Auch bei uns legen die Lebenshaltungskosten zu, die Ausgaben für Gesundheit, Bildung, Versicherungen, kommunale Abgaben steigen. Wie definieren sie Inflation?

Ich mach es mir einfach und bediene mich der klassischen Inflationsdarstellung der Zentralbanken. Und wenn ich sehe, dass die vorhandenen Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet sind und es auch auf Jahre hinaus nicht sein werden, die Arbeitslosigkeit steigt und die Lohnsumme stagniert, dann kann ich nach dieser Definition keinen Inflationsdruck ausmachen. Die Motive für den Goldkauf haben sich im Vergleich zu früheren Generationen entscheidend verändert.

Tatsächlich?

Es ist doch nicht nur die Furcht vor Inflation oder einem Staatsbankrott. Es gibt andere Großschadenereignisse, bei denen sich die Leute mit etwas Gold im Depot sicherer fühlen, etwa Finanzkrisen, die immer wieder auftauchen.

Ein Goldbarren. Der hohe Quelle: REUTERS

Läuft das letztlich nicht auch hinaus auf Gold als alternative Währung?

Wenn Sie für ihre Euro-Ersparnisse mit Bundesanleihen irgendwann wieder fünf Prozent Rendite einfahren können, wird Gold auch mal wieder aus den Schlagzeilen verschwinden.

Vorausgesetzt, die Bonität des Bundes bleibt erstklassig und die reale Verzinsung stimmt.

Davon gehe ich mal aus.

Also braucht man eigentlich kein Gold?

Das hab ich nicht gesagt. Sie kündigen ja auch nicht Ihre Feuerversicherung, weil es bei ihnen noch nie gebrannt hat. Die Versicherung müssen sie haben, bevor der Schadensfall eintritt. Nachher ist es zu spät. Absicherung bedeutet, dass sie über Jahre auch mal negativen Nutzen bringen kann.

Wie sieht ihre Goldpreisprognose aus für 2010?

Ich rechne mit einem Preisband von 1000 bis 1200 Dollar pro Unze, erwarte für Gold in Dollar aber keinen neuen Topkurs. In Euro kann das passieren, weil wir mit einem zum Dollar schwächeren Euro rechnen. Gemessen an der Kaufkraft ist der Euro zum Dollar noch etwa 15 Prozent überbewertet. In einem engen Markt wie dem Goldmarkt lassen sich präzise Vorhersagen auf kurze Sicht aber kaum treffen.

Was ist so schwierig an der Analyse von Gold?

Bei Gold ist es ein Gemenge aus privat gesteuerter Nachfrage, die besonders 2008 und 2009 stark zugenommen hat, derzeit aber auf hohem Niveau stagniert. Hinzu gekommen ist der Wandel im Verhalten der Zentralbanken, die vom Nettoverkäufer zum Nettokäufer wurden. Die Nachfrage kommt hier aus den Schwellenländern wie Russland, China oder Indien, die ihre Währungsreserven nicht nur in Dollar, Euro und Yen halten wollen. Das ist strukturell und wird sich fortsetzen. Wenn öffentliche Stellen ein Gut nachfragen, warum sollten das dann nicht auch private Anleger tun?

Zentralbanken haben auch zu Tiefstpreisen verkauft. Das hätte man als Privatanleger besser nicht gemacht.

Richtig. Aber nicht alle Notenbanken haben so unglücklich agiert wie die Schweizer Nationalbank und die Bank of England. Die Notenbanken in den Schwellenländern werden per saldo dafür sorgen, dass der Goldpreis nicht nennenswert unter 1000 Dollar fällt.

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