Grauer Kapitalmarkt Die schlechteste Altersvorsorge der Welt

Falsche Finanz-Beratung kostet deutsche Anleger jährlich bis zu 40 Milliarden Euro. Das meiste Geld wird am lax regulierten grauen Kapitalmarkt in den Sand gesetzt. Die neuen Regeln der Regierung ändern daran nicht viel.

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Westhusen Quelle: Screenshot www.alloheim.de

Einmal hat sie "ihr" Schlösschen besucht. Nur um zu sehen, wofür sie seit Jahren Monat für Monat 180 Euro hinblättert und Ende der neunziger Jahre einen teuren Kredit über 35.000 DM aufgenommen hat. Sabine Krüger (Name geändert) hat sich 1998 von einem AWD-Berater Anteile an Schloss Westhusen bei Dortmund aufschwätzen lassen.

Eine tolle Sache sei das, sagte der nette Bekannte der damals 28-Jährigen, sie könne so auch mit ihrem eher durchschnittlichen Einkommen super Steuern sparen. Nun ist sie Teilhaberin an einem Altenpflegeheim, untergebracht in einer kleinen Schlossanlage, das Hauptgebäude aus dem 14. Jahrhundert. Die Kosten haben jedoch inzwischen einen großen Teil der Einlagen aufgefressen. Seit Jahren bekommt sie keine Auskunft mehr, was ihr Investment heute wert ist. Längst beschäftigen sich Anlegeranwälte mit dem Fall.

Die Gefahr, viel Geld zu verlieren ist groß

So wie Sabine Krüger geht es Hunderttausenden Sparern, die frühzeitig etwas für ihre Altersvorsorge tun wollten und nun viel Geld auf dem grauen Kapitalmarkt verloren haben.

Grauer Kapitalmarkt ist ein Sammelbegriff für den Teil der Finanzmärkte, der weit weniger reguliert und beaufsichtigt ist als etwa börsennotierte Aktien oder Anleihen. Geschlossene Fonds, Stille Beteiligungen, Genussscheine, Pachtverträge für Teakholzplantagen in Costa Rica oder Goldgeschäfte im Internet gehören dazu. Aber auch Hebelprodukte und andere Zertifikate, die in den USA beispielsweise nicht an Privatkunden verkauft werden dürfen. Manche haben damit gut verdient. Aber die Gefahr, hier viel Geld zu verlieren, ist groß. 30 bis 40 Milliarden Euro setzen deutsche Anleger alljährlich durch Falschberatung in den Sand, schätzen Experten - das meiste am grauen Kapitalmarkt.

Besonders laxe Regeln

Hierzulande tummeln sich mehr Anbieter als in jedem anderen Euro-Land. Denn Aufsicht und Regeln gelten als besonders lax. Und längst nicht mehr richten sich Schiffsbeteiligungen, Solaranlageninvestments oder Privat-Equity-Fonds nur an Reiche. Sparpläne ab 50 Euro oder Minieinlagen ab 1000 Euro sind keine Seltenheit. Durchschnittlich hat sich die Einlagesumme bei geschlossenen Fonds in zehn Jahren von 50.600 auf rund 24.900 Euro mehr als halbiert, ermittelte die Fondsratingagentur Feri.

Einst solide Altersvorsorge, Quelle: dpa-tmn

"Die große Masse der Anleger will Steuern sparen und etwas für ihr Alter zurücklegen", sagt Hauke Maack aus Recklinghausen, einer der vielen Anwälte, die für Geschädigte der Göttinger Gruppe retten wollen, was noch zu retten ist. Die Göttinger Gruppe war ein Schneeballsystem, in das Anleger über stille Beteiligungen Mitte der neunziger Jahre mehr als eine Milliarde Euro gesteckt haben sollen. Allein in geschlossene Fonds wie Sabine Krügers Schloss Westhusen haben Anleger laut Feri 200 Milliarden Euro gesteckt.

Die Finanzkrise spielt den Anbietern in die Hände

 Die Finanzkrise und die Furcht vor einem Zusammenbruch des Euros spielen derzeit den Anbietern in die Hände. Die Vertriebsgesellschaft Carpediem etwa, die Fonds von Cis Deutschland vertreibt, wettert gegen Banken und Versicherungen und fordert potenzielle Neukunden auf, ihre Lebensversicherungen aufzulösen: "Verkaufen Sie uns Ihre Verträge, wir treiben Ihr Geld ein. Wir holen Ihnen mehr als einen lächerlichen Rückkaufswert", heißt es in einem Faltblatt des Vertriebs. Das Geld soll in einen sogenannten Blind Pool fließen: ein Sammelbecken für Anlegermittel, bei dem noch nicht feststeht, wo genau investiert werden soll.

Immobilienfonds sind der Renner

Häufig bezahlt der Anleger bei geschlossenen Fonds Ausgabeaufschläge und andere Kosten, die in der Branche "Weichkosten" genannt werden. Diese Weichkosten, die oft 20 Prozent oder mehr des Einsatzes ausmachen, fließen an den Fondsinitiator, den Vertrieb und weitere Dienstleister. Sie werden also nicht investiert und können so auch kein Geld für den Anleger verdienen.

Fachleute schätzen, dass nur rund 30 Prozent aller geschlossenen Immobilienfonds die Erwartungen der Anleger erfüllen. Mit Schiffsfonds haben Investoren über Jahre hohe Renditen erzielt, auch dank üppiger Steuergeschenke. Die meisten Fonds können allerdings nicht so viel auszahlen wie versprochen - oder sie sind gleich ganz pleitegegangen. Auch Filmfonds floppten reihenweise.

Doch die vielen Reinfälle haben Sparer auch im vergangenen Jahr nicht abgeschreckt. Nach Angaben des Verbands Geschlossene Fonds haben sie im vergangenen Jahr 5,8 Milliarden Euro in geschlossene Fonds investiert - ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders beliebt waren Immobilienfonds mit 1,6 Milliarden Euro, ein Zuwachs von 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Goldklumpen werden aus einem Quelle: REUTERS/Lisi Niesner

Es ist eine Flucht in die Sachwerte. Im Internet boomt zurzeit das Geschäft mit Goldsparplänen. Doch Vorsicht: Manchmal ist das Gold verschwunden, oder es wird in überteuerten Ein-Gramm-Portionen verkauft. Auch ökologische Investments liegen im Trend. Anleger beteiligen sich damit an Solarprojekten in Spanien und Windparks. Doch gerade bei solchen Modethemen sollten Anleger hellhörig bleiben.

Der Windparkspezialist Prokon beispielsweise wirbt im Fernsehen, in der Straßenbahn und mit Wurfsendungen massiv für den Kauf von Genussscheinen, die acht Prozent Zinsen bringen sollen. Mit dem frischem Anlegergeld baut Prokon neue Anlagen für die eigene Gruppe und verbucht das als Umsatz. Ob die Preise marktgerecht sind, die Prokon den Tochterfirmen zahlt, ist von außen schwer zu erkennen. Auch bergen Genussscheine hohe Risiken. Im Fall der Pleite werden sie wie Eigenkapital behandelt, also zuletzt bedient.

"Gute Bekannte" locken mit "lukrativen" Angeboten

Der graue Kapitalmarkt profitiert von den mageren Zinsen konventioneller Sparprodukte und dem erschütterten Vertrauen in die Finanzmärkte. "Verunsicherte Anleger glauben jetzt gerne wieder einem guten Bekannten", sagte Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber kürzlich dem Handelsblatt. Manch guter Bekannter lockt sie dann, so wie damals der nette Freund von Sabine Krüger, in Anlagen mit hohen Provisionen - und hohen Risiken.Doch nicht alles läuft über freie Vermittler. Der stärkste Vertriebskanal für geschlossenen Fonds waren 2010 die Banken: Sie haben 44 Prozent aller Beteiligungen losgeschlagen.

Mit Regeln gegen die Auswüchse am grauen Kapitalmarkt

Mit eher mild ausgefallenen neuen Regeln will nun die Bundesregierung Auswüchse am grauen Kapitalmarkt eindämmen. Die rund 80.000 freien Verkäufer von Finanzprodukten bleiben nach einem Beschluss von Anfang September der wenig kompetenten Gewerbeaufsicht unterstellt. Sie müssen lediglich einen Sachkundenachweis vorlegen und eine Berufshaftplichtversicherung abschließen. Und sie sind verpflichtet, die Beratung zu dokumentieren und ihre Provisionen offenzulegen.

Das nützt Sabine Krüger heute wenig. Sie hat den teuren Bankkredit für ihr Schloss-Investment abgelöst - und sich lieber Geld von ihrer Mutter geliehen. 2014 ist die Fondslaufzeit endlich zu Ende. Sie hofft, dass sie von ihren eingesetzten 35.000 DM wenigstens einen kleinen Teil wiedersieht.

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