Gut gespart Genossen mit hohen Zinsen

Wohnungsgenossenschaften bieten Sparern höhere Zinsen als die meisten Banken. Was Anleger wissen müssen.

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Niedrige Zinsen

Ihre Namen klingen altbacken, aber grundsolide: Frohe Zukunft, Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 oder Beamten-Wohnungs-Verein. Wohnungsgenossenschaften sind vor allem für günstige Mietwohnungen bekannt. Die Genossenschaften kaufen Immobilien, kümmern sich um den Bestand und stellen ihren Mitgliedern günstigen Wohnraum zur Verfügung.

Wichtig auch für Anleger, die keine Wohnung suchen: Knapp 50 Genossenschaften zahlen ihren Mitgliedern auf Einlagen attraktive Zinsen. Offensiv verkauft werden die Zinsangebote nicht. Einige Genossenschaften haben Sorge, sonst mehr Geld von Sparern zu bekommen, als sie für ihr Wohnungsgeschäft brauchen. Anderen ist Werbung zu teuer. „Wenn Kunden überhaupt von dieser Geldanlage gehört haben, sind sie durch Zufall darauf gestoßen“, sagt Stefanie Kühn, Honorarberaterin aus Grafing bei München.

Eingeschränkte Produktpalette

Dabei können sich die Zinsen der Wohnungsgenossenschaften sehen lassen. In einer Umfrage unter den Genossenschaften mit Sparprodukten hat die WirtschaftsWoche die aktuellen Konditionen ermittelt. Die Besten zahlen aktuell 2,5 Prozent Zinsen, wenn Sparer ihr Geld zwölf Monate fest anlegen. Unter Banken sind derzeit schon zwei Prozent selten, im Durchschnitt bekommen Bankkunden auf Zwölf-Monats-Festgeld nur 1,4 Prozent Zinsen (siehe Grafik).

46 der rund 2000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland haben eine sogenannte „Spareinrichtung“ – das heißt, sie dürfen von ihren Mitgliedern Geld annehmen und ihnen darauf Zinsen zahlen. Die Finanzaufsicht BaFin hat den Genossenschaften allerdings nur eine eingeschränkte Produktpalette erlaubt. So müssen sie das Geld der Sparer wenigstens drei Monate lang behalten; täglich verfügbares Tagesgeld dürfen sie nicht anbieten. Damit Mitglieder bei unvorhergesehenen Ausgaben keine Probleme bekommen, gibt es eine Ausnahme: Bis zu 2000 Euro auf dem Sparbuch können die Sparer innerhalb eines Monats abheben.

Meist können Mitglieder ihr Geld nicht nur in kurzfristig verfügbare Sparbücher stecken, sondern ihr Erspartes auch für einen festen Zeitraum anlegen (Festgeld) oder mit regelmäßigen Raten sparen.

Wer das Angebot nutzen kann

Neben den Mitgliedern dürfen auch deren Angehörige die Spareinrichtungen nutzen. Dazu zählen neben direkten Verwandten auch Großeltern oder Angehörige von Geschwistern. Insgesamt hatten Sparer Ende 2009 rund 1,9 Milliarden Euro auf 350 000 Konten bei Genossenschaften angelegt (siehe Grafik). Ein Plus von 14 Prozent zum Vorjahr.

Als Mitglieder akzeptieren die meisten Genossenschaften mit Spareinrichtung auch Sparer, die kein Interesse an einer Mietwohnung haben – etwa, weil sie in einer anderen Stadt wohnen. So können auswärtige Interessenten bei der Siedlungsgemeinschaft Chemnitz, die besonders hohe Zinsen zahlt, Mitgliedschaft und Zinsanlage direkt per Internet bestellen. „Die auswärtigen Sparer investieren oft höhere Beträge als unsere Mitglieder vor Ort, teilweise über 150 000 Euro“, sagt Vorstand Arthur Fechner. Er hat früher bei der größten Spareinrichtung, dem Spar- und Bauverein in Hannover, gearbeitet, und hilft nun beim Aufbau der Chemnitzer Spareinrichtung, die erst im Oktober 2009 startete.

Ortsansässige profitieren doppelt: Als Mitglieder kassieren sie die hohen Zinsen und können günstige Wohnungen mieten. In der Gartenstadt Karlsruhe bekommen Mitglieder aktuell zum Beispiel eine Drei-Zimmer-Wohnung mit Balkon für 8,90 Euro Miete pro Quadratmeter – Heiz- und Betriebskosten inklusive. Bei kommerziellen Wohnungsunternehmen müssen Mieter in vergleichbarer Lage mit etwa zehn Prozent mehr rechnen.   Außerdem wird hier häufig auch noch Maklerprovision fällig.

Wohnungsgenossenschaften

Wer Mitglied in einer Genossenschaft werden will, muss nur eine Einlage leisten. Um die kommen Neumitglieder auch dann nicht herum, wenn sie es nur auf die hohen Zinsen der Spareinrichtung abgesehen haben. Verlassen sie die Genossenschaft aber später wieder, bekommen sie das Geld zurück, meist mit Zinsen.

In einigen Fällen erleichtern die Genossenschaften reinen Sparmitgliedern den Einstieg. Vor allem in Ostdeutschland müssen Sparer als Mindesteinlage nur 15 bis 20 Euro einbringen. Andere Genossenschaften, etwa der Spar- und Bauverein Solingen, verlangen von Neumitgliedern bis zu 1000 Euro und eine einmalige Eintrittsgebühr. Da Mitglieder auf ihre Einlage in vielen Fällen aber vier Prozent Zinsen pro Jahr kassieren, muss eine hohe Mindesteinlage Anleger nicht schrecken.

Was mit dem Geld passiert

Die Genossenschaften nutzen ihre Spareinrichtungen, um ihr Wohnungsgeschäft zu finanzieren. „Die Spareinrichtung macht uns unabhängiger von den Banken“, sagt Thorsten Schmitt, Vorstand der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892. Aktuell müsse die Genossenschaft ihren Sparern einen Prozentpunkt weniger Zinsen zahlen, als Banken von ihr für Kredite verlangen würden. In Zeiten mit höheren Zinsen habe die Differenz zwei bis drei Prozentpunkte betragen.

Aus Sicht der Genossenschaften sind die Zinsen niedrig, aus dem Blickwinkel der Sparer sind sie hoch. Etwa einen halben Prozentpunkt mehr Zinsen als die Banken zahlen die Genossenschaften den Sparern. So teilen Genossenschaften und Sparer sich die Differenz aus Kredit- und Guthabenzins, die sonst die Bank als Gewinn einstreicht.

Je nach Geschäftslage der Genossenschaft setzen die Spareinrichtungen die Zinshöhe fest. Ist etwa ein größerer Neubau geplant, gewinnt die Genossenschaft mit höheren Zinsen gezielt Anleger für sich. Auch Genossenschaften mit einer neuen Spareinrichtung sichern sich so Aufmerksamkeit. "Wir haben derzeit noch Lockzinsen“, sagt Fechner von der Siedlungsgemeinschaft Chemnitz. Da die Siedlungsgemeinschaft mit elf Millionen Euro Einlagen die eigenen Planungen aber schon deutlich übertroffen hat, hält er eine Zinssenkung im ersten Halbjahr 2011 für wahrscheinlich.

Zinsen sichern

Sparer, die sich die aktuell noch hohen Zinsen sichern möchten, sollten in solchen Fällen auf Festgeld mit fester Laufzeit und festen Zinsen setzen. Die Zinsen auf Sparbücher sind hingegen variabel und können sich kurzfristig ändern.

Vertrauen Sparer ihr Geld der Genossenschaft an, bekommen sie aber nicht nur höhere Zinsen als bei den Banken. Die Geldanlage dort ist auch transparenter.

Anders als Banken darf eine Spareinrichtung keine Kredite vergeben oder risikoreich an den Finanzmärkten spekulieren. Das Geld der Sparer fließt vor allem in Neubau und Modernisierung der genossenschaftlichen Immobilien. Die Genossenschaft verdient ihr Geld – und letztlich auch die Zinsen der Sparer – mit den Mieten, die ihre Mitglieder zahlen. Laut Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) stecken im Durchschnitt 80 bis 90 Prozent des Vermögens der Wohnungsgenossenschaften im Immobilienbestand.

Solide Zukunft

Bei der Berliner Genossenschaft von 1892 stehen 120 Millionen Euro Spareinlagen insgesamt 300 Millionen Euro Immobilienvermögen gegenüber. „Der tatsächliche Wert der Immobilien liegt noch deutlich darüber“, sagt Vorstand Schmitt. „Einige stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind in der Bilanz längst abgeschrieben.“

Die Genossenschaften mit Spareinrichtung werden gleich doppelt beaufsichtigt. Der GdW überprüft laufend die wirtschaftliche Situation. Noch wichtiger ist aber die Kontrolle der BaFin, die jeden Monat darauf achtet, dass die Genossenschaften genügend Geld flüssig haben, um Sparer auszahlen zu können.

Wie Sparer geschützt sind

Einmal im Jahr müssen die Genossen gegenüber der BaFin auch nachweisen, dass sie über ausreichend Eigenkapital, also eigene finanzielle Mittel, verfügen. Will eine Genossenschaft eine neue Spareinrichtung eröffnen, dauert das etwa zwei Jahre. Ähnlich wie bei Banken müssen die Anbieter zunächst nachweisen, dass zum Beispiel ihre Mitarbeiter ausreichend qualifiziert sind. Sollte eine Genossenschaft trotz aller Kontrollen in finanzielle Schieflage geraten, etwa weil der Immobilienbestand deutlich weniger wert ist als in der Bilanz angegeben, greift eine eigene Einlagensicherung. Der GdW verwaltet diesen Selbsthilfefonds zur Sicherung der Spareinlagen.

Jede Genossenschaft mit Spareinrichtung muss einen jährlichen Beitrag leisten und den Fonds so füllen. Aktuell liegen darin etwa 20 Millionen Euro in bar. Dazu kommen noch Beiträge, die von den Genossenschaften schon fest zugesagt, bislang aber nicht eingezahlt worden sind. Im Fall der Fälle sollen Sparer durch den Selbsthilfefonds vor Verlusten geschützt werden. Seit Einrichtung des Fonds 1974 musste der GdW bislang aber noch nie einen Sparer entschädigen.

Kunden haben keinen Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem Fonds, heißt es in dessen Statuten. Das klingt abschreckend, ist beim Einlagensicherungsfonds der Privatbanken aber nicht anders. Selbst die von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober 2008 auf dem bisherigen Höhepunkt der Finanzkrise ausgesprochene Staatsgarantie für Spareinlagen ist rechtlich unverbindlich. Anleger können sie nicht einklagen.

Einen wasserdichten rechtlichen Anspruch haben Bankkunden allerdings auf die gesetzliche Einlagensicherung, die 50.000 Euro abdeckt. 2011 steigt der Betrag auf 100.000 Euro. Diese gesetzliche Sicherung gilt für die Sparer der Genossenschaften nicht. Sie müssen darauf vertrauen, dass die Immobilien ausreichen, um alle Gläubiger auszuzahlen.

Insolvenz vermeiden

Bei finanziellen Problemen darf der Selbsthilfefonds des GdW einer Genossenschaft prinzipiell auch vorsorglich unter die Arme greifen – und so eine Insolvenz vermeiden. Seine Hauptaufgabe ist es aber, Sparern nach einer Insolvenz Verluste zu ersetzen. Die eingezahlten Einlagen der Genossenschaftsmitglieder sind deshalb weniger gut gesichert als deren Sparguthaben. Dafür sind sie eben auch höher verzinst. 3 der 13 vorgestellten Genossenschaften verlangen, dass Mitglieder im Krisenfall ihre Einlage durch Nachschüsse aufstocken, um maximal 550 Euro (siehe Tabelle).

Echte Vorteile bieten die Genossenschaften aber auch in puncto Sicherheit durch ihre Transparenz. Wer sich ein wenig über den Immobilienbestand, Mieteinnahmen und Gewinn der Genossenschaft informiert – vor Ort oder im Geschäftsbericht –, hat die Chance, selbst einzuschätzen, wie sicher seine Einlage und das Geld auf dem Sparkonto sind.

So gilt etwa der Chemnitzer Immobilienmarkt mit fast zehn Prozent Leerstand nicht als Top-Standort. Doch die dortige Siedlungsgemeinschaft hat in den vergangenen Jahren ihren Anteil leer stehender Wohnungen auf 3,2 Prozent gesenkt und erwirtschaftet ordentliche Gewinne. Dank der neuen Spareinrichtung dürfte sie künftig noch günstiger an Geld kommen, was die Kosten weiter drückt.

In den Bilanzen vieler Banken, die mehr verschleiern, als sie enthüllen, bleiben Sparern solche Einblicke verwehrt. Sie können dort allenfalls erahnen, was mit ihrem Geld passiert. 

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