Haftpflicht, Unfall, Invalidität Welche Versicherungen Schüler wirklich brauchen

In NRW ist Schulanfang, auch in anderen Bundesländern machen Erstklässler bald die Straßen unsicher. Da stellt sich die Frage, ob der Versicherungsschutz für die Schüler ausreicht und welche Policen sinnvoll sind.

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Schulweg Quelle: obs

In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Sommerferien bereits vorbei, als nächstes startet in Nordrhein-Westfalen in dieser Woche das neue Schuljahr. Im bevölkerungsreichsten Bundesland wird es der erste Schultag für 155.000 kleine ABC-Schützen sein – für die Kinder und ihre Eltern ein wichtiger Schritt, der Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt, der den Nachwuchs zu größerer Selbstständigkeit führt. 

Die Schulzeit bietet viele Chancen, birgt aber auch Risiken. Viele Eltern sorgen sich um ihren Nachwuchs. Häufig machen sich die frisch eingeschulten Kinder nach den ersten paar Tagen schon allein auf den Schulweg. Für die kleinsten Schulkinder ist das eine besondere Gefahr, weil sie leichter übersehen werden und selbst noch nicht so geübt im Straßenverkehr sind. Auch das Toben auf dem Schulhof oder auf Klassenfahrten erhöht das Unfallrisiko. Was, wenn ein Unfall mit Spätfolgen dazu führt, dass kein Abschluss gemacht oder überhaupt jemals eine Berufsausbildung oder eine Arbeitsstelle angetreten werden kann?

Geschäft mit der Angst der Eltern

Einige Versicherungsvermittler kennen die Sorgen von Eltern und wittern ein Geschäft. Um die Zukunft der Sprösslinge zu gewährleisten, bieten sie mitunter allerlei Versicherungsschutz an. Schließlich sitzt das Geld der Eltern, wenn es um eine sichere Zukunft für ihre Kinder geht, in aller Regel locker.

Doch Eltern sollten sich nicht vorschnell zu einer Police überreden lassen, denn viele Angebote sind unsinnig oder überteuert. Beispielsweise rät der Bund der Versicherten von sogenannten Schulunfähigkeitspolicen ab. Die sollen zahlen, wenn ein Kind aufgrund von Krankheit voraussichtlich sechs Monate oder länger nicht am Unterricht teilnehmen kann. Bianca Boss vom Bund der Versicherten hält den Schutz aber für unzureichend. „Ein Kind, dass im Rollstuhl am Unterricht teilnimmt, würde keine Versicherungsleistung erhalten.“ Sie rät Eltern daher, die Finger von Schulunfähigkeitsversicherungen zu lassen.

Diese Versicherungen können Sie sich schenken
Platz zehn: Die GlasbruchversicherungEine Glasbruchversicherung lohnt sich eigentlich nur, wenn Sie einen Wintergarten besitzen oder ihr gesamtes Haus verglast ist – womöglich noch mit verspiegeltem Spezialglas. Andernfalls ist es deutlich günstiger, wenn Sie eine kaputte Scheibe selber bezahlen, als jeden Monat ein paar Euro dafür zu zahlen, dass Sie vielleicht einmal eine Scheibe ruinieren. Quelle: Bund der Versicherten e.V. Quelle: dpa
Platz neun: Die BrillenversicherungWer eine Brillenversicherung abschließt, bekommt den Wert seiner Brille im Schadensfall nicht vollständig ersetzt. Die Versicherung zahlt ein neues Gestell, wenn die Brille zerbrochen oder beschädigt oder mindestens zwei Jahre alt ist. Einfache Gläser gibt es nur bei Beschädigung oder einer deutlichen Sehstärkenveränderung (mindestens 0,5 Dioptrien). Wer spezielle Gläser oder eine schicke Fassung statt des Kassenmodells will, zahlt kräftig dazu. Also ganz so, wie beim Brillenkauf an sich auch. Quelle: dpa
Platz acht: Die KrankenhaustagegeldversicherungOb die Krankenhaustagegeldversicherung die finanzielle Grundlage fürs tägliche Obst oder für das Fernsehgerät im Krankenhaus sein muss, ist mehr als fraglich. Mit diesem Argument bieten jedenfalls Versicherer solche Policen an. Quelle: dpa
Platz sieben: Die ReisegepäckversicherungWer sein Reisegepäck gegen Diebstahl und Schaden versichern will, muss es trotzdem hüten, wie seinen Augapfel. Sonst zahlt die Versicherung nämlich nicht. Koffer dürfen nicht unbeaufsichtigt sein, Wertgegenstände sind in der Regel nur unzureichend mitversichert. Grundsätzlich werfen die Versicherer ihren Kunden gerne vor, grob fahrlässig mit dem Gepäck umgegangen zu sein. Der Geschädigte muss das Gegenteil beweisen können. Quelle: dapd
Platz sechs: Die Handyversicherung Wer ein Handy versichern möchte, sollte wissen, dass er bei Verlust oder Diebstahl nur den aktuellen Wert, nicht aber den Kaufpreis zurückerstattet bekommt – und den auch nicht vollständig. Ein neues Handy zu kaufen, dürfte nervenschonender sein. Quelle: AP
Platz fünf: Die Hochzeits-Rücktrittskostenversicherung Wenn eine Hochzeit platzt, ist das für alle Beteiligten schon unschön genug. Eine Versicherung, die die Stornokosten für Partylocation, Hochzeitstorte und Kleid anteilig übernimmt, macht es auch nicht besser. Schon gar nicht, wenn sie nur dann greift, wenn Braut oder Bräutigam schwer erkranken oder die Wohnung des Brautpaares am Hochzeitsmorgen in Flammen steht. Quelle: dpa
Platz vier: Die Versicherung gegen „häusliche Notfälle“ Sie haben sich ausgesperrt? Ihre Heizung ist ausgefallen? In solchen und anderen Fällen werden Sie vermutlich einen Notdienst rufen. Zwar kostet das mehr als der Handwerker üblicherweise, aber in finanzielle Not geraten Sie damit sicherlich nicht. Deshalb wird sich eine Versicherung gegen „häusliche Notfälle“ kaum für Sie auszahlen. Denn die träte auch nur begrenzt ein. Mieter müssen ohnehin nicht für Schäden an Mietsachen aufkommen, die sie nicht selbst verursacht haben. Quelle: dpa

Auch der vermeintlich günstige Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) in ganz jungen Jahren ist nur eingeschränkt sinnvoll. Zwar sind die Beiträge aufgrund der Jugend und guten Gesundheit tendenziell niedriger als bei einem Abschluss in späteren Jahren. Trotzdem kostet so eine Versicherung schnell um die 50 Euro im Monat bei einer versicherten BU-Rente von 1000 Euro. Die Versicherung läuft zu den ausgehandelten Konditionen auch weiter, wenn das Kind später einen Beruf ausübt. Dennoch kann es sein, dass solch eine Versicherung im späteren Berufsleben unter Umständen hinsichtlich der Berufswahl, den Risiken und der Versicherungssumme angepasst werden muss, was auch zu einer Neukalkulation der Beiträge führt.

Sinnvoll abschätzen lassen sich Risiken ohnehin erst, wenn sich ein Berufsweg abzeichnet. Dann ist zumeist noch genügend Zeit, sich eine passende BU-Police zu suchen.

Haftpflicht ist Pflicht

Sinnvoll ist hingegen eine private Haftpflichtversicherung, die auch dann zahlt, wenn das Kind fremdes Eigentum schädigt oder einen Unfall verursacht. Zwar sind Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr nicht deliktfähig, so dass Eltern bis dahin für Schäden im Zweifel nicht aufkommen müssen. Im Verkehrsrecht sind Kinder sogar erst ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr deliktfähig.

Wollen Eltern jedoch lieber sicher gehen und für mögliche Schäden aufkommen, ist die Haftpflichtversicherung sicher dabei behilflich, die Schadenersatzpflicht zu prüfen. Zudem kann eine Haftpflichtversicherung auch Schäden durch nicht-deliktfähige Kinder explizit einschließen.

Verwirrende Verträge, unwirksame Klauseln oder Computerfehler sind bei Versicherungen keine Seltenheit. Die Folge: Immer mehr Kunden wenden sich im Streitfall an den Ombudsmann für Versicherungen.

Haben die Eltern bereits eine Haftpflichtpolice, sind die Kinder bis zum Ende ihrer ersten Berufsausbildung mitversichert. Dennoch sollten Eltern den Vertrag zum Schulanfang zumindest prüfen, gegebenenfalls die Versicherungssumme anzupassen oder ihren Versicherer nach dem Einschluss nicht-deliktfähiger Kinder fragen.

Unfallversicherung schützt in der Freizeit

Auch eine Unfallversicherung ist zunächst nicht nötig, denn zumindest für den Schulweg und die Zeit auf dem Schulgelände oder unter Schulaufsicht (zum Beispiel auf Klassenfahrten) greift die gesetzliche Unfallversicherung. Die Beiträge zahlen Bundesländer und Kommunen.

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Allerdings sind Unfälle in der Freizeit und deren Folgeschäden nicht mit abgedeckt. Außerdem sind die Versicherungsleistungen nach Ansicht der Verbraucherschützer nicht ausreichend. Diese Manko kann eine private Unfallversicherung beheben. Der Bund der Versicherten rät dann zu einer Versicherungssumme von mindestens 200.000 Euro.

Die private Unfallversicherung zahlt auch, wenn ein Unfall zu Invalidität führt. Damit die Versicherungsleistungen in so einem Fall höher ausfallen, lässt sich auch eine Progression vereinbaren. Sinnvoll sei eine Progression von 225 bis 300 Prozent für den Invaliditätsfall, sagt Boss. Eine Invalidität durch Krankheit ist dann aber nicht mit abgedeckt und erfordert eine Extra-Police. Die Kinderinvaliditätsversicherung gibt es ebenfalls als Zusatzbaustein für die private Unfallversicherung.

Ist bereits eine private Unfallversicherung der Eltern vorhanden, können die Kinder gegen einen Zusatzbeitrag bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mitversichert werden. Dann ist der Tarif dahingehend zu prüfen, ob die Versicherungssummen ausreichend hoch angesetzt sind.

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von Malte Fischer

Alle anderen Policen sind im Grunde überflüssig. Vorgeschrieben ist zwar eine Kranken- und Pflegeversicherung ab der Geburt, meist jedoch im Rahmen der Familienversicherung der gesetzlichen Krankenkassen ohnehin gegeben, maximal bis zum 25. Lebensjahr. Privatversicherte Eltern müssen für den Einschluss der Kinder hingegen eine Zusatzpolice zu ermäßigten Konditionen zahlen. Dann aber ist der Schutz gewährleistet. Erst wenn die Kinder eigenes Geld verdienen, benötigen sie eine eigene Krankenversicherung.

So geschützt, steht dem Start der Erstklässler in ihre Schullaufbahn nichts mehr im Wege.

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