Helikoptergeld Wird Japan Geld vom Himmel regnen lassen?

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Was ist mit dem Konzept „Helikoptergeld” gemeint?


Die Notenbank soll mit neu gedrucktem Geld direkt Staatsausgaben finanzieren, beispielsweise dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur, Renovierung von Schulgebäuden und Ähnliches. Zudem könnte die Notenbank den Schuldendienst des Staates übernehmen, die Zinsen zahlen und, wenn eine Staatsanleihe ausläuft, die Besitzer der Anleihen ausbezahlen, ohne dass für diesen Zweck eine neue Staatsanleihe begeben werden müsste. Der absolute Schuldenstand des Staates würde sich damit verringern.

Zudem gibt es die Idee, dass im Falle einer schweren Krise jeder Bürger eine erhebliche Summe frisch gedruckten Geldes bekommt, beispielsweise 5000 Euro, mit denen er Schulden bezahlen, sparen, Aktien kaufen oder seinen Konsum erhöhen kann.

Solche Programme sollen nur solange laufen, bis die gewünschte Inflationsrate von zwei Prozent erreicht ist. Die Weltwirtschaft soll damit wieder in normale Bahnen mit normalen Zinssätzen und normalem Wachstum gelenkt werden. Entscheidend ist, dass dieses Geld nicht zurückgezahlt werden muss.

Was sind die entscheidenden Argumente der Befürworter?

Die Befürworter, unter ihnen Adair Turner, ehemaliger Chef der britischen Finanzmarktaufsicht, Lawrence Summers, Harvard-Ökonom und ehemaliger US-Finanzminister unter Bill Clinton sowie viele andere Ökonomen und Banker sehen in „Helikoptergeld“ eine Möglichkeit, Geld direkt in die Realwirtschaft zu lenken, um sie anzukurbeln und die nun schon viele Jahre andauernde deflationäre Phase seit der Finanzkrise zu überwinden. Sie weisen zudem darauf hin, dass die Notenbanken mit ihrem bisherigen außergewöhnlichen Instrumentarium ihr Ziel nicht erreicht haben, eine Inflation von zwei Prozent herzustellen.

EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte sich zumindest nicht ablehnend geäußert. Theoretisch könnten alle Notenbanken dieses „extreme Instrument“ einsetzen, sagte Praet im März in einem Interview der italienischen Zeitung „La Repubblica“.

Was sagen die Gegner des Konzepts?

Nachdem sich EZB-Chef Mario Draghi Mitte März zu dem Thema geäußert hatte, meldete sich wenige Tage später Bundesbankchef Jens Weidmann zu Wort. Interessant ist dabei, dass er sich überhaupt in diese Debatte einbringt, ist doch die ablehnende deutsche Haltung zu lockerer Geldpolitik hinreichend bekannt. Offensichtlich haben die Bemerkungen von Draghi und Praet der Debatte ein solches Gewicht verschafft, dass Weidmann sich zur Stellungnahme genötigt sah. „Das wäre nichts anderes als die vollständige Vermengung von Geldpolitik und Fiskalpolitik und mit der Notenbankunabhängigkeit nicht vereinbar“, sagte Weidmann. „Statt immer waghalsigere geldpolitische Experimente ins Spiel zu bringen, wäre es sinnvoll, einmal innezuhalten. Geldpolitik ist kein Allheilmittel, ersetzt nicht notwendige Reformen in einzelnen Ländern und löst auch nicht die Wachstumsprobleme Europas. Wer das von ihr verlangt, überfordert sie und wird am Ende enttäuscht werden.“

Entwicklung der Zentralbankbilanzen
Ausweitung der japanischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der amerikanischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der europäischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri
Ausweitung der schweizerischen Zentralbankbilanz seit 2007 (Referenzjahr 2007 mit 100 Prozent angegeben) Stand: Mai 2016 Quelle: Feri

Auch andere Kritiker haben sich zu Wort gemeldet. Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sagte der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX: „Das Helikoptergeld ist Quatsch.“ Wirtschaftlich sei es nicht nötig und politisch würde man damit einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. „Es würde die Illusion nähren, die Notenbank könne für die Bürger einfach immer mehr Geld drucken und damit die Probleme lösen.“

Im Kern geht es den Kritikern darum, dass der EZB Staatsfinanzierung grundsätzlich verboten ist. Möglicherweise aus gutem Grund. Länder, die in der Vergangenheit Geld drucken ließen, um Staatsausgaben zu finanzieren, bekamen ziemlich schnell eine Hyperinflation.

Eine andere Rechnung macht Maurice Obstfeld, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf. Gegenüber der "Neuen Zürcher Zeitung" ("NZZ") verweist er auf die Tatsache, dass der starke Fall des Ölpreises nicht dazu geführt habe, dass die Konsumenten mehr konsumieren. Vielmehr sparen sie, oder bauen Schulden ab. Befürworter des "Helikoptergelds" könnten allerdings anführen, dass ein Abbau von Schulden die Konsumfähigkeit potenziell steigert. Hinzu kommt, dass die Befürworter „Helikoptergeld” durchaus auch als ein wichtiges Mittel zum Schuldenabbau bei Staat und Bürgern sehen. Wobei solche Maßnahmen nicht unbedingt inflationstreibend sein müssen.


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