Interview mit Kurt von Storch „Vielleicht ist der Nullzins ein Segen für Anleger“

Der Dax ist auf Rekordkurs, aber die Zahl der Aktionäre bleibt niedrig – trotz Nullzinsen auf dem Sparbuch. Vermögensverwalter Kurt von Storch wagt einen Erklärungsversuch und blickt gar nicht so pessimistisch nach vorn.

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Der Vermögensverwalter engagiert sich für die finanzielle Bildung von Kindern.

Düsseldorf Die wirtschaftliche und finanzielle Bildung der Deutschen liegt Vermögensverwalter Kurt von Storch, Mitgründer der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, am Herzen. Mit seinem Partner hat er deshalb auch die Flossbach-von-Storch-Stiftung gegründet. Gemeinsam mit „Handelsblatt macht Schule“ hat diese den Schülerwettbewerb „econo=me“ ins Leben gerufen. Ein Gespräch über die Anlagekultur der Deutschen, ihre Angst vor Aktien und die mangelnde Finanzbildung.

Der Dax hat sich in den vergangenen acht Jahren verdreifacht, die Zahl der Aktionäre in Deutschland bleibt niedrig. Woran liegt das?
Die Deutschen fürchten Aktien. Börse bedeutet für sie Kasino, der Aktionär gilt als Spekulant. Die Abneigung ist historisch gewachsen – und deshalb nur sehr schwer zu ändern. Leider. Deswegen geht der Aufschwung an den Aktienmärkten auch an den meisten Anlegern in Deutschland vorbei, während die Inflation ihre niedrig verzinsten Spareinlagen langsam aber sicher entwertet. Die Deutschen werden im internationalen Vergleich ärmer, weil sie Angst haben vor Kursschwankungen.

Warum sind die Deutschen so ängstlich?
Ich tue mich als Psychologe etwas schwer. Generell gibt es verschiedene Studien, die belegen, dass temporäre Kursverluste weit mehr schmerzen, als dass mögliche Kursgewinne die Anleger erfreuen. Anlageformen, die im Zeitverlauf deutlicher schwanken, sind da per se suspekt. Die Deutschen sind zudem hochemotional, was das Thema Geld, das eigene Vermögen betrifft.

Dieser wissenschaftliche Befund gilt nicht nur für die Deutschen …
Das stimmt. Aber die deutschen Verlustängste haben eine gewisse Historie. Immer dann, wenn in Deutschland so etwas wie eine Aktienkultur hätte entstehen können, ging es schief. Nehmen Sie die Zeit zur Jahrtausendwende, als viele Deutsche erstmals überhaupt Aktien gekauft haben, etwa die der Deutschen Telekom. Der folgende Crash hat, etwas überspitzt formuliert, eine Generation von potenziellen Aktionären verbrannt. So etwas bleibt im Gedächtnis. Das Problem war die Erwartungshaltung vieler Anleger damals. Sie glaubten, über Nacht an der Börse zum Millionär werden zu können. Die Gier hat sie damals in Aktien getrieben; heute ist es die Angst, die sie von der Börse fernhält.

Der Dax kletterte jüngst von Rekord zu Rekord, lockt das vielleicht Privatanleger an?
Sie meinen, genauso wie zur Jahrtausendwende (lacht)?

Wenn Sie so wollen.
Der Vergleich hinkt. Damals waren die Bewertungen weit höher als heute, das heißt die Kurse waren nicht durch die entsprechenden Unternehmensgewinne gerechtfertigt. Wobei sich das in der Rückschau immer leicht sagen lässt. Zwar sind die Bewertungen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen; sie liegen aber immer noch nahe der historischen Durchschnittswerte, sind also nicht übertrieben hoch. Schon gar nicht, wenn man sich die Anlagealternativen anschaut – wenn es für zehnjährige Bundesanleihen weniger als 0,4 Prozent Rendite gibt. Von daher würde ich es sehr begrüßen, wenn die Deutschen sich entschlössen, wieder in Aktien zu investieren.

Sie glauben aber nicht wirklich daran, oder?
Ich wage da keine Prognose. Auch wenn es etwas befremdlich klingen mag: Vielleicht ist der Nullzins kein Fluch, sondern Segen für die deutschen Anleger. Möglicherweise werden wir irgendwann rückblickend sagen, dass die lockere Notenbankpolitik sie dazu gezwungen hat, ihre Anlagestrategie zu überdenken und zu Aktionären zu werden. Das wäre doch was!


Den Umgang mit Geld lernen Kinder am besten spielerisch

Es gibt Experten, die sagen, das deutsche Anlegerverhalten sei ein Ergebnis mangelhafter Finanz- und Wirtschaftsbildung – haben die Recht?
Ich finde das Urteil hart und zudem pauschal. Fakt ist, dass das Thema Finanz- und Wirtschaftsbildung bisher keinen allzu hohen Stellenwert hat in Deutschland. Das ist zweifellos ein Problem. Für den Einzelnen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes. Einerseits.

Und …
Andererseits gab es aus Anlegersicht in den vergangenen Jahrzehnten keinen zwingenden Grund, sich mit Aktien auseinander setzen zu müssen. Wer sein Geld in Zinsanlagen, in Bundesanleihen, Sparbriefe oder Lebensversicherungen gesteckt hat, hat damit in der Vergangenheit recht gut verdient. Und das ohne Kursschwankungen aushalten zu müssen. Heute ist das anders. Wer sein Vermögen langfristig erhalten will, dem wird das Sparbuch oder sein Festgeldkonto nicht helfen.

Aber werden wir nicht zu „Zinssparern“ erzogen? Die meisten bekommen von ihren Eltern oder Großeltern ja eher ein Sparbuch als ein Aktiendepot…
Wie gesagt: Vielleicht kühlt der Nullzins die Liebe der Deutschen zu ihrem Sparbuch etwas ab…

Denken deutsche Anleger zu kurzfristig?
Ja und nein. Ich würde schon sagen, dass viele Anleger langfristig denken; sie besparen schließlich auch jahrzehntelang ihre Lebensversicherung. Das große Problem ist doch, dass viele Anleger Kursschwankungen als Risiko missverstehen. Das führt dazu, dass sie, sobald es an den Börsen etwas ruppiger zugeht, eilig ihre Aktien verkaufen, so sie denn welche haben. Aus Angst, sie könnten noch mehr verlieren. Das ist zweifellos zu kurz gedacht. Wer Vertrauen hat in die Qualität seiner Anlagen und Geduld, der muss Kursschwankungen nicht fürchten. Er kann warten – und sich über die Dividenden freuen.

Würde ein Schulfach Wirtschaft und Finanzen helfen?
Es wäre zumindest ein Anfang, ja. Was wir brauchen ist ein Umfeld, das wirtschaftliche Themen wertschätzt. Und wo derjenige, der sich für diese Themen interessiert, sich nicht dafür schämen muss.

Wie bringt man Kindern und Jugendlichen den Umgang mit Geld am besten bei?
Am besten spielerisch. Kreativ. Es gibt so viele spannende Themen. Es wäre doch toll, wenn Kinder und Jugendliche eine Ahnung davon hätten, welche Versicherungen wirklich nötig sind. Oder wenn sie wüssten, dass ein Aktionär Miteigentümer eines Unternehmens ist, damit Mitspracherecht hat und an den Gewinnen beteiligt wird. Das ist eine zutiefst demokratische Angelegenheit.
Herr von Storch, danke für das Interview.

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