Investmentfonds Das Risiko bei Luxemburg-Fonds

Jeder zweite hierzulande verkaufte Fonds kommt aus Luxemburg. Pech für Anleger: Wenn es Probleme gibt, laufen sie bei Aufsichtsbehörde und Gerichten des Zwergstaats auf.

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Jean-Claude Juncker Quelle: REUTERS

Luxemburg ist der Mittelpunkt der Fondswelt. Von den 9500 Investmentfonds, die in Deutschland verkauft werden, stammt mehr als die Hälfte aus dem Großherzogtum – leicht erkennbar am Kürzel LU am Anfang der Fondsnummer ISIN. Der Zwergstaat mit nur 511.000 Einwohnern ist als Finanzplatz ein Gigant.

Dort residiert ein Fondsvermögen von 2032 Milliarden Euro – ein Drittel der weltweit in Investmentfonds verwalteten Gelder und etwa das Doppelte des in Deutschland beheimateten Fondsvolumens. Deutsche Branchenriesen wie DWS (Deutsche Bank) oder Deka (Sparkassen) sind in dem Großherzogtum mit Tochtergesellschaften ansässig, ebenso die US-Fondskolosse BlackRock oder Fidelity sowie britische und französische Anbieter.

Diagramm: Fonds lieben den Zwergenstaat

Sie alle schätzen die Internationalität des Finanzplatzes, das unbürokratische Vorgehen der Regulierungsbehörde, das politische Verständnis für die Sorgen und Nöte der für das Land so wichtigen Finanzindustrie. In Luxemburg zugelassene Investmentfonds haben automatisch einen EU-Pass, die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin etwa muss ihnen den Schlagbaum für den Vertrieb in Deutschland öffnen.

Schnellstart für Fonds aus Luxemburg

Neue Fonds kamen über Luxemburg viele Jahre deutlich schneller auf den Markt als in Deutschland, die Aufsicht galt lange als eher lax. Kein Wunder: Die Finanzbranche erwirtschaftet 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und beschäftigt rund 42.000 Menschen, eine spezielle Fondssteuer, die Taxe d’abonnement, spült jährlich um die 620 Millionen Euro in die Staatskasse.

Großherzog Henri wirbt bei Auslandsreisen ebenso für den Standort wie Premierminister Jean-Claude Juncker. Finanzminister Luc Frieden ist gleichzeitig Chef der Agentur „Luxembourg for Finance“, die den Finanzplatz vermarktet.

Und so sind alle glücklich: die Luxemburger und ihre Politiker, die Fondsgesellschaften aus Deutschland und Übersee. Nur nicht die Anleger.

Denn wenn etwas schiefläuft, haben sie Probleme, bei Behörden und Gerichten des von der Finanzindustrie abhängigen Ministaats ihr Recht zu bekommen. Deutsche Fondsanleger, die bei der 65-Milliarden-Dollar-Pleite des US-Finanzbetrügers Bernard Madoff Geld mit Luxemburger Investmentfonds verloren haben, können davon ein Lied singen. Rund 400 Millionen Euro büßten europäische Fondsanleger ein, unter ihnen auch Kunden des Saarbrücker Vermögensmanagers Franck Walter. Hätten Banken und Luxemburger Aufsicht die Fonds strenger kontrolliert, wären ihnen Verluste erspart geblieben.

Mausefalle Luxemburg


Als Madoff vor drei Jahren aufflog, rechneten selbst Branchenkenner mit einer raschen Entschädigung. Daraus wurde nichts. „Wenn es für Investoren brenzlig wird, ist Luxemburg eine Mausefalle“, sagt Anwalt Erik Bomans vom Investorendienstleister Deminor. Für 800 deutsche und weitere europäische Anleger reichte er 2010 Klagen gegen dortige Töchter der Banken HSBC und UBS ein.

Madoff brachte die Schwächen des boomenden Finanzplatzes ans Licht: Die Justiz ist dem Anlegeransturm nicht gewachsen. Finanzminister Frieden wollte sich angeblich schon 2009 für eine rasche außergerichtliche Lösung einsetzen, hatte aber keinen Erfolg. Madoff sitzt längst hinter Gittern, aber der Prozess um Fondsgelder kommt nicht von der Stelle.


Bock zum Gärtner gemacht

Die meisten deutschen Anleger hatten Dachfonds gekauft, die durch breite Streuung Risiken begrenzen sollen. Dachfonds wie den Global Trends Balance, den Franck Walter aus einzelnen Unterfonds zusammengebaut. Zwölf Prozent der Gelder des Dachfonds vertraute er dem in Luxemburg aufgelegten und von Madoff gemanagten Herald US Absolute Return an.

Madoff aber investierte meist überhaupt nicht, sondern zahlte im Schneeballsystem alte Anleger mit frisch hereingekommenen Anlegergeldern aus. Dies wurde nicht entdeckt, weil er nicht nur für das Management der Fonds verantwortlich war, sondern weil ihm UBS und HSBC auch noch ihre Funktion als Depotbank, also die Aufbewahrung der Wertpapiere, übertragen hatten. „Dass so etwa möglich ist, hätte ich mir nie vorstellen können“, sagt Vermögensmanager Walter.

Im Fall Madoff wurde in Luxemburg ein Prinzip der Investmentfonds ausgehebelt, das bisher als unantastbar galt: Fondsvermögen ist Sondervermögen. Geld und Wertpapiere in einem Fonds müssen bei einer vom Fondsmanager getrennten Depotbank liegen und sollen damit vor Betrügereien und vor Fonds- und Bankpleiten geschützt sein.

Was viele Anleger nicht wissen: EU-Fondsrichtlinien lassen es durchaus zu, dass Aufgaben der Depotbank an Dritte ausgelagert werden. Gedacht ist das für Fonds, die auch in exotischere Ziele vorstoßen, etwa nach Chile oder Vietnam. „Dort müssen sich Depotbanken häufig auf lokale Wertpapierverwahrer verlassen“, sagt Rechtsanwalt Sven Zeller von Clifford Chance. Von denen werde aber üblicherweise eine Erklärung verlangt, dass sie Fondsgelder so verwahren, wie es für jede Depotbank üblich ist, also sicher und beispielsweise getrennt vom bankeigenen Wertpapiervermögen.

Wie Depotbanken dann allerdings wiederum für die Unterverwahrer haften, dazu gibt es in Europa ganz unterschiedliche Regelungen. Deshalb pochen HSBC und UBS in Luxemburg als Depotbanken darauf, dass sie, obwohl sie Madoff als Unterverwahrer einsetzten, nicht haften müssen.

Anlegern kann Gefahr drohen


Erst nachdem Fondsgelder bei Madoff verschwunden sind, zwang die Aufsicht CSSF alle in Luxemburg tätigen Depotbanken, ihre Unterverwahrer strenger zu kontrollieren. Die Aufsichtsbehörde kritisierte auch erst nachträglich, ein Fonds der UBS habe nicht die in Luxemburg geltenden Gesetze eingehalten. Um die Depotbank UBS zur Entschädigung von Anlegern zu zwingen, reichte das aber offenbar nicht.

Der Fall ist zudem nicht der erste Skandal, bei dem Luxemburger Fondsgelder verschwunden sind. Von 1997 bis 2005 zweigten Chefs der inzwischen insolventen Fondsgesellschaft Amis Gelder aus Fonds in die eigene Tasche ab. Die Wirtschaftsprüfer der Fonds hatten gewarnt, Aufsicht und Depotbank aber nicht reagiert.

Die Madoff-Anleger werden aber nicht nur von der Aufsicht im Stich gelassen, auch vor dem Luxemburger Kammergericht geht es für sie nicht voran. Die dortige Wochenzeitung „Privat“ monierte unlängst überlange Gerichtsverfahren, unter anderem wegen zwei Monaten Gerichtsferien. Im Madoff-Verfahren gelingt es Banken offenbar immer wieder, die Richter mit Prozessgeplänkel davon abzuhalten, auf den Vorwurf des Depotbankversagens einzugehen. Die Klagen stagnieren auch nach ein bis zwei Jahren noch immer in einem Stadium, bei dem es darum geht, wer wem welche Unterlagen auszuhändigen hat.

Depotbanken sichern sich ab

„Anleger werden weich gekocht, weil die Banken glauben, dadurch spätere Vergleichssummen drücken zu können“, vermutet Bomans. Bei einem irischen Fonds, der durch Madoff Verluste hatte, gab es von HSBC ein Vergleichsangebot in Höhe von nur einem Fünftel der Schadenssumme.

Durch Madoff wurde erstmals klar, dass Anlegern Gefahr droht, wenn die Depotbank schlampt. Weil die EU kneift, formuliert jedes Land sein eigenes Haftungsrecht. In Frankreich, wo hohe Politiker zu den Madoff-Geschädigten zählen, haftet die Depotbank streng für alle Unterverwahrer. In Luxemburg – wie auch in Deutschland – müssen sie nur nachweisen, dass es „genügend Kontrollen gibt, um ein Verschwinden von Geldern zu verhindern“, sagt Anwalt Zeller. Solche Gummiparagrafen lassen viel Spielraum.

Um sich zu schützen, sorgen Luxemburgs Depotbanken wie HSBC Trinkaus und die DZ Privatbank vor. Die DZ, die als Depotbank unter anderem Fondsgelder von Hansainvest, DJE Investment, IP Concept und Starcapital verwahrt, warnt Anleger jetzt, dass mit der Verwahrung im Ausland ein Verlustrisiko verbunden sein könne, das „aus Insolvenz, Sorgfaltspflichtverletzungen oder missbräuchlichem Verhalten des Verwahrers oder eines Unterverwahrers resultieren kann“. Beim nächsten Betrug sage niemand mehr, er sei nicht gewarnt worden.

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