Investmentfonds Wie die Sparkassen ihre Fondstochter Deka bändigen

Erfolg ist auch verdächtig: Bei ihrer Fondstochter DekaBank legen die Sparkassen den Chef Franz Waas an die Kette. Der hält wenig von konservativen Zinsgeschäften, aber viel von riskanten Derivaten und Anleihen.

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Deka-Zentrale Frankfurt: Der Quelle: REUTERS

Weiter weg von den bodenständigen Sparkassen kann man kaum sein. Vom obersten Stock des 186 Meter hohen DekaBank-Turms in Frankfurt, der mit seinen weißen Kunststoffwänden und riesigen Fenstern an ein im Bankenviertel gelandetes Raumschiff erinnert, leitet Franz Waas die DekaBank, die zur Hälfte den Landesbanken und zur anderen Hälfte den Sparkassen gehört — und die vor allem Fonds für die Sparkassen-Filialen liefern soll.

Damit gibt sich der ausgewiesene Finanzmarktexperte jedoch längst nicht zufrieden. „Wir haben die DekaBank seit 2006 einmal komplett gedreht und damit Mehrwert für die Eigentümer geschaffen“, sagt Waas.

Zunächst scheint die Drehung geglückt. Am 26. März wird Waas wohl wieder einen Gewinn verkünden, der seinem 2006 ausgegebenen Ziel nahekommt. Die Deka habe den angestrebten Betriebsgewinn von 650 Millionen Euro 2009 erreicht, heißt es in Bankkreisen. 2008 fiel noch ein Vorsteuerverlust von 49 Millionen an.

Dennoch sind die Anteilseigner mit Waas nicht zufrieden. Zwei Welten treffen aufeinander: Hier der risikofreudige Investmentbanker, der den Erfolg des letzten Geschäftsjahrs als Bestätigung seiner Strategie sieht; dort die vor allem auf Sicherheit bedachten Sparkassen, denen die von Waas gestarteten Kapitalmarktgeschäfte zu riskant sind – und die sie oft nicht verstehen.

Machtwort der Eigentümer entscheidet

Der Streit wird nun wohl durch ein Machtwort der Eigentümer entschieden. Alles läuft hinaus auf weniger Risiko und weniger Freiheit bei den Geschäften für Waas – und damit aber auch weniger Gewinn für die Eigner.

Seit fast einem Jahr arbeitet eine Sparkassen-Expertengruppe daran, „Leitplanken aufzustellen“ und „Waas zu bändigen“, ist aus dem Deka-Verwaltungsrat zuhören. Nach Informationen der WirtschaftsWoche kommt es bald zum Showdown. Noch im März soll Waas seinen Aufsehern ein Zukunftskonzept präsentieren, das die Bank deutlich konservativer aufstellt. Dann entscheidet das Gremium, welche Geschäfte der Deka künftig noch erlaubt sind. Mehrere Vorschläge sind in der Diskussion. So könnte der Einsatz von Eigenkapital für das Eigenhandelsgeschäft begrenzt werden. Skeptiker wenden jedoch ein, dass Waas mithilfe von Krediten die Hebelkraft eines beschränkten Eigenkapitals erhöhen könnte. Härtere Vorschläge aus dem Eigentümerkreis zielen auf eine Beschränkung des Umfangs der Handelsaktivitäten bis hin zum Verbot einiger Derivategeschäfte.

Das wäre ein harter Schlag für den Derivateexperten Waas und seinen Kapitalmarkt-Vorstand Walter Groll. Beide meinen, dass eine hauseigene Derivateabteilung der Deka vor allem die eigenen Fonds zum Erfolg führt. Sechs der zehn am besten verkauften Investmentfonds der Deka hingen vom Einsatz der Derivate ab. Bereits im Jahr 2008 mischten die Deka-Fondsmanager bei Derivategeschäften im Gesamtvolumen von 10,9 Milliarden Euro mit (siehe hierzu "Fonds voll mit Derivaten"). Zu 41 Prozent stammten die in Fonds eingesetzten Derivate aus dem eigenen Haus.

Der Deutschen Bank auf den Fersen

Die Derivate für seine Fonds könnte Waas allerdings auch komplett bei anderen Banken kaufen. Das sähen manche Eigner lieber. Diese Kritiker können darauf verweisen, dass der viel größere Fondsanbieter Allianz Global Investors (AGI) keine eigene Derivateabteilung braucht. Eine hauseigene Investmentbank sei für Fonds unwichtig, sagt AGI-Deutschland-Chef James Dilworth, der bis Oktober 2009 reiche Privatkunden bei Goldman Sachs betreute.

Waas sieht das anders. Als der Bankchef auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Januar 2009 ankündigte, die DekaBank zum zweitgrößten inländischen Derivatehändler nach der Deutschen Bank zu machen, löste er Ängste bei den Sparkassen aus. Noch dazu bemängelten Wirtschaftsprüfer Schwächen beim Risikomanagement – bei Geschäften mit eigenem Geld, nicht bei den Fonds.

Franz S. Waas, Quelle: AP

Waas brachte die Deka-Fonds nach vorn, was sich in besseren Noten niederschlägt. Im Ranking der Analysten von Feri, die Fondsanbieter bewerten, schaffte die Deka zuletzt Rang sechs. Noch Anfang 2008 war sie nicht unter den Top Ten. 45 von 104 benoteten Deka-Fonds haben mittlerweile Bestnoten.

Schade nur, dass die Kunden vom Ergebnis bisher wenig beeindruckt sind. Die Deka war 2009 der größte Verlierer unter den großen Fondsgesellschaften – vor allem wegen starker Abflüsse aus Geldmarktfonds. Unter dem Strich flossen aus Deka-Fonds 7,8 Milliarden Euro ab, die Deutsche-Bank-Tochter DWS verlor nur halb so viel Kundengeld, Union Investment sogar nur 1,6 Milliarden Euro. Die Probleme im Vertrieb machen es schwerer für Waas, seine Eigner mit der verbesserten Qualität der Fonds zu beeindrucken. Denn die schauen vor allem auf den Vertriebserfolg. Der Verkauf der Fonds läuft großteils über die Sparkassen; noch ein Grund, warum Waas die Verbandsfunktionäre und Kreissparkassendirektoren für sich gewinnen muss.

Bei dem Streit zwischen Deka-Chef und Bankeigentümern geht es grundsätzlich um die Frage, was Waas mit 21 Milliarden Euro Liquidität machen darf, die der DekaBank zur Verfügung stehen. Das Kapital wurde frei, weil Waas seit Amtsantritt Anfang 2006 die Zinsgeschäfte stark geschrumpft hat. Das am Markt geliehene Kapital hätte er zurückgeben können.

Aber 21 Milliarden Euro einfach aus der Hand geben? Das passt nicht zu Waas. Mit den zu günstigen Konditionen gebunkerten Milliarden konnte er Anleihen kaufen, die heute höhere Renditen bringen als vor der Krise. Investoren und viele Banken kommen seit der Finanzkrise nur schwer an Kapital. Die Deka hat reichlich und setzte es auch ein.

Risiko mehr als verdreifacht

Auch nach einem Jahr Streit verteidigt der Deka-Vorstand noch immer seine Strategie. Man habe den Zinsertrag verdoppelt und noch viel Liquidität übrig. Die Eigner müssten ihm demnach dankbar sein, allen voran die LBBW. Die angeschlagene Landesbank will ihren Anteil am Fondsanbieter zumindest mittelfristig verkaufen. Mit 14 Prozent ist sie größter Aktionär. Sparkassenverbände haben Interesse bekundet: Hochrangige Funktionäre schließen nicht aus, dass alle Sparkassen gemeinsam die LBBW-Anteile an der Deka kaufen könnten. Die LBBW muss also an einem hohen Unternehmenswert und damit an hohen Gewinnen interessiert sein.

Doch Gewinne gibt es, wie immer an den Märkten, nicht ohne Risiko. Das stört viele Sparkassen-Vertreter. Das Konzernrisiko, das den maximal denkbaren Verlust binnen eines Jahres angibt („Value at risk“) stieg von 2,32 Milliarden Euro Ende 2006 auf zuletzt 2,98 Milliarden Ende Juni 2009. Hauptgrund: Waas hat kräftig Zinspapiere gekauft, mit Verlustgefahr. Das Marktpreisrisiko, das misst, wie stark sich Preise aufgrund von Marktschwankungen verändern können, hat Waas seit 2006 mehr als verdreifacht, von 318 Millionen auf 1,1 Milliarden Euro Ende Juni.

Hinter den Zahlen steckt die wagemutige und am Ende geglückte Aktion, kurz nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008 aggressiv bei Unternehmensanleihen einzusteigen – also genau dann, als die meisten Investoren panikartig verkauften. Die Deka erwarb bei manchen Anleiheemissionen ein Drittel aller Bonds und steckte sie auch in Fonds oder bot sie Sparkassen an. Waas griff unter anderem bei Allianz- und BMW-Anleihen zu. Die waren im Herbst 2008 billig. Zehnjährige Bonds des Versicherers im Rückzahlungswert von 100 Cent gab es Mitte September zum Beispiel schon für 90 Cent.

Gegen Firmenpleiten, die Anleihen nahezu wertlos machen würden, sicherte Waas die Deka ab, mithilfe von Credit Default Swaps (CDS). Manch anderer hält sie für schieres Teufelszeug, seit der Versicherungsriese AIG wegen CDS-Geschäften scheiterte und nur durch den Staat vor der Insolvenz bewahrt wurde. Waas zahlte CDS-Emittenten wie Deutscher Bank oder Goldman Sachs eine Prämie dafür, dass diese den Nennwert der Anleihen zurückzahlen würden, wenn ein Anleiheschuldner pleiteginge. CDS reichte Waas auch an Sparkassen weiter.

Zeitweise wurde es eng bei den Bond-Geschäften. Die Kurse vieler Papiere fielen bis Jahresende weiter. Waas musste 752,7 Millionen Euro abschreiben, Bewertungsverluste bei Zinspapieren drückten die Bank 2008 in die roten Zahlen. Die Abschreibungen hatten die gesamten Provisionseinnahmen aus dem Fondsgeschäft aufgezehrt.

Gute Geschäfte mit Anleihen

Heute haben sich die Anleihekurse erholt, fünfjährige spezielle Allianz-Bonds etwa sind vom Tief bei 55 Cent pro Euro auf zuletzt 100 Cent gestiegen. Für die Deka waren viele Investments ein am Ende gutes Geschäft.

Doch die Sparkassen-Vertreter wollen den Verlust aus dem Jahr 2008 nicht so schnell vergessen. Dass Waas und Groll vor ihren Jobs bei der DekaBank das Kapitalmarktgeschäft der vom Staat vor dem Kollaps geretteten HSH Nordbank steuerten, trägt nicht zur Beruhigung der Atmosphäre bei. Waas wolle sich beweisen, indem er die Deka zum Wettbewerber der Deutschen Bank ausbaue, lautet ein Vorwurf aus dem Sparkassen-Lager. Waas sei „Händler durch und durch“, er und sein Vorstand Groll verwirrten ihren Verwaltungsrat durch für sie unverständliche Präsentationen, so eine andere Klage. Bei den Sparkassen wisse man nur zu gut, dass höhere Renditen auch ein höheres Risiko bedeuten, sagen Eigner, die Milliardenverluste bei Landesbanken vor Augen. Vor allem LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter und der Chef des hessischen Sparkassenverbands, der frühere Offenbacher SPD-Oberbürgermeister und Bankneuling Gerhard Grandke, gelten als Waas-Kritiker. Dessen Ablösung sei zwar kein Thema, aber bändigen würden sie den Finanzmarkt-Profi schon wollen. Mal sehen, ob der sich von Sparkassen-Leitplanken aufhalten lässt.

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