Kassenpatienten Streit um zu hohe Zahnarztrechnungen

Zahnbehandlungen sind oft schmerzhaft - nicht nur bei der Behandlung, sondern auch bei der Abrechnung. Kaum eine Behandlung trifft Kassenpatienten finanziell härter. Aber nicht immer sind Preisaufschläge gerechtfertigt. Worauf Patienten achten sollten.

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Zahnarzt berät einen Patienten Quelle: gms

Schlimm genug, dass Zahnbehandlungen meist unangenehm und oft genug schmerzhaft sind. Die Patienten haben in der Regel keine Wahl: Wenn Schmerzen, Zahnlücken oder Beschädigungen der Zähne den Patienten quälen, ist der Gang zum Zahnarzt alternativlos. Aber müssen zahnmedizinische Eingriffe auch immer gleich tausende Euro kosten?

Beim Patienten treffen gleich mehrere Negativfaktoren aufeinander. Zum einen zahlen die gesetzlichen Krankenkassen längst alles, was der Zahnarzt für medizinisch notwendig hält. Ist etwa Zahnersatz erforderlich, gibt es von der Kasse nur einen Zuschuss: 50 Prozent sind es in der Regel. Hat der Patient brav seine jährlichen Vorsorgetermine wahrgenommen, steigt der Zuschuss der Kasse auf maximal 65 Prozent. Auch notwendige kieferorthopädische Behandlungen müssen Kassenpatienten selber zahlen, nur für Kinder und Jugendliche muss der Versicherte nichts zuzahlen. Je nach Umfang und Aufwand der zahnmedizinischen Eingriffe kommen da schnell Rechnungsbeträge im fünfstelligen Euro-Bereich zustande, der Patient muss selbst tausende Euro berappen. Da ist dann die Praxisgebühr schon vernachlässigbar.

Zum anderen hat der Gesetzgeber die Gebührensätze für zahnärztliche Behandlungen zum Jahresbeginn deutlich erhöht. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zufolge wurden etwa Kronen zwischen 30 und 90 Prozent teurer, auch Implantatbehandlungen schlagen mit einem Preisaufschlag zwischen 36 und 100 Prozent ordentlich zu Buche. Hinzu kommt, dass sich die Zahnärzte in den neuen Bundesländern um 2,5 Prozent höhere Honorare erstritten haben, 2013 soll es nochmal um 2,5 Prozent raufgehen. Wer also den Kostenvoranschlag noch 2011 erhalten hat, aber erst in diesem Jahr die Behandlung beginnt, muss mit deutlich höheren Gebühren rechnen.

Ein noch größeres Ärgernis hat die FAS bei einigen Zahnarztrechnungen ausgemacht: Die Zeitung berichtet von Fällen, in denen die Endabrechnung massiv vom Kostenvoranschlag abwich, weil sich die Zahnärzte zwar einer zumeist legalen, aber ansonsten höchst unfairen Abrechnungspraxis bedienen. So sei etwa eine Zahnarztrechnung für eine 38-Jährige, die vier neue Implantate benötigte, mit 17.000 Euro mehr als dreimal so hoch ausgefallen, wie die ursprüngliche Kostenschätzung über 5000 Euro. Der Arzt hatte die medizinisch notwendigen provisorischen Kronen und die dadurch erforderlichen zusätzlichen Behandlungen schlicht verschwiegen.

Zahnarzt-Tricks

Ein Zahnartz während der Behandlung eines Patienten Quelle: AP

Dabei stehen die Chancen, einen Rechtsstreit gegen die Zahnarzt zu gewinnen, eher gering, da er alle Behandlungsschritte sauber dokumentiert hat und umgekehrt kein schriftlicher Nachweis existiert, der die 5000 Euro als Gesamtsumme für die Behandlung bezeichnet.

Laut den Beschwerden, die bei der Unabhängigen Patientenberatung über Zahnärzte eingehen, tricksen einige Zahnärzte besonders häufig den sogenannten Steigerungsfaktor. Dieser Faktor, multipliziert mit dem in der Gebührenordnung festgelegten Satz, ergibt den Rechnungsbetrag für eine bestimmte Leistung. Üblich ist ein Steigerungsfaktor von 2,3. Setzt der Arzt den Multiplikator höher an, begründet er dies in der Regel mit Komplikationen wie zu eng stehenden Zähnen und deutlich mehr Zeitaufwand. Auch soll es auch Zahnärzte geben, die im Kostenvoranschlag noch mit einem Faktor von 1,5 kalkulieren, auf der Schlussrechnung aber einen Faktor von 3,5 für besonders teure Behandlungsschritte ansetzen. Dabei darf die Zahnarztrechnung in begründeten Fällen laut Rechtsprechung nur 20 Prozent über den veranschlagten Kosten liegen.

Problematisch können auch Leistungen sein, von denen in der Kostenschätzung noch keine Rede war, die aber auf der Rechnung den Preis hochtreiben. Das kann etwa eine zusätzliche Prüfung des Zahnersatzes sein, oder die Verwendung besonders teurer Geräte und Materialien, deren Nutzen zumindest angezweifelt werden kann.

Definitiv nicht erlaubt sind Koppelgeschäfte, bei denen Labore den Zahnärzten, die ihnen Aufträge zukommen lassen, Provisionen zahlen und dafür dem Patienten eine erhöhte Rechnung ausstellen.

Wer befürchtet, vom Zahnarzt über den Tisch gezogen zu werden, sollte sich zunächst den Kostenvoranschlag seines Zahnarztes detailliert erklären lassen und nachfragen, ob damit wirklich alle Behandlungsschritte abgedeckt sind. Auch ein schriftlicher Vermerk, dass der Kostenvoranschlag die fällige Gesamtsumme nennt und die Schlussrechnung davon nicht oder nur innerhalb bestimmter Grenzen abweichen darf, kann keinesfalls schaden. In Zweifelsfällen helfen auch die Unabhängige Patientenberatung oder die Ombudsmänner der Krankenkassen weiter. Zudem sollten Patienten ihre Ärzte auffordern, auf jede Abweichung vom Kostenplan hinzuweisen und die dadurch entstehenden Zusatzkosten zu beziffern. Denn was helfen die schönsten Zähne, wenn einem das Lächeln vergeht.

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