Krankenversicherung Wenn Kassen ihre Patienten allein lassen

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Im Zweifel vor Gericht gehen

Das geben Krankenkassen zurück
Es ist ein Achtungserfolg für Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP): Als erste der großen Krankenversicherungen gibt die Techniker-Krankenkasse seinem Drängen nach und zahlt bis zu 720 Millionen Euro an ihre Versicherten zurück. Die anderen Kassen mauern - noch... Quelle: dapd
Der neue Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagte den sechs Millionen Mitgliedern jeweils zwischen 60 und 120 Euro an Rückzahlungen zu. Bislang waren allenfalls kleinere Kassen mit insgesamt einer Million Mitgliedern dem Aufruf von Bahr gefolgt. Die anderen verschränkten die Arme über dem Bauch. Auch gestern blieben viele Kassen bei ihrer negativen Haltung gegenüber Rückzahlungen... Quelle: dpa
DAK: Kein Zusatzbeitrag mehrDie Deutsche Angestelltenkrankenkasse kommt aus einem tiefen Tal. Als eine der ersten Kassen musste die DAK vor über zwei Jahren einen Zusatzbeitrag fordern. "Bei uns redet niemand über Prämien an unsere Versicherten. Wir haben unsere Prämie längst gezahlt, indem wir zum ersten April 2012 diesen Zusatzbeitrag von acht Euro wieder abgeschafft haben", kommentiert denn auch ein Sprecher die Ankündigung der Techniker Krankenkasse. Quelle: dpa
DAK: Kein Zusatzbeitrag mehrTatsächlich war das ein großer Erfolg für die Kasse, die wegen des Zusatzbeitrags mehrere Hunderttausend Mitglieder verloren hat. Viele Experten hatten Zweifel, ob die DAK das laufende Jahr ohne neue rote Zahlen überstehen würde. Diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Nach einem Plus von 344 Millionen Euro 2011 schloss sie auch das erste Halbjahr 2012 mit einem Plus von mehr als 100 Millionen Euro ab. Ihre Rücklagen liegen damit jedoch weiter weit unter der Grenze, ab der das Sozialgesetzbuch eine Prämienausschüttung erlaubt. Quelle: dpa
Barmer GEK: kein Geld für PrämienDie Barmer GEK gehört wie die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) zu den großen Kassen, die sich umfangreiche Filialnetze und eine intensive Betreuung ihrer Versicherten leisten. Dies ist neben Verzerrungen im Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen ein Grund, warum die Barmer trotz des Geldregens, der seit fast zwei Jahren über das Gesundheitssystem niedergeht, keine soliden Rückladen bilden kann Quelle: dpa
Barmer GEK: kein Geld für PrämienDie Kasse ist grundsätzlich wenig geneigt, ihren Versicherten Boni zu zahlen. Dabei gehe es am Ende nur um wenige Euro, die der einzelne Versicherte kaum spüren würde, sagte Barmer-Sprecher Athanasios Drougias. "Das ist weniger als die Zwiebeln auf einem Döner." Der Barmer sei ein attraktives Leistungsportfolio wichtiger. Quelle: dpa
KKH-Allianz: Finanzausgleich funktioniert nichtNach einem Einnahmeüberschuss von 140 Millionen Euro 2011 war es schon mutig von der KKH Allianz, ihren zwei Jahre lang geforderten Zusatzbeitrag von acht Euro zum 1. März aufzuheben. Zwar liegen die Reserven der ehemaligen Kaufmännischen Krankenkasse Halle deutlich über der gesetzlichen Mindestreserve von einer viertel Monatsausgabe. Aber für Prämien langt das Geld nicht. Quelle: dpa

Auseinandersetzungen mit einer Krankenkasse kosten Kraft, und sie erfordern Wissen. Verbraucherschützer empfehlen daher, einen Arzt oder einen Patientenberater um Rat zu fragen, wenn man gegen eine Ablehnung der Krankenkasse Widerspruch einlegen wolle. Wenn viel auf dem Spiel stehe, könne der Versicherte auch einen Fachanwalt für Sozialrecht aufsuchen oder ein medizinisches Gutachten in Auftrag geben. Die Kosten dafür trage er jedoch zunächst selbst.

Untätigkeitsklagen sind kostenlos

Kein Problem ist es übrigens, wenn man länger als vier Wochen braucht, um seinen Widerspruch zu begründen. Dann widerspricht man erst einmal allgemein und liefert die Gründe nach. Wenn die Sachbearbeiter der Kasse bei ihrem Nein bleiben, prüft ein Widerspruchsausschuss die Entscheidung. Hier sitzen auch Gewerkschafter oder Patientenvertreter.

Das hört sich zwar gut an, ist es aber nicht immer. Immerhin zahlen Versicherte für dieses Verfahren keine Gerichtskosten. Alternativ bestehe auch die Möglichkeit, Beschwerde beim Bundesversicherungsamt, der Aufsichtsbehörde der Krankenkassen, zu erheben.

Nach spätestens drei Monaten müsse die Krankenkasse das Ergebnis im „Widerspruchsbescheid“ mitteilen, erläutert Finanztest. Verschlafe die Kasse die Frist, könne der Versicherte kostenlos eine Untätigkeitsklage bei einem Sozialgericht einreichen. Oft reiche es aber schon, wenn man damit nur droht. Wenn dies keinen Erfolg hat, sollte man einen Anwalt einschalten, empfehlen Juristen.

Klage gegen Kasse nicht ohne Rechtsschutzversicherung

Für eine Klage vor einem Sozialgericht hat der Versicherte vier Wochen Zeit, wenn er eine Ablehnung erhalten hat. Das Verfahren ist zwar kostenlos, doch Verbraucherschützer raten: Ohne einen Fachanwalt für Sozialrecht wird es schwierig. Denn vor Gericht benötigt man neue Argumente. Der Nachteil von Prozessen: Als Verlierer bleiben Versicherte auf den Anwaltskosten sitzen. Sinnvoll wäre es daher, eine Rechtsschutzversicherung zu haben, die die Anwaltskosten trägt. Der Hamburger Rechtsanwalt David Andreas Köper rät: „Wichtig ist immer: Anträge stellen und gegen Ablehnungen Widersprüche erheben." Denn Anträge und Widersprüche seien im Sozialrecht kostenlos und könnten nicht von Nachteil sein - das Unterlassen von Anträgen oder Widersprüchen leider sehr wohl.

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