
Sparen ist sexy. Wer im Internet den Spartrieb weckt, hat leichtes Spiel. „Zahlen Sie zu viel für Ihre Krankenversicherung?“, fragt der Hamburger Finanzmakler Widge in Web-Anzeigen. Bis zu 40 Prozent weniger Prämie bei vergleichbaren Leistungen verspricht das Portal. Das zieht, vor allem nach den jüngsten Prämienerhöhungen der privaten Krankenversicherer (PKV). „Im vergangenen Jahr haben wir 2500 Tarifwechsel ermöglicht“, sagt Widge-Geschäftsführer Ozan Sözeri. Täglich kämen etwa 65 neue Anfragen von PKV-Versicherten. Seine Kunden seien größtenteils älter als 55 und könnten sich häufig ihre aktuelle Prämie nicht mehr leisten.
Widge ist nicht der einzige Finanzdienstleister, der das neue Geschäftsmodell „Beitragsoptimierer“ beackert. Schließlich sind neun Millionen Deutsche in der PKV – das verspricht jede Menge Honorare.
Zwischen Anzeigen für Holzplantagen, die zwölf Prozent pro Jahr abwerfen sollen, und dem ultimativen Strompreisvergleich gehen immer mehr Versicherungsmakler online auf Kundenfang. Zielgruppe sind vor allem Krankenversicherte, die vor 25 bis 40 Jahren in die PKV wechselten. Inzwischen zahlen viele von ihnen das Drei- bis Vierfache dessen, was sie beim Einstieg berappen mussten. Allein für dieses Jahr waren es im Durchschnitt plus 4,4 Prozent für neu abgeschlossene Policen.
Viele Bestandskunden zahlen jedoch erheblich mehr. Eine Stichprobe der Verbraucherzentralen aus 144 Beschwerdefällen ergab Beitragserhöhungen von bis zu 60 Prozent bei der Central und bis zu 45 Prozent bei der Gothaer. Auch Herbert Jakob, 56, muss tiefer in die Tasche greifen: Die Prämie seiner PKV-Police von der Central verdoppelte sich von 2009 mit 200,76 auf 401,81 Euro in diesem Jahr.
„Seit dem Jahr 2005 sind die monatlichen Beiträge schlagartig gestiegen“, sagt der Bankkaufmann aus Erfurt. 1988, als er in die PKV wechselte, sei ein solch steiler Anstieg der Prämien noch nicht absehbar gewesen. Jetzt sei es zu spät für einen Anbieterwechsel. Denn er würde beim Umsatteln seine Alterungsrückstellungen verlieren. Diese Finanzpolster, die Versicherte mit ihren Prämien ansparen, verhindern, dass die Beiträge im Alter zu stark in die Höhe schießen.
Kein Kollektiv wie in der GKV
Noch kann sich Jakob, Abteilungsleiter beim Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, die Prämie leisten. Schließlich ist er kein Geringverdiener. Derzeit müssen Arbeitnehmer mehr als 50 850 Euro brutto im Jahr verdienen, um überhaupt in die private Krankenversicherung wechseln zu können. Bis Jakob in den Ruhestand geht, kann sich sein Beitrag aber noch einmal verdoppeln und das Rentnerbudget erheblich belasten.
Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müssen aber nicht alle Versicherten gleichermaßen bluten, wenn Geld in der Kasse der Versicherungen fehlt. Entscheidend für die individuelle PKV-Prämie ist die jeweilige Tarifgemeinschaft. Wer seinen Tarif mit vielen älteren und kranken Versicherten teilt, muss künftig mit hohen Beitragszuwächsen rechnen. Eine niedrige Einstiegsprämie in jungen Jahren hilft dann wenig.
Entscheidend ist, wie gut es der Versicherer schafft, in den verschiedenen Tariftöpfen den Mix aus kranken und gesunden Versicherten auszugleichen. Gelingt ihm das, bleiben die Prämien im Alter bezahlbar. Beim Deutschen Ring beispielsweise stiegen die Beiträge in den vergangenen zehn Jahren für 50-jährige Frauen nur moderat: in den Tarifen „PIT, Esprit“ und „PIT, Esprit X“ um 1,8 beziehungsweise 0,4 Prozent pro Jahr.