Krötenwanderung

Wenn ein Todesfall den finanziellen Ruin bringt

Anke Henrich
Anke Henrich Freie Autorin, Mittelstands-Expertin

Wenn ein Mensch stirbt, hinterlässt er oft mehr als nur eine emotionale Lücke. Wissen Sie eigentlich, wie niedrig die Witwen- und Waisenrente für Ihre Familie ist?

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Wer den Ehepartner durch einen Todesfall verliert, bekommt nicht einmal 1000 Euro Witwen- beziehungsweise Witwerrente. Kinder, die ihre Eltern verlieren, werden mit um die 100 Euro abgespeist Quelle: Fotolia

Die durchschnittliche Witwenrente liegt bei rund 700 Euro pro Monat, eine Halbwaise bekommt im Schnitt 120 Euro im Monat. Zum Leben zu wenig, zum sterben zu viel. Falls Sie nicht denken „Nach mir die Sintflut“, sollten Sie einiges wissen: Wer stirbt und bis dahin brav in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, hinterlässt nicht nur eine Lücke, sondern seiner Familie auch Ansprüche auf eine Witwen-/Witwer- oder Waisenrente. Wer aber glaubt, deshalb auf eine größere private Vorsorge verzichten zu können, irrt gewaltig.


Eine Handvoll Grundsätzliches: Witwen- oder Witwerrente erhält, wer bis zum Tod des Partners mit ihm verheiratet war. Die Ehe darf weder rechtskräftig geschieden noch für nichtig erklärt worden oder aus sonstigen Gründen aufgehoben sein. Ob das Paar aber tatsächlich zusammen oder nicht doch getrennt lebte, spielt keine Rolle. Wer aber – auch seit Jahren - nur verlobt war, ohne Eheschließung zusammenlebte oder in Deutschland nur religiös getraut wurde, erhalten grundsätzlich: nichts. Das gilt auch, wenn der Partner den Verstorbenen über Jahre liebevollst und bis zum bitteren Ende gepflegt hat.
Das Ja-Wort am Krankenbett ist seit dem 1. Januar 2002 auch keine Exit-Strategie mehr. Seitdem wird eine Witwen- oder Witwerrente nur noch ausgezahlt, wenn die Ehe mindestens ein Jahr vor dem Tod geschlossen wurde. Es gibt einzelne Ausnahmen, zum Beispiel wenn ein Unfalltod das ahnungslose, junge Glück trennt. Oder aber ein paar konnte nicht schnell genug heiraten, weil die Scheidung einer früheren Ehe von einem von beiden noch nicht über die Bühne ging.

Risiken für Familien in Zahlen

Aber auch dann muss der verstorbene Ehepartner entweder die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren geleistet haben, sie vorzeitig erfüllt haben (zum Beispiel durch einen Arbeitsunfall) oder er war bereits Rentner. Wer sich neu verheiratet, verliert den Anspruch. (Soll übrigens keiner sagen, die katholische Kirche arbeite nicht zeitgemäß: Auch deshalb bietet sie kirchliche Trauungen an, auch wenn das Paar auf das rechtlich bindende Standesamt verzichtet.)

Kleine oder große Witwenrente?

An orphan who lost his parents in a bombing sits on a step outside their family home in Homs Quelle: Reuters

Die kleine Witwen- oder Witwerrente fließt, wenn die Altersgrenze für die große Witwen-/Witwerrente noch nicht erreicht wurde (steigt stufenweise von 45 bis 47 Jahre), der Hinterbliebene nicht erwerbsgemindert – vulgo noch arbeitsfähig - ist und kein Kind erzieht. Sie beträgt 25 Prozent der Rente, auf die der Ehepartner zum Zeitpunkt seines Todes Anspruch gehabt hätte. Verstarb der Gatte vor seinem 63. Geburtstag, wird die Rente gemindert. Ohnehin wird sie nur zwei Jahre lang nach dem Tod des Ehepartners gezahlt. Der Gesetzgeber erwartet, dass die Witwe, der Witwer danach wieder für sich selbst sorgen.
Die komfortableren Alt-Regelungen gelten, wenn – und jetzt wird es kompliziert: Der Ehepartner vor dem 1. Januar 2002 starb oder der Ehepartner zwar danach starb, aber vor dem 1. Januar 2002 geheiratet hatte und ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde. Details finden Sie hier.
Wer bekommt die große Witwenrente?
Wer die Altersgrenze erreicht hat oder erwerbsgemindert oder berufs- oder erwerbsunfähig ist oder ein eigenes Kind oder ein Kind des Verstorbenen erzieht, das noch nicht 18 Jahre alt ist. Das können auch Stief- und Pflegekinder, Enkel und Geschwister sein. Dann sind es nicht 25 Prozent wie bei der kleinen Witwenrente, sondern 55 Prozent der Versichertenrente, auf die der verstorbene Ehepartner Anspruch gehabt hätte oder die er bereits bezog. Nach altem Recht sind es 60 Prozent. Auch hier gilt: Wer seine Familie vor dem 63. Geburtstag verlässt, schmälert deren Rente.

Und was bekommt das Kind?
Stirbt ein - Achtung: unterhaltspflichtiger - Elternteil, ist das Kind Halbwaise; sterben beide – Gott behüte – wird es Vollwaise. Das halbe Waisenkind erhält 10 Prozent, der Vollwaise 20 Prozent der Rente, auf die Vater oder Mutter Anspruch gehabt hätte oder bereits bezog. Zur Waisenrente wird zusätzlich ein Zuschlag gezahlt, der sich nach den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten des verstorbenen Elternteils beziehungsweise der Eltern richtet. Und damit die Kinder nichts zu prassen haben, gilt: Hat eine Waise Anspruch auf mehrere Waisenrenten, wird nur die höchste gezahlt. Und sind Vater oder Mutter jünger als mit 63 Jahren gestorben, wird auch das bisschen Rente nochmal um einen Abschlag geschmälert. Ab dem 18. Geburtstag des Kindes wird das Waisenrentchen mit einem möglichen Einkommen des Kindes verrechnet. Falls Sie wohlhabend sind: Vorsicht vor Zinserträgen. Vater oder Mutter müssen aber fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt oder selbst eine Rente bezogen haben. Überwiesen wird bis zum 18. Geburtstag des Kindes, außer die Waise steckt in einer Ausbildung, einem freiwilligen Jahr oder ist behindert und kann deshalb nicht für sich selbst sorgen.

Viel Holz bis hier hin. Und eine Empfehlung: Wer Familienverantwortung trägt und wenig auf der hohen Kante hat, handelt fahrlässig, wenn er oder sie ihre Liebsten nicht anderweitig finanziell absichert, zum Beispiel über eine Risikolebensversicherung. Soll keiner sagen, die wäre zu teuer. Für eine Auszahlung von 100.000 Euro bei 20 Jahren Laufzeit zahlt ein Mann Jahrgang 1964 jährlich im Schnitt den Preis von drei Tankfüllungen für eine Familienkutsche, nämlich je nach Anbieter um die 350 Euro. Bei Frauen sind es nur rund 230 Euro. Und je jünger der Kunde ist, desto billiger wird die jährliche Prämie. Die Risikolebensversicherung ist deshalb billig, weil sie anders als die Kapitalsammelstelle „klassische Lebensversicherung“ nur ausgezahlt wird, wenn der Versicherte während der vereinbarten Laufzeit stirbt. Ist der oder die am Ende noch erfreulich fidel, hat die Versicherung die Wette gewonnen.

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