Trotz verbreiteter Skepsis und zweifelhafter Rendite ist die staatlich geförderte Riester-Rente ein Verkaufsschlager. Bereits 16 Millionen Verträge hatten die Deutschen bis September 2014 abgeschlossen. Im Vergleich dazu ist die zweite Form der vom Staat begünstigten privaten Vorsorge, die ebenfalls nach ihrem Erfinder im Volksmund als Rürup-Rente bekannte Basisrente, der reinste Ladenhüter. Gerade 1,9 Millionen Verträge dieser Art wurden bislang hierzulande unterschrieben.
Dafür gibt es gute Gründe. Kritiker bemängeln die Inflexibilität und Starrheit der Basisrente. Anders als bei der Riester-Rente hat die Politik die ursprünglich von einer Kommission um den ehemaligen Wirtschaftsweisen und Ökonomen Bert Rürup entwickelte Basisrente nicht mehrfach reformiert und bei den Konditionen nachgebessert. Zwar glaubt auch Rürup selbst, wie er kürzlich gegenüber dem Handelsblatt einräumte, dass sich die Basisrente mit erhöhter Flexibilität besser verkaufen würde. Dennoch lehnt er Änderungen ab. „Mit der Basisrente sollte eine Gleichstellung erfolgen und keine Privilegierung der nicht in obligatorischen Systemen Abgesicherten.“ Insofern sei die Basisrente, so wie sie konzipiert sei, richtig konzipiert, sagt Rürup, der heute für das Handelsblatt Research Institute arbeitet, das zum gleichen Verlag wie die WirtschaftsWoche gehört.
Obwohl für die Basisrente ihrem Namenspatron zufolge nicht reformbedürftig ist, so ist sie offenbar für deutlich weniger Vorsorgesparer interessant, als die auf die breite Masse abzielende Riester-Rente. Fraglos hat sie Nachteile, die Viele vom Abschluss abhalten. Für bestimmte Personengruppen hat sie jedoch auch Vorteile, die einen Abschluss attraktiv machen. Ob sich das lohnt, hat die WirtschaftsWoche anhand von verschiedenen Musterfällen untersucht.
Lohnt sich die Rürup-Rente?
Berechnet aus den Netto-Renten, bezogen auf die Eigenbeiträge (reduziert um Steuervorteil); Angaben gelten für eine kostengünstige Rürup-Rentenversicherung mit 200 Euro Monatsbeitrag und Rentenzahlung ab dem 67. Lebensjahr;
Quelle: Anbieter, eigene Berechnung
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -4,2% / 0,0% |
...85 Jahren | -0,2% / 2,9% |
...95 Jahren | 1,2% / 3,8% |
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -4,1% / 0,1% |
...85 Jahren | -0,2% / 2,9% |
...95 Jahren | 1,2% / 3,8% |
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -5,3% / -1,0% |
...85 Jahren | -0,3% / 2,7% |
...95 Jahren | 1,3% / 3,9% |
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -7,0% / -2,7% |
...85 Jahren | -0,4% / 2,7% |
...95 Jahren | 1,7% / 4,2% |
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -5,4% / -1,1% |
...85 Jahren | -0,4% / 2,7% |
...95 Jahren | 1,3% / 3,9% |
Rendite (garantiert / prognostiziert) bei erreichtem Lebensalter von…
...75 Jahren | -7,2% / -2,9% |
...85 Jahren | -0,5% / 2,6% |
...95 Jahren | 1,6% / 4,2% |
Im Visier der Basisrente standen von Anfang an Selbstständige und Freiberufler, die nicht verpflichtet sind, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und auch keinen Anspruch auf Zuschüsse im Rahmen einer Riester-Rentenförderung haben. Für diese Personengruppe sollte eine Vollversicherung geschaffen werden. Für sie bietet die Rürup-Rente anstelle von staatlichen Zuschüssen Steuervorteile, die einen Anreiz für das Sparen in eine private Altersvorsorge setzen sollen. Im Gegenzug ist sie ähnlich eingeschränkt wie die gesetzliche Rentenversicherung.
Nicht in jeder Lebenssituation optimal
Vor allem die Starrheit der Rürup-Verträge sorgt für den Unmut der Sparer und viel Kritik bei Verbraucherschützern. Dachten die Sparer beim Abschluss als 30-jährige Singles nur an ihre Altersvorsorge, kann die Welt mit 45 schon ganz anders aussehen. Beispiel: Ehepartner und Kind sind dazugekommen, auch ein Haus soll gekauft werden. Da wären die tausende Euros, die bereits in der Rürup-Rente angespart worden sind, gut für die Hausfinanzierung zu gebrauchen. Das Problem: Keine Chance! Das Geld steckt fest im Vertrag und darf nur als lebenslange Rente ausgezahlt werden. Die einzige Option besteht darin, den Vertrag beitragsfrei zu stellen, um mehr liquide Mittel zur Verfügung zu haben. Die Pause beim Sparen rächt sich dann in Form einer niedrigeren Rente im Alter.
Es ist kein Kunststück, die Rürup-Rente möglichst abschreckend darzustellen: Wer einen Vertrag abschließt, kommt an das eingezahlte Geld wie beschrieben nicht mehr ran. Auch nicht an einen Teil. Der einzige Weg, auf dem das Geld irgendwann zurückkommt, führt über die spätere Rente. Sie darf frühestens ab dem 60. Lebensjahr, bei einem Vertragsabschluss seit 2012 sogar erst ab dem 62. Lebensjahr fließen. Ein späterer Rentenstart ist hingegen problemlos möglich.
Steuervorteile im Fokus
Eine Rürup-Rente fließt im Alter immer aus einer Rentenversicherung. Zwar werden auch Rürup-Fondssparpläne angeboten, doch zum Rentenstart wird das dort angesparte Geld zwingend in eine Rentenversicherung umgeschichtet. Anders sieht es zum Beispiel bei der Riester-Rente aus, wo die Renten aus Bank- und Fondssparplänen zumindest bis zum 85. Lebensjahr direkt aus der angesparten Summe fließen dürfen. Erst danach muss eine Rentenversicherung die restliche Rentenzahlung abdecken.
Dann wäre da noch die Steuer: Beiträge sind bislang nur teilweise von der Steuer absetzbar. Die Renten hingegen bei einem Rentenstart ab 2040 voll steuerpflichtig
So, immer noch an einer Rürup-Rente interessiert? Die Rürup-Rente zu früh zu verwerfen, wäre ein Fehler. Tatsächlich kann sie im Einzelfall durchaus interessant sein. Vorsorgesparer sollten eben nur die Details genau kennen, um den Abschluss nicht später zu bereuen. Die Rürup-Rente könne "aus steuerlicher Sicht für Gut-Verdiener, vor allem ältere Selbstständige und Freiberufler attraktiv sein", schreibt der Bund der Versicherten - eine Verbraucherschutzorganisation, die sonst bekennender Kritiker von langlaufenden und starren Vorsorgeverträgen aus dem Bereich der Lebensversicherung ist.
Rente für Selbstständige
Sorgen Selbstständige bislang kaum fürs Alter vor - etwa weil sie weder in der gesetzlichen Rentenversicherung, noch in einem berufsständischen Versorgungswerk sind - kann die Rürup-Rente zum Beispiel ein Lösungsansatz sein. Anspruch auf Riester-Förderung haben diese Personen nicht. Außerdem würden die maximal geförderten 2100 Euro Einzahlung pro Jahr in eine Riester-Rente den Bedarf keinesfalls decken. In eine Rürup-Rente können steuerlich begünstigt deutlich höhere Beiträge fließen. Bis zu 22.172 Euro pro Jahr sind von der Steuer absetzbar. Die geleisteten Beiträge werden bislang aber steuerlich nur zu 80 Prozent angesetzt. Der Anteil steigt um zwei Prozentpunkte pro Jahr; ab 2025 sind die Beiträge zur Rürup-Rente dann voll von der Steuer absetzbar.
Beispiel: Zahlt ein 40-Jähriger mit 60.000 Euro Bruttoeinkommen pro Monat 200 Euro in eine Rürup-Rentenversicherung ein, werden 80 Prozent davon von seinem zu versteuernden Einkommen abgezogen - pro Jahr also 1920 Euro. Bei seinem Grenzsteuersatz von 42 Prozent, bringt ihm das eine Steuerersparnis von 806,40 Euro. Die in den Vertrag fließenden 2400 Euro belasten den Sparer also netto nur mit 1593,60 Euro (2400 Euro Jahresbeitrag abzüglich 806,40 Steuervorteil).
Steuern auf monatliche Rente fällig
Die spätere Rürup-Rente muss der Sparer dafür voll mit seinem persönlichen Steuersatz versteuern - wenn er die erste Rente ab 2040 kassiert. Wer schon früher in Rente geht, muss einen geringeren Anteil versteuern - analog zu den für die gesetzliche Rente geltenden Regeln. Fließt die erste Rente aus einem Rürup-Vertrag zum Beispiel schon 2020, wird die Rente lebenslang steuerlich nur zu 80 Prozent angesetzt. Der Anteil steigt um einen Prozentpunkt pro Jahr späteren Rentenstarts.
Die Attraktivität einer Rürup-Rente hängt daher voll von der Besteuerung ab. Allein aus der Anlage im Vertrag - die der bei normalen Lebensversicherungen gleicht - wird sich im Niedrigzinsumfeld keine attraktive Rendite ergeben. Als Vorteil bleibt aus Sicht der Vorsorgesparer sonst nur noch die garantierte Zahlung einer lebenslangen Rente. Wer besonders alt wird, profitiert - wie bei jeder Rentenversicherung.
Wie hoch der steuerliche Vorteil ist, lässt sich vorab nicht sicher abschätzen: Je höher der Steuersatz heute (in der Einzahlungsphase) und je niedriger der Steuersatz später ist (in der Rentenphase), desto besser. Die WirtschaftsWoche hat für verschiedene Musterfälle errechnet, welche Rendite Vorsorgesparer bei einer kostengünstigen Rürup-Rentenversicherung je nach erreichtem Lebensalter schaffen. Dabei wurde unterstellt, dass der Grenzsteuersatz im Alter zehn Prozentpunkte unter dem heutigen Grenzsteuersatz liegt. Ist der Unterschied tatsächlich noch größer - weil im Alter nur sehr geringe Einkünfte erzielt werden -, steigt die Rendite. Der 40-Jährige mit 60.000 Euro brutto pro Jahr würde bei einem Unterschied von 15 Prozentpunkten mit 95 Jahren auf eine garantierte Rendite von 1,6 statt 1,3 Prozent kommen. Die vom Versicherer unverbindlich auf Basis der bisherigen Überschüsse prognostizierte Rendite würde von 3,9 auf 4,2 Prozent pro Jahr steigen.
Rürup-Interessenten sollten daher weniger einen Finanzberater als einen Steuerberater zu Rate ziehen. So kann es selbst für Senioren unter Umständen noch Sinn machen, die Auszahlung aus einer ungeförderten Lebensversicherung in eine Rürup-Sofortrente zu stecken. Schließlich könnten sie den Beitrag innerhalb der steuerlichen Grenzen dann aktuell zu 80 Prozent von der Steuer absetzen. Das kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn im jeweiligen Jahr andere hohe Einkünfte erfolgen, die den Steuersatz in die Höhe treiben. Damit wäre der steuerliche Effekt des absetzbaren Rürup-Beitrags besonders groß.
Würde die Rürup-Rente dann ab sofort fließen, müsste sie lebenslang zu 70 Prozent mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden. Ein Teil des Steuervorteils wird damit dann nach und nach wieder aufgezehrt. Denn eine erstmals gezahlte normale, also ungeförderte, private Rente wäre heute bei einem 65- oder 66-Jährigen lebenslang nur mit dem Ertragsanteil von 18 Prozent zum persönlichen Steuersatz zu versteuern (bei Jüngeren liegt der Ertragsanteil noch etwas höher, bei Älteren etwas niedriger).
Garantien und Vererbbarkeit nur optional
Der Anbieter muss Rürup-Kunden - anders als bei Riester - nicht garantieren, dass zum Ruhestandsbeginn wenigstens die eingezahlten Beiträge auf dem Guthabenkonto liegen (die meisten Verträge sehen aber trotzdem Garantien vor). Die Rürup-Rente ist weder beleih- noch veräußerbar. Stirbt ein Rürup-Kunde vor dem Rentenstart, verfällt das Guthaben - im Vertrag darf allerdings abweichend eine Vererbbarkeit vereinbart werden, jedoch nur an Ehegatten oder Kinder. Stirbt ein Rürup-Kunde recht früh nach dem Rentenstart, können Angehörige ebenfalls leer ausgehen - aber auch hier sind andere Vertragsgestaltungen möglich.
Die Starrheit hat aber insbesondere für Selbstständige und Freiberufler auch Vorteile. So sind die angesparten Guthaben auch bei Arbeitslosigkeit Hartz-IV-sicher, das heißt, das Kapital muss nicht erst aufgebraucht werden, bevor Arbeitslosengeld II gezahlt wird.
Im Falle einer Zahlungsunfähigkeit ist das Rürup-Kapital abhängig vom Alter bis zu einer bestimmten Höhe vor Pfändung geschützt. Je älter der Sparer, umso höher der geschützte Betrag. Das ist der Grund, warum Rürup-Renten auch gerade für ältere, gut verdienende Selbstständige eine sinnvolle Vorsorgeform darstellt.
Beim Rentenbezug wird die Rürup-Rente allerdings wie jedes andere Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet. Geringverdiener, deren Rente vom Staat bis zur Höhe der Grundsicherung aufgestockt werden muss, haben dann unter Umständen vergeblich gespart.
Gestaltungswege mit Versicherung und Fonds
Kritiker befürchten, dass die Rürup-Verträge über Ein- und Auszahlungsphase besonders hohe Kosten verursachen. Tatsächlich sind die Kosten abhängig von der Laufzeit, den Gestaltungswegen als Rentenversicherung, fondsgebundene Versicherung oder Fondssparplan sowie einer optional enthaltenen Garantie unterschiedlich hoch. Grobe Richtschnur: Eine lange Vertragslaufzeit bis zur Rente, der Verzicht auf eine Garantie und der Verzicht auf Fondsinvestments sorgen für niedrigere Gebühren und Verwaltungskosten. Die Effektivkosten können nach einer Analyse von Morgen&Morgen für das Handelsblatt zwischen gut einem halben und mehr als drei Prozent der Beiträge pro Jahr liegen. Dabei gehen mit höheren Renditechancen durch Fondsinvestment in der Regel geringere Garantien und höhere Verlustrisiken einher.