Lebensversicherung Nur die Besten bieten noch gute Rendite

Im Niedrigzinsumfeld ist Kapitalstärke wichtiger denn je. Die 20. Auflage unseres großen Ratings zeigt, welche Anbieter damit punkten.

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Die WirtschaftsWoche ermittelt seit 20 Jahren, welche Lebensversicherer Kunden die beste Renditechance bieten. So funktioniert das Finsinger-Rating.
von Niklas Hoyer

Im Oktober 1997 heiratete Noch-nicht-Bundeskanzler Gerhard Schröder die Journalistin Doris Köpf, der Bund verkaufte seine letzten Lufthansa-Aktien, die Asienkrise ließ den Dax abstürzen – und die WirtschaftsWoche veröffentlichte ein neuartiges Lebensversicherungs-Rating (Ausgabe 43/1997).
Entwickelt hatte es der Finanzwissenschaftler Jörg Finsinger. Er ärgerte sich, dass andere Bewertungen mit willkürlicher Gewichtung und irrationalen Wertungen Produkt- und Unternehmensvergleich vermischten, sodass Kunden daraus kaum Rückschlüsse ziehen konnten.

Der Ansatz des Finsinger-Ratings ist seit jeher ein anderer: Es prognostiziert für jeden Versicherer, welchen Zins dieser mit seinen Kapitalanlagen künftig erwirtschaften kann und wie viel Überschuss nach Abzug von Kosten und Provisionen des Versicherers für den Kunden übrig bleibt. Dabei ist jeder Euro, ob aus höheren Kapitalerträgen oder niedrigeren Kosten, gleich viel wert. So lässt sich die Leistungsfähigkeit aus Kundensicht beurteilen.

Die schwächsten 10 Lebensversicherer (von 66 im Vergleich)

Wie wertvoll das mittlerweile von softfair analyse, einem Anbieter von Versicherungsvergleichen, für die WirtschaftsWoche erstellte Rating ist, zeigt der Rückblick: So schafften es LVM, Huk-Coburg, Debeka und der diesjährige Testsieger Europa seit Erstauflage praktisch jedes Jahr in die Spitzengruppe des Ratings mit fünf Sternen. Das hatten sie in der Rückschau auch wirklich verdient: So kassierten Versicherte, die vor zwölf Jahren bei ihnen eingestiegen sind, im Durchschnitt 48 Prozent mehr Überschuss, als die Branche im Schnitt einbrachte. Ein vor 20 Jahren bei diesen Anbietern abgeschlossener Vertrag brachte 54 Prozent mehr Ertrag – jeweils über die garantierte Auszahlung hinaus.

Regelmäßig in der Schlussgruppe des Ratings landeten Münchener Verein, Arag und VPV. Auch in der Realität bekamen deren Kunden wenig ausgezahlt. Die genaue Höhe lässt sich hier nicht beziffern, weil diese Anbieter an Leistungsvergleichen nicht teilnehmen – wohl aus gutem Grund.

Schon 1997 schrieb die WirtschaftsWoche von einer „Niedrigzinsphase“: Lebensversicherern falle es schwerer, Kapital renditestark anzulegen. Aus heutiger Sicht waren die Zustände damals paradiesisch: Eine Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit brachte 5,5 Prozent im Jahr. Heute ist deren Rendite unter null gefallen, sie kostet Geld. Die Lebensversicherer trifft der Zinsschwund hart: 90 Prozent ihres Kapitals sind zu einem festen Zins angelegt.

Jahr für Jahr weniger Rendite

Umso größer sind die Probleme der Branche – umso wichtiger ist es, auf Anbieter mit guten Renditechancen zu setzen. Ohne Überschüsse kommen Anleger auf keinen grünen Zweig mehr. Neukunden bekommen auf klassische Kapital-Lebens- oder Rentenversicherung noch 1,25 Prozent Zins auf ihre um Kosten geminderten Beiträge garantiert. Werden die Kosten berücksichtigt, liegt die garantierte Beitragsrendite nach 25 Jahren bei schlappen 0,4 Prozent. Vom kommenden Jahr an fällt der Garantiezins auf 0,9 Prozent. Dann wird die Garantie vieler Anbieter nicht mal der Summe der eingezahlten Beiträge abzüglich Kosten entsprechen.

Rendite von Altkunden bei Vertragsende (Für eine vergrößerte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.)

Noch profitieren Lebensversicherte bei auslaufenden Verträgen von Überschüssen, dank der höheren Zinsen früherer Jahre. Sie erhalten 3,7 Prozent Beitragsrendite. Doch es wird Jahr für Jahr weniger (siehe Grafik).

Mit neuen Produkttypen, mit reduzierter oder ganz ohne Garantie, wollen Versicherer auch für Neukunden mehr rausholen. Doch das stößt auf wenig Gegenliebe. „Die Nachfrage nach Produkten ohne oder mit reduzierten Garantien ist im Markt noch gering“, sagt Norbert Heinen, Vorstandsvorsitzender der Württembergischen Lebensversicherung. Ohne Garantie investieren können Anleger eben auch selbst, etwa mit kostengünstigen Sparplänen auf Indexfonds (ETFs).

Alte Garantien sind heute viel wert

Die Ergebnisse des Ratings gelten vor allem für die klassische Lebens- und Rentenversicherung, also mit Garantiezins.
Nie war die Wahl des Anbieters so wichtig wie heute: Landeten zwischen 2004 und 2011 maximal acht Anbieter in der Ein-Stern-Schlussgruppe, sind es dieses Jahr 31 – ein Negativrekord. Bei 26 davon liegt die Leistungsfähigkeit um mehr als 100 Prozent unter dem Durchschnitt. Streng genommen dürfen deren Kunden auf Basis der Modellannahmen mit gar keinen Überschüssen rechnen.

Mindestjahreszins auf den Sparanteil (Für eine vergrößerte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.)

Schuld an den schlechten Ergebnissen sind die dünnen Kapitalpolster vieler Lebensversicherer. Sie stecken in einem Teufelskreis: Weil größere Verluste nicht zu verkraften sind, ohne dass Garantien wackeln, müssen sie ihr Kapital sehr sicher anlegen. Damit dürfen Kunden zwar hoffen, dass die Garantien halten. Nennenswerte Überschüsse sind aber quasi ausgeschlossen, denn sichere Anlagen bringen derzeit nichts ein. Zum aktuellen Garantiezins sollten Kunden kapitalschwache Versicherer daher meiden.

„Neukunden werden zwangsläufig zum Subventionsgeber für die Altverträge“, sagt Walter Feil, freier Versicherungsmakler aus dem badischen Bühl. Er rät sogar generell vom Neuabschluss klassischer Kapital-Lebensversicherungen ab. Die Belastung der Anbieter durch Altgarantien sei zu groß. Rund 50 Prozent der Guthaben aller Kunden müssen mit über drei Prozent pro Jahr verzinst werden. Früher gab es bis zu vier Prozent Garantiezins (siehe Grafik). Einen besonders hohen Anteil an Vier-Prozent-Verträgen halten Hannoversche und HDI Lebensversicherung. Dies bindet Kapital.

Für das Finsinger-Rating war die Kapitalausstattung von Anfang an zentral: Je dickere Polster ein Versicherer hat – also Kapital, das er nicht zur Deckung von Kundenansprüchen benötigt –, desto freier und renditestärker kann er investieren. Dieser Spielraum wird knapp. „Der Anteil des freien Risikokapitals an den Kapitalanlagen ist in den vergangenen Jahr stark gesunken“, sagt Christoph Dittrich, Geschäftsführer von softfair analyse. Lag der Anteil Ende 2010 noch bei durchschnittlich 5,8 Prozent, beträgt er aktuell nur 3,4 Prozent.

Die Kapitalstärke ist auch bei den seit Jahresanfang europaweit geltenden Regulierungsregeln (Solvency II) zentral. Versicherer müssen für jede Anlage je nach Risiko freies Kapital vorhalten. Das soll verhindern, dass Verluste Kundenansprüche gefährden.

Versicherer garantieren im Schnitt drei Prozent

Auch die Altgarantien gelten jetzt als Risiko. Lebensversicherer müssen dafür eine Reserve füllen, in die allein im vergangenen Jahr zehn Milliarden Euro flossen.
Wie viel Geld eingezahlt werden muss, richtet sich nach einem mehrjährigen Zinsdurchschnitt. Er könnte bis Jahresende auf 2,5 Prozent fallen. Für Verträge mit höherer Garantie müssten die Anbieter dann vorsorgen. Immerhin mindert das den Druck durch die Altgarantien: Obwohl Versicherer im Schnitt drei Prozent Zins garantiert haben, müssen sie aktuell nur noch 2,6 Prozent erwirtschaften, um das Garantieniveau zu sichern. Den Rest deckt die Reserve ab.

Während die Altgarantien die Anbieter belasten, sind sie für Kunden viel wert. „Verträge, die 3,25 Prozent Zins oder mehr garantieren, sollten sie halten“, sagt Makler Feil. Mit niedrigerer Garantie verzinste Policen, insbesondere von Anbietern mit drei oder weniger Rating-Sternen, lohnen sich auch für Altkunden kaum noch. Bei zwischen 1997 und 2004 abgeschlossenen Verträgen ist ein Ausstieg per Widerruf möglich, da Versicherer teils fehlerhafte Widerrufsbelehrungen nutzten. Damit können Versicherte noch heute Verträge widerrufen, sie bekommen Beiträge samt Zinsen abzüglich der Kosten des Risikoschutzes (etwa für Hinterbliebene oder bei Berufsunfähigkeit) zurück. Das ist meist viel mehr als bei einer Kündigung. Enthält der Vertrag wichtigen Risikoschutz, kann dies aber selbst bei unrentablen Policen gegen den Ausstieg sprechen.

Cosmos Direkt punktet mit niedrigen Kosten

Selbst solide Anbieter schaffen mit der Kapitalanlage keine großen Sprünge. Im Ranking erreichen sie maximal drei Prozent realistischen Anlagezins, 0,4 Prozentpunkte über dem Durchschnitt. Die Unterschiede bei den Kosten sind größer. So berechnen die teuersten Anbieter bis zu sechs Mal höhere Kostenquoten als die günstigsten. Versicherer können ihre Überschüsse aufbessern, wenn weniger Kosten oder Risikoausgaben (etwa für Todesfälle) als geplant anfallen. 2005 machten diese Posten, Kosten- und Risikogewinne genannt, noch deutlich weniger als die Anlagegewinne aus. 2014 waren sie schon auf das Doppelte der jetzt mickrigen Anlagegewinne gestiegen. Eine Wunderwaffe gegen die Niedrigzinsen ist das nicht: Anders als in der Kapitalanlage, wo Versicherer neues Geld verdienen, geben sie mit Kosten- und Risikogewinnen nur Geld zurück, das Kunden vorher als Beitrag gezahlt haben. So kommt kein neuer Euro ins System Lebensversicherung.

Doch die Auswirkungen können trotzdem groß sein: Mit Cosmos Direkt schafft es ein Anbieter mit niedriger Zinsprognose in die Rating-Spitze, weil seine Kostenquoten am niedrigsten sind. Wichtig ist eben, was unter dem Strich rausspringt.

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