
Ulf Glatho ist sich in seinem Urteil ganz sicher. „Die klassische Lebensversicherung ist ein Auslaufmodell“, sagt der Prokurist der Kapitalanlagegesellschaft Novo Ass in Köln. Die Kosten seien um bis zu 25 Prozent höher als bei klassischen Sparplänen. Dazu kämen die immer weiter sinkenden Garantiezinsen, die die Lebensversicherung für Anleger unattraktiv machten.
Die Not der Versicherer und ihrer Kunden wollen Glatho und seine Leute nutzen: Sie animieren die Kunden, ihre Lebensversicherung zu kündigen und den ausgezahlten Rückkaufwert bei Novo Ass anzulegen. Für das Geld, so das Versprechen, gebe es acht Jahre lang acht Prozent Zinsen jährlich oder sechs Jahre sechs Prozent. Die Beträge aus den Versicherungen, sagt Glatho, flössen unter anderem in Immobilien, die nach Insolvenzen oder Scheidungen auf den Markt kämen, von Novo Ass erworben und dann vermietet würden.





Das Geschäft läuft. Die Kölner, die nur ein Beispiel für eine rasch wachsende Branche sind, beschäftigen nach eigenen Angaben 15 fest angestellte Mitarbeiter im Innendienst und etwa 150 freie Makler. Nach eigenen Angaben akquirierte Novo Ass bis heute rund 2,8 Millionen Euro aus Lebensversicherungen – „mit rasch steigender Tendenz“, so Glatho.
Acht Prozent Rendite acht Jahre lang – die Magerzinszeit ist der ideale Nährboden für ambitionierte Finanzjongleure. Mit offenbar dubiosen Angeboten versuchen sie, die Kunden aus ihren kärglichen Lebensversicherungen zu locken – und mit aggressiven Methoden. „Die Auseinandersetzungen mit fragwürdigen Firmen nehmen zu“, sagt Ralf Berndt, Vorstandsmitglied der Stuttgarter Versicherung.
Seit zwei bis drei Jahren, so beobachten es die Stuttgarter, gibt es eine deutliche Zunahme dieser Firmen. Häufig zahlten sie den Versicherten einen Teil des abgetretenen Rückkaufwertes in bar aus. Der Rest verschwinde in dunklen Kanälen, manchmal in der Schweiz oder in Liechtenstein, so ein Manager der Versicherung. Intern führt der schwäbische Versicherer eine schwarze Liste mit 25 fragwürdigen Anbietern. Auch Branchenführerer Allianz in München führt ein solches Verzeichnis.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die seit etwa drei Jahren verstärkte Aktivitäten von Lebensversicherungsaufkäufern feststellt, beobachtet zurzeit 60 solcher Unternehmen. Sechs Anbietern untersagte die Behörde das Geschäft. Für die Versicherer wie für die BaFin ist es schwer, den Überblick über die unliebsame bis unlautere Konkurrenz zu behalten. Namen kommen und gehen.
Dabei spalten sich die Policenankäufer in zwei Gruppen. Die einen haben sich im Bundesverband Lebensversicherungen im Zweitmarkt (BVLZ) zusammengeschlossen. Um sich von unseriösen Wettbewerbern abzugrenzen, verpflichten sich die BVLZ-Mitglieder auf bestimmte Standards: Dazu zählt, dass der Käufer die Lebensversicherung fortführt, statt sie zu kündigen. Die Police läuft dann weiter, der Kunde behält auch nach dem Verkauf einen – wenn auch verringerten – Anspruch auf eine Zahlung im Todesfall. Die Kündigung von Lebensversicherungspolicen, um an die Rückkaufwerte zu kommen, betrachtet der Verband dagegen als „Pseudo-Zweitmarkt“.