Ein Besuch beim Zahnarzt gehört so oder so zu den eher unattraktiven Dingen im Leben. Schon im Wartezimmer wird das Herzklopfen immer stärker, auf dem Behandlungsstuhl sorgen das grelle Licht und die Bohrergeräusche für Magenkrämpfe. Richtige Bauchschmerzen kommen allerdings oft erst, wenn die Tortur bereits überstanden ist: wenn die Zahnarztrechnung im Briefkasten liegt.
Denn seit 2005 zahlen gesetzliche Krankenversicherungen nur noch die sogenannte Regelversorgung. Übersetzt heißt das, wer Zahnersatz wie eine Krone oder eine Brücke benötigt, bekommt nur die Kosten für das Basisprodukt erstattet. Wer hochwertigeren Zahnersatz möchte, muss den Restbetrag aus eigener Tasche zahlen. Patienten bekommen das schon bei einer einfachen Kariesfüllung zu spüren: Während die umstrittene Amalgamfüllung von der Kasse bezahlt wird, muss der Aufpreis für Kunststoff- oder Keramikfüllungen vom Patienten selbst gestemmt werden. Letztere sind die sogenannten Inlays, die im Labor hergestellt werden. Hier liegt der Eigenanteil schnell bei mehreren Hundert Euro. Viel schlimmer sieht es bei Zahnersatz aus. Entscheidet sich ein Patient für das hochwertigere Implantat statt der standardmäßigen Prothese, steigt der Eigenanteil schnell auf mehrere Tausend Euro und hat den Wert eines Kleinwagens.
Wichtige Begriffe der Zahnmedizin
Der Begriff Zahnbehandlung umfasst alle Leistungen des Zahnarztes, die zur Verhinderung, Vorsorge oder Behandlung von Zahnerkrankungen dienen. Dazu gehören regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, die Behandlung von Karies mit Zahnfüllungen, Wurzelbehandlungen oder andere Parodontosebehandlungen.
Inlays sind die exklusiven, im Labor hergestellten Zahnfüllungen aus Keramik oder Gold. Es wird passgenau in den Zahn eingeklebt. Der Preis richtet sich nach der Größe des Inlays, unter anderem auch danach, wie viele Flächen des Zahns davon ausgefüllt werden sollen. Ein Keramik-Inlay kann rund 400 bis 600 Euro kosten.
Fällt ein Zahn raus, muss er ersetzt werden. Das geschieht entweder mit einer Krone, einer Brücke, einer Prothese oder einem Implantat.
Eine Krone ist eine Hülle, die über einen angegriffenen Zahn gelegt wird. Ist ein Zahn durch fortgeschrittenen Karies angegriffen, aber die Wurzel in Ordnung, eignet sich eine Überkronung als Schutz.
Mit Brücken werden Zahnlücken geschlossen - sie sind mit den Nachbarzähnen verbunden. Im Gegensatz zu herausnehmbaren Prothesen erhalten sie die Kaufunktion in der Regel besser.
Ähnlich wie Brücken werden Prothesen zum Verschließen von Zahnlücken genutzt. Je größer die Lücke, desto wahrscheinlicher wird es eine Prothese statt einer Brücke. Insbesondere wenn die Nachbarzähne angegriffen sind, erhält die Prothese den Vorzug gegenüber der Brücke. Grundsätzlich haben Prothesen allerdings einige Nachteile, beispielsweise lagern sich mehr Keime ab, das Kariesrisiko steigt.
Ein Implantat ist der wohl teuerste Zahnersatz. Damit werden fehlende Zähne ersetzt, das Implantat wird fest in das Gebiss eingesetzt. Es gibt verschiedene Arten von Implantaten, in der Regel werden sie eingeschraubt.
Angesichts derlei Zahlen ist es kein Wunder, dass die Zahnzusatzversicherung mittlerweile zur beliebtesten Privat-Police der Deutschen mutiert. Laut PKV-Verband stieg der Bestand an Zahnzusatzversicherungen in Deutschland 2012 um 2,7 Prozent auf insgesamt über 13,5 Millionen Verträge an. Offizielle Zahlen für das letzte Jahr gibt es noch nicht. Branchenexperten rechnen allerdings damit, dass die Zahl der Policen auch 2013 noch einmal um einen Prozent auf etwa 13,7 Millionen Verträge angestiegen ist. Der Trend dürfte anhalten. In einer Allensbach-Umfrage unter 622 Befragten, die über eine weitere Zusatzversicherung nachdenken, hatten über 80 Prozent Interesse an der Extra-Police fürs Gebiss. Lediglich 40 Prozent wollten über eine Absicherung für die Kosten einer Brille nachdenken.
Allerdings lassen sich die Versicherer den Schutz vor teuren Zahnbehandlungen gut bezahlen. Schon für junge Patienten kostet die private Zusatzversicherung je nach Leistung oft mehr als 20 Euro im Monat, für Ältere sind es bereits rund 35 Euro oder mehr. Jährlich entstehen also Kosten zwischen 200 und 450 Euro für die Versicherungsbeiträge.
Gut, wer bei derartigen Summen skeptisch wird. „Eine Zahnzusatzversicherung sollte nicht vorschnell abgeschlossen werden“, sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Patienten sollten sich genau überlegen, ob sie die Police wirklich brauchen. Auch Bianca Boss vom Bund der Versicherten mahnt zur Vorsicht. „Eine Zahnzusatzversicherung ist Luxus, der sich nur lohnt, wenn man alle existenzbedrohenden Risiken abgesichert hat“, sagt Boss. Zudem müssten Verbraucher überlegen, ob sie nicht alternativ selber regelmäßig Geld für Zahnersatz zur Seite legen. Wer früh anfängt und die durchschnittlich 200 Euro sicher anlegt, hat bald einen vierstelligen Betrag beisammen.
Auch selber sparen ist möglich
Wie bei vielen anderen Versicherungen ist auch die Zahnzusatzversicherung eine Typsache. Wer gerne auf Nummer sicher geht und schon einige Probleme mit den Zähnen hatte, schließt sicher lieber eine Zusatzpolice ab. Wer dagegen über gesunde Zähne verfügt und konsequent genug ist, regelmäßig zu sparen, der kann auf die teure Police möglicherweise verzichten.
Hinzu kommt: eine Zahnzusatzversicherung muss sich der Kunde auch leisten können. Denn eine Kündigung sollte möglichst vermieden werden. Zwar raten einige dazu, einen alten Tarif gegen einen neuen zu tauschen, da diese oft mehr Leistungen bieten. Gerade eine Kündigung mit Anbieterwechsel hat aber oft kaum Vorteile. Zum einen haben die meisten Tarife eine Art Sperre für die ersten Monate – erst wenn der Kunde eine bestimmte Zeit lang Beiträge gezahlt hat, übernimmt die Assekuranz die ersten Kosten. Zudem haben viele Tarife eine Leistungsbegrenzung in den ersten Jahren. So beispielsweise der Tarif Premium U vom Kölner Versicherer Axa. Während im ersten und zweiten Jahr lediglich 2000 Euro gezahlt werden, übernimmt das Unternehmen im dritten und vierten Versicherungsjahr schon bis zu 4500 Euro an Erstattungen.
Wer sich einmal für eine Zahnzusatzversicherung entscheidet, sollte also Ausdauer beweisen. Umso wichtiger ist es, die komplizierten Vertragsbedingungen der einzelnen Anbieter genau unter die Lupe zu nehmen. „Es gibt auf dem Versicherungsmarkt kaum etwas komplizierteres als die Tarifstruktur der Zahnzusatzpolicen“, sagt Verbraucherschützerin Weidenbach. Jeder Versicherer regle das ein wenig anders, das erschwere die Vergleichbarkeit der Tarife. Weidenbach rät Interessierten, mehrere Tarifvergleiche einzuholen und sich professionell beraten zu lassen. Denn: Auch bei Vergleichen und Tests gibt es regelmäßig sehr unterschiedliche Ergebnisse. Das liegt an den unterschiedlichen Kriterien, die den Tests zugrunde liegen.
Das Beispiel der Schweizer Versicherungsgruppe CSS verdeutlicht das. Deren Zahnpolice erreichte bei Stiftung Warentest und Finanztest 2012 die Bewertung „sehr gut“. Verbraucher profitieren unter anderem von günstigen Preisen und einer unbegrenzten Kostenübernahme auch in den ersten Versicherungsjahren. Allerdings hat der Tarif auch Schattenseiten. „Ich würde die CSS nicht vertreiben“, sagt ein Hamburger Versicherungsmakler. Der Grund: Die CSS ist eine der wenigen Zahnzusatzversicherungen am Markt, die keine Altersrückstellungen bilden. Entsprechend musste die Assekuranz bereits mehrfach ihre Preise erhöhen, um dem hohen Kundenansturm und den gleichzeitig hohen Aufwendungen für Erstattungen gerecht zu werden. Die Stiftung Warentest erklärt dagegen, die Kunden der CSS müssten bedenken, dass die Tarife nach Art der Schadenversicherung kalkuliert seien und eben keine Rückstellungen bildeten. Dafür seien sie nicht so teuer und die Kunden könnten einfach kündigen. Tarife, in denen Altersrückstellungen gebildet werden, sollten dagegen stabilere Beiträge haben, oft steigen die Erstattungssummen über die Jahre. Davon profitiert der Versicherte, denn in der Regel fallen die hohen Kosten für Zahnersatz erst ab einem gewissen Alter an. Beitragserhöhungen können dem Versicherten dennoch drohen – etwa wenn die Zahnärzte ihre Preise erhöhen.
Mehrere Vergleiche und Tests
Erstes Zwischenfazit: Wer eine Zahnzusatzversicherung abschließen möchte, sollte in jedem Fall mehrere Vergleiche und Tests zu Rate ziehen und sich möglichst unabhängig beraten lassen. Zum einen gibt es die gängigen Testurteile von Stiftung Warentest, Finanztest, Ökotest und Co. Zum anderen diverse Internet-Vergleichsportale. Eins davon ist die Waizmanntabelle. Dort beurteilen Zahnärzte die Leistungen der einzelnen Versicherungen, unter anderem unter dem Aspekt der Zusammenarbeit zwischen Versicherer und Zahnarzt.
Was bei allen Vergleichen der einzelnen Tarife auffällt, sind die Prozentzahlen. In der Regel geben die Anbieter an, wie viel Prozent sie erstatten. Denn: „Eine 100-prozentige Erstattung des Rechnungsbetrags kriegt man in der Regel nicht hin“, sagt Weidenbach. Meistens bleibe ein Restbetrag für den Versicherten. Und auch bei den Zahlenspielen ist Vorsicht geboten. Wirbt beispielsweise eine Assekuranz damit, 90 Prozent zu erstatten, muss der Verbraucher erst prüfen, worauf sich die Angaben beziehen.
Einige Tarife erstatten tatsächlich so viel, dass 90 Prozent der gesamten Zahnarztrechnung von gesetzlicher und privater Kasse gemeinsam bezahlt werden, der Eigenanteil des Patienten ist in diesem Fall überschaubar. Bei anderen Tarifen beziehen sich die Prozentangaben dagegen auf den Festzuschuss der gesetzlichen Kasse. In diesem Fall würde die private Zusatzpolice lediglich 90 Prozent des Festzuschusses der gesetzlichen Kasse dazu strecken, der Eigenanteil des Patienten ist im Zweifelsfall relativ hoch. Versicherte sollten sich daher nicht pauschal von hohen Prozentzahlen leiten lassen. Ohne ein Blick ins Kleingedruckte lässt sich nicht beurteilen, wie viel die private Versicherung wirklich beisteuert.
Zudem sollten Patienten sich genau überlegen, auf welche Bestandteile einer Police sie wertlegen. Sollen hochwertige Implantate, der wohl teuerste Zahnersatz, erstattungsfähig sein? Auch das ist von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Auch Inlays, die exklusive Art der Zahnfüllung in Gold oder Keramik, ist nicht immer im Preis enthalten.
In punkto Inlays droht Versicherten schnell der nächste Fallstrick. Sie sollten bei Vertragsabschluss genau unterscheiden, ob sich die Leistungen der Zahnzusatzversicherung auf die Zahnbehandlung oder den Zahnersatz beziehen. Unter Zahnbehandlung fallen Leistungen wie Füllungen oder Inlays oder eine Wurzelbehandlung. Viele denken, dass sie dafür bereits eine Police abschließen müssen. Wer allerdings statt mit einem Keramikinlay auch mit einer Kunststofffüllung auskommt, der sollte überlegen, ob sich dafür eine Police lohnt. Für eine Kunststofffüllung ist der Eigenanteil deutlich niedriger als bei einem Inlay. Zahnersatz bezieht sich dagegen auf Brücken, Kronen oder Implantate, bei denen im Zweifel enorme Kosten auf den Patienten entfallen.
Vorsicht bei Preiskrachern
Vorsicht gilt daher bei auffallend günstigen Tarifen. Viele Anbieter haben jeweils einen sehr preiswerten Tarif im Angebot. Der kostet dann zwar oft weniger als zehn Euro im Monat, erstattet aber nur Kosten, die im Rahmen der Zahnbehandlung anfallen. Für den teuren Zahnersatz gelten diese Einsteigertarife nicht. Die HanseMerkur bietet beispielsweise einen Tarif, der zwar Prophylaxe, Kunststofffüllungen und Zahnreinigungen erstattet, Inlays oder Zahnersatz sind dagegen nicht versichert. Auch die Gothaer hat so einen Zahnbehandlungstarif - der mit nur 10,45 Euro für jüngere Patienten deutlich günstiger ist als die Rundum-Variante für 26,99 Euro.
Nicht nur die günstigen Zahnbehandlungstarife werben damit, die Kosten für die professionelle Zahnreinigung zu übernehmen. Das ist einer der beliebten Werbetricks der Versicherer. Viele Anbieter übernehmen die Kosten - zumindest zu einem gewissen Teil. So zahlt die Axa in ihrem Premium-Tarif maximal 120 Euro pro Jahr. Was nach einem Kaufargument klingt, ist allerdings längst keins mehr. Denn aufgrund des steigenden Wettbewerbs der gesetzlichen Kassen um Kunden übernehmen auch viele Gesetzliche einen Teil der Kosten für die Reinigung. Eine Studie der Zeitschrift Finanztest ergab, dass mehr als drei Viertel von 85 getesteten Kassen sich an den Kosten zumindest beteiligen. Einige Kassen verlangen allerdings, dass die Patienten die Reinigung in einer bestimmten Arztpraxis durchführen lassen. Vor dem Abschluss der Zusatz-Police sollten Versicherte deshalb genau nachprüfen, was ihre gesetzliche Kasse zahlt.
Trotzdem bekommen viele Kunden einer gesetzlichen Kasse regelmäßig Zahnwerbung. Denn viele Kassen arbeiten mit privaten Anbietern zusammen und bieten ihren Kassenpatienten so einen vergünstigten Privatvertrag. Die Techniker Krankenkasse (TKK) beispielsweise arbeitet mit dem PKV-Anbieter Envivas zusammen. Einige Tarife werden exklusiv für TKK-Kunden angeboten, sie tauchen unter den gängigen Vergleichslisten nicht auf. Andere Tarife der Envivas fielen dort nicht besonders positiv auf, die Stiftung Warentest warnte bereits, Krankenversicherte sollten nicht blind dem Angebot ihrer Kasse vertrauen. „Jeder sollte individuell prüfen, was er braucht“, sagt Andrea Heyer, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Denn die Kooperationsangebote hätten sowohl Licht als auch Schatten. Während der Kassenpatient von den Rabatten für seinen hauseigenen Zusatztarif profitiert, seien die Leistungen eben manchmal eingeschränkt. Außerdem bindet sich der Verbraucher quasi an seine Kasse. „Wechselt man von einer gesetzlichen Kasse in eine andere, fällt in der Regel der Rabatt weg“, sagt Weidenbach.
Wer sich für einen Tarif entschieden hat, sollte nicht zu lange mit dem Abschluss warten. Versicherungsmakler berichten, dass viele erst kommen, wenn „die Hütte schon brennt“. Wer aber seinen Versicherungsschutz erst abschließt, wenn der Zahnarzt die notwendige Behandlung bereits angekündigt hat, bekommt möglicherweise Probleme. Nicht nur, dass die meisten Verträge eine Wartezeit von rund sechs Monaten vorsehen, bis eine Behandlung mit Kostenerstattung möglich ist. Oft weigern sich auch die Versicherer, Kosten zu übernehmen mit dem Argument, der Schaden sei bereits vor Versicherungsbeginn eingetreten. Wer sich nicht auf eventuelle Mauscheleien seines Zahnarztes einlassen will, dem hilft nur frühes kommen.