Die 59-Jährige Angestellte hat es schwarz auf weiß: „Die Deutsche Rentenversicherung – Ihr verlässlicher Partner von Anfang an“, heißt es in dem Brief von der Rentenversicherungsanstalt. Einen Anspruch auf 1 095 Euro Rente im Monat habe sie bis jetzt erworben. Wenn sie so weiterverdient, könnten es bis zur Altersgrenze 1426 Euro sein. Könnten… Es könnte aber auch weniger werden. Denn da steht auch: „Gesetzliche Änderungen können sich auf Ihre zu erwartende Rente auswirken.“ Verlässlich? Fehlanzeige.
„Gesetzliche Änderungen“ heißt seit vielen Jahren, dass der Staat kräftig an der Rente herumkürzt. Allein in den letzten zehn Jahren hat die Beitragszahlerin Rente im Gegenwert von rund fünf Beitragsjahren verloren. Sprich, mit dem gleichen Profil hätte sie unter den Bedingungen von 2002 statt der bis jetzt erworbenen 1095 Euro noch Anspruch auf 1320 Euro Rente gehabt, 225 Euro mehr.
Seither sorgten neue Gesetze dafür, dass sich die Renten immer weiter von den Einkommen abkoppelt. 2002 lag das Rentenniveau noch bei 54 Prozent der Einkommen, derzeit sind es 50 Prozent. 2030 sollen es nur noch 43 Prozent sein.
Gedreht wird ständig. Die Stellschrauben finden sich alle in der sogenannten Rentenformel, mit der die persönliche Rente berechnet wird. In diese Formel gehen einmal die individuell über die Jahre gezahlten Beiträgen, umgerechnet in Entgeltpunkte ein. Sollte ein Arbeitnehmer vorzeitig in Rente gehen, spiegelt sich das in dem sogenannten „Zugangsfaktor“ wider. Der wird dann kleiner eins. Dritter wichtiger Faktor ist der Rentenwert, der für alle gleich ist: In Westdeutschland beträgt er derzeit 28,07 Euro. Die Rentenformel lautet also Rentenwert (28,07 Euro) mal Zugangsfaktor mal Entgeltpunkte.
Möglichkeiten bei der Altersvorsorge
Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung – 2011 sind das 2640 Euro - steuer- und sozialabgabenfrei in die betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Zusätzlich können weitere 1800 Euro lohnsteuerfrei investiert werden. Insgesamt können 4440 Euro in eine Direktversicherung oder eine Pensionskasse fließen. Der Verbreitungsgrad der Betriebsrenten ist in Deutschland noch immer gering. Vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen führt die Betriebsrente noch immer ein Schattendasein.
Der Staat bezuschusst die private Altersvorsorge mit Zulagen und Steuervorteilen. Riester-Sparer erhalten derzeit 154 Euro Grundzulage pro Person und 185 Euro für jedes Kind. Für Nachwuchs, der nach 2008 geboren ist, gibt es sogar 300 Euro. Voraussetzung für die volle Förderung ist, dass der Sparer vier Prozent seines jährlichen Bruttolohns einzahlt, wobei bis zu 2100 Euro gefördert werden. Außerdem können Beiträge bis zu dieser Höhe steuerlich geltend gemacht werden. Förderberechtigt sind grundsätzlich Angestellte sowie Beamte und deren Ehepartner.
Die Rürup-Rente richtet sich in erster Linie an Selbstständige. Sparer können einen wachsenden Teil der Einzahlungen von der Steuer absetzen. Aktuell sind es 72 Prozent, bis 2025 soll der Anteil auf 100 Prozent ansteigen. Pro Jahr sind steuerbegünstigte Einzahlungen von bis zu 20.000 Euro (40.000 Euro für Verheiratete) möglich.
Zuerst die persönlich erworbenen Entgeltpunkte. Die Versicherte hat studiert. Bis 2004 wurden ihr dafür immerhin noch 2,25 Punkte angerechnet, auch die sind jetzt weg. 2,25 Entgeltpunkte weniger macht 63 Euro weniger Rente. In den 90er-Jahren seien ihr schon mal 168 Euro Rentenanspruch aus Ausbildungsjahren weggekürzt worden, rechnet Rentenberater Rolf Ponzelet aus Düsseldorf vor. Über die Jahre hätten sie die verlorenen Ausbildungspunkte bis jetzt 252 Euro Rente gekostet.
Dann der Zugangsfaktor. Die Einführung der Rente mit 67 heißt für den Jahrgang der Angestellten, dass sie sieben Monate länger arbeiten müsste, bis sie die volle Rente bekommt. Sollte sie wie geplant mit dem 65. Geburtstag aufhören, kostet sie das rund 32 Euro Rente.
Riester-Faktor rechnet die Rente künstlich klein
Kompliziert wird es beim aktuellen Rentenwert, den 28,07 Euro. Er sorgt dafür, dass sich unsere Renten an das allgemeine Einkommensniveau anpassen. Aber es sind Bremsen eingebaut. Die Rente steigt langsamer als die Einkommen. Es werden auch demografische Veränderungen mit hineingerechnet: Wie viele Beitragszahler kommen auf einen Durchschnittsrentner? Und, was erst recht kaum einer weiß, ein sogenannter Riester-Faktor schmälert den Rentenwert, seit es die Riester-Rente gibt.
Riesterrente von A bis Z
Das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Altersvermögensgesetz soll dem sinkenden Rentenniveau entgegenwirken: Wegen der Förderung bestimmter privater Altersvorsorgeprodukte erhalten Bürger den Anreiz, in einer kapitalgedeckten Rentenversicherung für ihr Alter zu sparen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist das für die Riesterprodukte zuständige Ministerium.
Für die Beantragung der Zulage werden Angaben über Familie, Einkommen und Kindergeldbezug benötigt. Die Anbieter des Riesterproduktes müssen diese Daten abfragen und bearbeiten. Die Daten werden dann an die zentrale Zulagenstelle übermittelt, die die Zulage vorläufig berechnet und an den Anbieter auszahlt. Danach finden Überprüfungen der gemachten Angaben statt. Zu diesem Zweck steht die zentrale Zulagenstelle im Datenaustausch mit Behörden wie Finanzämtern und Besoldungsstellen.
Die Beiträge in die Riesterrente können zwar vorteilhaft während der Ansparzeit als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Doch die Riesterrente hat auch steuerliche Nachteile: Während der Auszahlung im Rentenalter ist die Riesterrente zu versteuern. Bemessungsgrundlage ist dabei nicht nur – wie bei anderen Privatrenten – der so genannte Ertragsanteil, sondern der volle Betrag der Riesterrente.
Die staatliche Förderung setzt sich aus der Zulage und einem Steuervorteil (Beiträge als Sonderausgabe) zusammen. Förderfähige Sparformen sind Banksparplan, Rentenversicherung, Fondsrentenversicherung, Fondssparplan und auch Sparleistungen für das Eigenheim.
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH, Az.: C-269/07) wurde bestimmt: Wohnt jemand in Deutschland, arbeitet aber im Ausland, so besteht, wenn die ausländische Pflicht zur Einzahlung in eine gesetzliche Rentenversicherung vor dem 1. Januar 2010 begründet wurde und der Riester-Vertrag bereits ebenso vor dem 1. Januar 2010 abgeschlossen wurde, weiterhin unmittelbare Zulageberechtigung.
Der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär und Politiker Walter Riester (SPD) war von 1998 bis 2002 im Kabinett Gerhard Schröder Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. In dieser Zeit wurde auf seine Initiative die staatlich bezuschusste private Altersvorsorge, die „Riester-Rente, eingeführt.
Die geleisteten Beiträge und die Zulage können zusammen als Sonderausgaben bei der Einkommensteuererklärung bis zu 2100 Euro pro Jahr (seit 2008) berücksichtigt werden. Zulagen und Steuereffekt werden miteinander verrechnet, wobei jeweils das für den Sparer günstigere Verfahren Anwendung findet. Ergibt sich keine Steuerersparnis, enthält der Bescheid über die Einkommensteuer den Passus: „Ein Sonderausgabenabzug der geltend gemachten Altersvorsorgebeträge (10 EStG) in Höhe von … kommt nicht in Betracht, weil der nach Ihren Angaben errechnete Zulagenanspruch günstiger ist.“ Ergibt sich eine Steuerersparnis, wird die Zulage trotzdem gewährt und es „erhöht sich die unter Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Zulage.“
Auch für die Finanzierung einer Wohnung oder selbstgenutzten Immobilie kann seit 2008 das steuerlich geförderte Altersvorsorgevermögen genutzt werden. Nach dem Wohn-Riester oder der Eigenheimrente werden eine Wohnung in einem eigenen Haus, eine eigene Eigentumswohnung oder eine Genossenschaftswohnung gefördert. Voraussetzung ist, dass diese Wohnung vom Zulageberechtigten selbst genutzt wird, die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Zulageberechtigten darstellt. Voraussetzung für die Förderung war nach dem Gesetz, dass die Immobilie im Inland liegt.
Mit seinem Urteil vom 10. September 2009 hat der Europäische Gerichtshof gerügt, dass es Grenzarbeitnehmern nicht gestattet ist, die Zulagenförderung für eine Immobilie im Ausland zu verwenden. Dies verstößt seiner Auffassung nach gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Kompliziert ist beim Wohn-Riester auch die nachgelagerte Besteuerung geregelt: Über ein fiktives Wohnförderkonto werden der Entnahmebetrag, die geförderten Tilgungsleistungen und die hierfür gewährten Zulagen verbucht und addiert. Zu Beginn der Auszahlungsphase wird der aktuelle Stand des Wohnförderkontos durch die Anzahl der Jahre bis zum 85. Lebensjahr des Förderberechtigten geteilt. Diesen Teilbetrag muss der Förderberechtigte dann jedes Jahr in seiner Einkommensteuererklärung angeben. Er wird dann Jahr für Jahr dem zu versteuernden Einkommen des Förderberechtigten hinzugerechnet.
Die ZfA führt als Verwaltungsstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund die Berechnung, Kontrolle, Auszahlung und Rückforderung von Zulagen der Riesterrente durch.
Gefördert werden nur so genannte „zertifizierte Altersvorsorgeprodukte“. Voraussetzung dafür sind unter anderem, dass zu Beginn der Auszahlungsphase vom Anbieter mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (Eigenleistung und staatliche Zulage) garantiert werden, die Auszahlung nur in Form einer Leibrente (lebenslange Rente) oder eines ab dem 85. Lebensjahr mit einer Leibrente verbundenen Auszahlplan erfolgt und die Beiträge laufend entrichtet werden. Zulage besteht aus einer Grundzulage von 154 Euro pro Person und Jahr.
Die Zulage besteht aus einer Grundzulage von 154 Euro pro Person und Jahr, und kann sich um eine Kinderzulage erhöhen. Ansprüche auf eine Kinderzulage haben Eltern, die im Kalenderjahr mindestens einen Monat lang Kindergeld bekommen. Die Kinderzulage beträgt für bis einschließlich 2007 geborene Kinder 185 Euro pro Kind und Jahr, für ab 2008 geborene Kinder sogar 300 Euro. Voraussetzung für die volle Zulage ist jedoch ein bestimmter Eigenbeitrag der Riester-Sparer.
Der Rentenwert orientiert sich ja an den Einkommen. Gerechnet wird, als hätten alle Arbeitnehmer eine private Riester-Rente als Pflichtabgabe abgeschlossen. Und als würde der Staat nichts dazu bezahlen. So verringern sich rechnerisch die Netto-Einkünfte der Arbeitnehmer, denen die Renten ja folgen, um vier Prozent. „Das ist absurd“, sagt Rentenexperte Johannes Steffen von der Arbeitnehmerkammer Bremen.
Die Riester-Rente sei ja Privatsache, keine Pflichtabgabe. Nun koste sie uns Rentenversicherte doppelt: „Erst finanzieren wir sie mit unseren Steuern mit, dann schmälert sie unsere staatliche Rente.“ Allein der Riester-Faktor kostet unsere Beitragszahlerin schon 46,25 Euro Rente, rechnet Steffens vor.
Neben dem neuen Riester-Faktor drückten in den letzten zehn Jahren mehrere Nullrunden, bei denen der Rentenwert überhaupt nicht erhöht wurde auf das Rentenniveau. Wären Beiträge und Renten seit 2000 parallel gelaufen, würde der Rentenwert heute schon 30,32 Euro betragen, ermittelt Steffens. Allein über den Rentenwert hätte die Angestellte 131 Euro mehr Rente. Dazu die verlorenen Ausbildungspunkte und der hochgesetzte Renteneintritt – macht insgesamt 225 Euro weniger in den letzten zehn Jahren.
Ich persönlich finde das sehr ärgerlich, besonders die Geschichte mit dem Riester-Faktor. Aber freiwillig würde ich auf keinen einzigen Euro Rente verzichten, sondern lieber arbeiten, solange es geht.