Die Nerven in der Lebensversicherungsbranche liegen blank. Kritische Berichte, wie jüngst etwa in der Zeitschrift "Ökotest", führen zu heftigen Reaktionen auf Seiten der Versicherer.
Die Rollen von Gut und Böse, von Recht-Habern und Wahrheits-Verdrehern sind dabei aber nicht eindeutig verteilt. Auf beiden Seiten werden die Fakten teils einseitig beleuchtet und sind zu oft von einer feststehenden Meinung beeinflusst.
Das Gerede von den gierigen Versicherern und den geprellten Kunden geht am Kern des Problems vorbei. Das ist gefährlich. Denn die Lage der Lebensversicherung ist ernst. Gerade jetzt wäre daher der Zeitpunkt, offen über die Probleme der Branche zu diskutieren und Lösungsansätze für den - ohne jede Frage vorhandenen - Vorsorgebedarf zu suchen.
Tipps: Die richtige Police finden
Versicherte zahlen Beiträge oft monatlich. Dafür fallen Zuschläge an. Wer pro Jahr zahlt, profitiert. Auf 20 Jahre bringt das schnell 1000 Euro mehr.
Automatische jährliche Beitragssteigerungen sollen die Inflation abfedern. Nachteil: Es fallen jedes Jahr neue Abschlusskosten an. Kunden können die Dynamik aussetzen. Sinnvoll ist der Automatismus höchstens bei integriertem Risikoschutz und bei steuerfreien Policen von vor 2005, da die alten Vorteile (früherer Gesundheitszustand, alte Steuerregeln) dank Dynamik auch für höhere Leistungen gelten.
Anlage und Risikoschutz mit separaten Policen abdecken. Versicherte können die Lebenspolice sonst kaum kündigen oder beitragsfrei stellen, da der Risikoschutz gefährdet wäre.
Staatliche Förderung, etwa Riesteroder Rürup-Policen, beschert meist kein geschenktes Geld – trotz anderslautender Werbung. Das liegt vor allem an Steuereffekten. Vorteile gibt es meist nur, wenn die Steuersätze im Alter viel niedriger als vorher sind.
Bei Neuabschluss sind für die reine Sparanlage, also bei Policen mit Einmalauszahlung, allenfalls Top-Versicherer interessant. Immerhin bestehen hier selbst bei neuen Verträgen noch kleinere Steuervorteile. Für die Altersvorsorge hingegen ist die Auszahlung als monatliche Rente besser. Versicherer setzen allerdings teils über 100 Jahre Lebenserwartung an. Entsprechend niedrig sind die Renten. Die Rentenpolicen sind nur Absicherung, kein Renditebringer.
Versuchen wir es, mit einem kritischen Blick auf einige Probleme der Branche und einer Analyse, warum die Zukunft der Lebensversicherung gefährdet ist.
Aus Kundensicht ist der Befund eindeutig: Die Lebensversicherungen - mit rund 88 Millionen Verträgen immer noch einer der Hauptpfeiler der Altersvorsorge - werfen immer weniger ab. Die laufende Verzinsung der Sparguthaben wird laut Analysedienstleister Assekurata dieses Jahr auf 3,3 Prozent fallen.
Das wären 0,2 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, der Rückgang hätte sich damit erneut beschleunigt. Neukunden bekommen bei 25-jähriger Laufzeit aktuell noch eine garantierte Verzinsung ihrer Gesamtbeiträge von schlappen 0,4 Prozent. Würden die Lebensversicherer weiter ihre aktuellen Überschüsse auszahlen, kämen 2,9 Prozent Rendite zusammen. Dabei drücken allein die Kosten die Rendite um 0,8 Prozentpunkte.
Abhängigkeit von Zinsen
Schon das ist kaum ein Grund zum Abschluss. Doch dass es bei konstanten Überschüssen bleibt, ist zudem extrem unwahrscheinlich. Denn die Lebensversicherer hängen fast komplett von einer einzigen Größe ab: den Zinsen.
80 Prozent und mehr ihrer Kapitalanlagen - dahinter steckt ganz überwiegend das Geld der Kunden - sind zu einem festen Zins angelegt. Das Problem ist nur, dass die Zinsen seit September 1981, also seit fast 34 Jahren, nur eine Richtung kennen: im Trend nach unten.
Deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind von etwa 11,4 Prozent Rendite pro Jahr 1981 auf aktuell 0,3 Prozent Rendite gefallen - ein Rückgang der Jahresrendite um 97 Prozent. Laut historischen Daten war die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen seit 1815 nie unter drei Prozent gefallen (die Hyperinflation 1923 ist dabei ausgeklammert).
Das hatte nur bis zur Finanzkrise 2008/2009 Bestand. 2012 wurde dann auch die 2-Prozent-Schwelle dauerhaft durchbrochen, seitdem ging es stetig weiter runter.





Klar, auch die Inflation ist seit Anfang der Achtzigerjahre deutlich gefallen, aber am Grundproblem der Lebensversicherer ändert das nichts. Sie müssen die den Kunden gemachten Zusagen erfüllen. Und das wird immer mehr zum Problem.
Im Schnitt haben die Lebensversicherer ihren Kunden garantiert, die im Vertrag angesparten Gelder - also alles, was von den Sparbeiträgen nach Abzug der Kosten übrig bleibt -, mit gut drei Prozent zu verzinsen. So viel werfen die zehnjährigen Bundesanleihen aber eben nicht mehr ab.
Vorerst ist das kein Problem: Zum einen legt kein Lebensversicherer alles in zehnjährigen Bundesanleihen an, zum anderen ist eine Stärke der Lebensversicherung immer ihr langfristiger Charakter. Konkret: In Phasen mit miesen Kapitalerträgen bekommen Kunden mehr als aktuell erwirtschaftet, in guten Zeiten eben weniger.