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Niedrigzinsen Das Ende der Lebensversicherung (wie wir sie kennen)

Aufmacherbild Lebensversicherer Quelle: Getty Images

Alte Garantien werden durch Niedrigzinsen zur erdrückenden Last, selbst ein schneller Zinsanstieg wäre ein großes Problem: Die klassische Lebensversicherung hat kaum eine Überlebenschance.

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Die Nerven in der Lebensversicherungsbranche liegen blank. Kritische Berichte, wie jüngst etwa in der Zeitschrift "Ökotest", führen zu heftigen Reaktionen auf Seiten der Versicherer.

Die Rollen von Gut und Böse, von Recht-Habern und Wahrheits-Verdrehern sind dabei aber nicht eindeutig verteilt. Auf beiden Seiten werden die Fakten teils einseitig beleuchtet und sind zu oft von einer feststehenden Meinung beeinflusst.

Das Gerede von den gierigen Versicherern und den geprellten Kunden geht am Kern des Problems vorbei. Das ist gefährlich. Denn die Lage der Lebensversicherung ist ernst. Gerade jetzt wäre daher der Zeitpunkt, offen über die Probleme der Branche zu diskutieren und Lösungsansätze für den - ohne jede Frage vorhandenen - Vorsorgebedarf zu suchen.

Tipps: Die richtige Police finden

Versuchen wir es, mit einem kritischen Blick auf einige Probleme der Branche und einer Analyse, warum die Zukunft der Lebensversicherung gefährdet ist.

Aus Kundensicht ist der Befund eindeutig: Die Lebensversicherungen - mit rund 88 Millionen Verträgen immer noch einer der Hauptpfeiler der Altersvorsorge - werfen immer weniger ab. Die laufende Verzinsung der Sparguthaben wird laut Analysedienstleister Assekurata dieses Jahr auf 3,3 Prozent fallen.

Welche Versicherer für die nächsten Jahre gut gerüstet sind, welche Alternativen es zur Lebensversicherung gibt und wie Sie Ihre Altersvorsorge selber bauen, lesen Sie in unserem Dossier zum Download.

Das wären 0,2 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, der Rückgang hätte sich damit erneut beschleunigt. Neukunden bekommen bei 25-jähriger Laufzeit aktuell noch eine garantierte Verzinsung ihrer Gesamtbeiträge von schlappen 0,4 Prozent. Würden die Lebensversicherer weiter ihre aktuellen Überschüsse auszahlen, kämen 2,9 Prozent Rendite zusammen. Dabei drücken allein die Kosten die Rendite um 0,8 Prozentpunkte.

Abhängigkeit von Zinsen

Schon das ist kaum ein Grund zum Abschluss. Doch dass es bei konstanten Überschüssen bleibt, ist zudem extrem unwahrscheinlich. Denn die Lebensversicherer hängen fast komplett von einer einzigen Größe ab: den Zinsen.

80 Prozent und mehr ihrer Kapitalanlagen - dahinter steckt ganz überwiegend das Geld der Kunden - sind zu einem festen Zins angelegt. Das Problem ist nur, dass die Zinsen seit September 1981, also seit fast 34 Jahren, nur eine Richtung kennen: im Trend nach unten.

Deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind von etwa 11,4 Prozent Rendite pro Jahr 1981 auf aktuell 0,3 Prozent Rendite gefallen - ein Rückgang der Jahresrendite um 97 Prozent. Laut historischen Daten war die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen seit 1815 nie unter drei Prozent gefallen (die Hyperinflation 1923 ist dabei ausgeklammert).

Das hatte nur bis zur Finanzkrise 2008/2009 Bestand. 2012 wurde dann auch die 2-Prozent-Schwelle dauerhaft durchbrochen, seitdem ging es stetig weiter runter.

In diese Lebensversicherungen fließt das meiste Geld
Platz 20: Gothaer LebenDie Lebensversicherung ist noch nicht tot. Das Neugeschäft bei den Versicherern läuft immer noch wie geschmiert – trotz aller Unkenrufe. Die Kunden scheinen keine Alternative zur Lebensversicherung zu finden, denn die große Flucht blieb bisher aus. Die Gothaer Lebensversicherung AG bietet für 2014 eine Gesamtverzinsung, einschließlich Schlussüberschussbeteiligung und Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven, in Höhe von 4,20 Prozent für das Neugeschäft. Die laufende Gesamtverzinsung (ohne Schlussüberschussbeteiligung und Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven) sinkt um 0,2 Prozentpunkt auf 3,30 Prozent. Bruttobeiträge 2013: 1,3 MilliardenBruttobeiträge 2012: 1,25 MilliardenVeränderung: + 4,2 ProzentRang (Vorjahr): 20Datenquelle für die Prämieneinnahmen : Zeitschrift für Versicherungswesen, 1. April 2014 Quelle: dpa
Platz 19: Swiss LifeDer Versicherer Swiss Life, der den Finanzvertrieb AWD kaufte und umbenannte, muss noch deutlicher runter, wie das Versicherungsjournal notiert. Für 2013 falle die Überschussbeteiligung auf 3,0 Prozent. Im Vorjahr waren es 3,3 Prozent, davor noch 3,5 Prozent. Und für 2011 schrieb der Schweizer Versicherer seinen deutschen Kunden sogar noch 3,8 Prozent gut. Bruttobeiträge 2013: 1,328 MilliardenBruttobeiträge 2012: 1,33 MilliardenVeränderung: - 0,4 ProzentRang (Vorjahr): 17 Quelle: dpa
Platz 18: Volkswohl Bund LebenDie Volkswohl Bund Lebensversicherung hält ihre Überschussbeteiligung 2014 stabil. Die laufende Verzinsung bleibe bei 3,65 Prozent und die Gesamtverzinsung bei rund 4,3 Prozent, teilte die Gesellschaft mit. Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zahlt das Unternehmen einen vergleichsweise hohen Teil seiner Erträge an die Versicherten aus. Für 2012 lag die Überschussbeteiligung noch bei 4,05 Prozent. Bruttobeiträge 2013: 1,33 Milliarden EuroBruttobeiträge 2012: 1,29 Milliarden EuroVeränderung: + 2,8 ProzentRang (Vorjahr): 19 Quelle: PR
Platz 17: Provinzial Nordwest LebenDer Sparkassenversicherer aus Düsseldorf hat die Überschussbeteiligung erneut recht deutlich gesenkt. Sie liegt nun bei 3,1 Prozent. Das sind 0,3 Prozent weniger als im Vorjahr, als die Zinsgutschrift von 3,75 auf 3,4 Prozent zurückgenommen worden war. Die Gesamtverzinsung betrage nun 3,8 Prozent, davon entfallen auf den Schlussüberschuss 0,2 Prozent und die Beteiligung an den Bewertungsreserven 0,5 Prozent. Im Vorjahr war die Gesamtverzinsung der Provinzial Rheinland um 0,15 Prozentpunkt auf insgesamt 4,1 Prozent gefallen. Bruttobeiträge 2013: 1,46 Milliarden EuroBruttobeiträge 2012: 1,31 Milliarden EuroVeränderung: + 11,4 ProzentRang (Vorjahr): 18
Platz 16: Gothaer LebenDer Lebensversicherer der Signal-Iduna-Gruppe aus Dortmund senkt die Überschussbeteiligung um 0,35 Prozent auf 3,25 Prozent. Einschließlich Schlussüberschuss und Mindestbeteiligung an den Bewertungsreserven ergebe sich für die klassische Rentenversicherung eine Gesamtverzinsung von durchschnittlich 3,6 Prozent, erklärte ein Sprecher des Stadionsponsors von Borussia Dortmund. Bruttobeiträge 2013: 1,49 Milliarden EuroBruttobeiträge 2012: 1,40 Milliarden EuroVeränderung: + 6,3 ProzentRang (Vorjahr): 16 Quelle: dapd
Platz 15: Sparkassenversicherung (SV) LebenDie SV hält die laufende Überschussbeteiligung ihrer Lebens- und Rentenversicherungen für das nächste Jahr konstant - auf niedrigen 3,05 Prozent. Bruttobeiträge 2013: 1,88 Milliarden EuroBruttobeiträge 2012: 1,64 Milliarden EuroVeränderung: + 14,5 ProzentRang (Vorjahr): 15 Quelle: dpa
Platz 14: Alte Leipziger LebenDer mittelgroße, aber sehr kapitalstarke Lebensversicherer sendet ein Zeichen der Stabilität. Die Überschussbeteiligung, die im Vorjahr deutlich von 3,85 Prozent auf 3,35 Prozent gesenkt worden war, bleibt für 2014 stabil. Dieser Versicherer veröffentlichte seine Zahlen erneut als einer der ersten in der Branche. Das Signal an die Konkurrenz: Wir waren im Vorjahr vorsichtig, nun profitieren wir davon. Noch ist die Marke von drei Prozent kein Thema. Bruttobeiträge 2013: 1,91 Milliarden EuroBruttobeiträge 2012: 1,81 Milliarden EuroVeränderung: + 5,5 ProzentRang (Vorjahr): 14

Klar, auch die Inflation ist seit Anfang der Achtzigerjahre deutlich gefallen, aber am Grundproblem der Lebensversicherer ändert das nichts. Sie müssen die den Kunden gemachten Zusagen erfüllen. Und das wird immer mehr zum Problem.

Im Schnitt haben die Lebensversicherer ihren Kunden garantiert, die im Vertrag angesparten Gelder - also alles, was von den Sparbeiträgen nach Abzug der Kosten übrig bleibt -, mit gut drei Prozent zu verzinsen. So viel werfen die zehnjährigen Bundesanleihen aber eben nicht mehr ab.

Vorerst ist das kein Problem: Zum einen legt kein Lebensversicherer alles in zehnjährigen Bundesanleihen an, zum anderen ist eine Stärke der Lebensversicherung immer ihr langfristiger Charakter. Konkret: In Phasen mit miesen Kapitalerträgen bekommen Kunden mehr als aktuell erwirtschaftet, in guten Zeiten eben weniger.

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