Niedrigzinsen Girokonten könnten teurer werden

Die Niedrigzinsen setzen den Banken zu. Sie wollen deshalb im Zahlungsverkehr die Erträge steigern – womöglich um fünf Milliarden Euro bis 2020, schätzen die Berater von Oliver Wyman. Das heißt: Girokonten werden teurer.

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Die Banken erhöhen ihre Gebühren. Diese Entwicklung dürfte noch länger anhalten. Selbst für das Geld abheben an Automaten der eigenen Bank müssen Kunden in Einzelfällen schon bezahlen. Quelle: dpa

Frankfurt Die deutschen Banken stehen vor schwierigen Zeiten. Schuld daran sind vor allem die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank. Geldhäuser in Deutschland trifft das besonders, weil der Großteil ihrer Erträge aus dem Geschäft mit Krediten und Einlagen stammt.

Gut 70 Prozent der Erträge der Branche stammen aus Zinsüberschuss. Im Fall von Sparkassen und Volksbanken liegt der Anteil noch etwas höher. Die Sparkassen rechnen damit, dass ihr Ergebnis vor Bewertung in diesem Jahr „um einige hundert Millionen niedriger“ ausfallen wird als 2015, wie Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon diese Woche sagte. Um sich dagegen zu stemmen, bleibt dem Kreditinstituten wenig übrig: Sie müssen sparen oder mit anderen oder zusätzlichem Geschäften mehr verdienen.

Auf der Kostenbremse stehen viele Banken bereits. Sie schließen etwa Filialen in großem Stil, auch Jobs werden bereits gestrichen. Zugleich allerdings müssen die Geldhäuser in die Digitalisierung ihrer Prozesse investieren. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman rechnet daher damit, dass Banken ihre Erträge im Zahlungsverkehr, also rund um Konto und Karten, deutlich steigern können.

Konkret erwartet Oliver Wyman, dass die Erträge im deutschen Privatkunden-Zahlungsverkehr von heute rund 7,4 Milliarden Euro auf bis zu 12,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 klettern könnten.

In einem zweiten Szenario würden die Erträge auf gut elf Milliarden anwachsen. Von dem Plus würden in erster Linie Banken, aber auch Kreditkartenanbieter und Dienstleister rund um das Kartengeschäft profitieren. Für ganz Europa könnte der Zuwachs der Oliver-Wyman-Studie zufolge bei fast 20 Milliarden Euro liegen.

Der entscheidende Treiber dabei: die Preise für Girokonten. Etwa die Hälfte der zusätzlichen Erträge könnten aus den Kontogebühren kommen. „Wir gehen davon aus, dass die Gesamterträge aus Kontoführungsgebühren bis 2020 um jährlich zehn Prozent steigen“, sagt Oliver-Wyman-Partner René Fischer. Das heißt aus Kundensicht: Sparer müssen sich auf weitere Gebührenerhöhungen bei Girokonten einstellen.

„Die Banken müssen mehr im Zahlungsverkehr verdienen, damit sie profitabel bleiben. Dazu gehört auch, dass sie die Preise für Girokonten weiter anheben“, so Fischer. Auch sein Kollege, Gökhan Öztürk, ebenfalls Wyman-Partner, erwartet steigenden Gebühren. „Aber es wird letztlich auch ein paar Banken geben, die Girokonten weiter gratis anbieten.“


Die größten Sparkassen erhöhen die Gebühren

Zahlreiche private Banken, Sparkassen und Volksbanken haben in den vergangenen Monaten bereits Girokonten verteuert. Zählt man die aus einer Landesbank hervorgegangene Berliner Sparkasse mit, haben acht der zehn größten Sparkassen dieses Jahr Gebührenerhöhungen angekündigt und weitgehend auch schon umgesetzt. Dazu kommt die Sparkasse Köln Bonn, die bereits 2015 gehandelt hat.

Auch kostenlose Girokonten gibt es immer seltener. Die Postbank, die 1998 ein Gratiskonto eingeführt hatte und damit als Vorreiter in Deutschland galt, verabschiedet sich weitgehend von der Gratisvariante. Für das klassische Konto Giro plus verlangt sie seit November 3,90 Euro monatlich. Gratis bleibt es nur ab einem Geldeingang von 3.000 Euro, bislang liegt die Grenze bei 1.000 Euro pro Monat.

Andere Geldhäuser begrenzen Kostenlosangebote. Bei der Sparda-Bank Münster ist ab kommendem Jahr nur noch das Onlinekonto gratis. Andere Sparda-Banken bieten weiterhin normale Girokonten ohne Monatsgebühren an, haben aber teils einen Preis für die EC-Karte eingeführt.

„Wir stehen erst am Anfang einer großen Welle von Gebührenerhöhungen“, prophezeit Holger Sachse, Partner der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG). Er hält das für ein „absolutes Muss“. Auch Sachse erwartet, dass selbst viele der Banken, die jetzt schon die Preise angehoben haben, „in einer neuen Runde einzelne Buchungen oder Posten verteuern“ werden.

Wie groß der Anteil der Banken an den Erträgen im Zahlungsverkehr sein wird, hängt allerdings auch von einer gesetzlichen Vorgabe ab. Im kommenden Jahr wird die neue EU-Zahlungsdiensterichtlinie, auch PSD2 genannt, umgesetzt. Sie dürfte den Markt drastisch verändern und das Volumen im digitalen Zahlungsverkehr deutlich erhöhen. Ein Aspekt ist, dass Banken ihre Schnittstellen für Wettbewerber, aber auch für Finanztechnologiefirmen, kurz Fintechs, offenlegen müssen.

Für die Geldhäuser bringt das Risiken mit sich, weil Fintechs direkten Zugang zu den Bankkunden haben werden und sich auch neue Spieler als Mittler zwischen Bank und Händler betätigten könnten. Zugleich könnten Banken ihren Kunden auch neue Dienstleistungen anbietet. Öztürk sieht daher auch „große Chancen“. „Für die Banken ist es die Gelegenheit, sich mehr auf die Kunden zu fokussieren und Vertrauen zurückzugewinnen.“

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