Nullzinsphase Unzufriedene Sparer, glückliche Urlauber

Die Deutschen sparen fleißig, daran ändert auch die Nullzinsphase wenig. Doch fast 80 Prozent sind unzufrieden mit ihrer Rendite. Liegt es daran, dass die meisten lieber für den Urlaub sparen als fürs Alter?

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Die Deutschen lassen sich ihren Urlaub einiges kosten. Für die schönsten Wochen im Jahr sparen viele regelmäßig. Quelle: TripAdvisor

Düsseldorf Die schönsten Wochen des Jahres sind für viele die Urlaubszeit. Die Deutschen lassen sich ihre Reisen einiges kosten, ihre Urlaubskassen sind gut gefüllt. Im Schnitt geben sie 4307 Euro pro Jahr für Strandurlaube auf den Balearen oder in der Karibik, Sportwochen in den Bergen oder an der See und Kulturtrips in tolle Städte sowie ferne Länder aus. Viele sparen sogar extra dafür – lieber übrigens als für die private Altersvorsorge. Das zeigt das aktuelle Anlegerbarometer der Fondsgesellschaft Union Investment.

Jeder Zweite hat in der Vergangenheit bereits ganz gezielt für eine größere Reise gespart. Knapp jeder Vierte legt derzeit monatlich Geld für seinen Urlaub zurück, ohne eine konkrete Reise gebucht zu haben. Von den Anlegern, die regelmäßig für die freien Tage sparen, stockt mehr als die Hälfte die Urlaubskasse um 50 bis 200 Euro im Monat auf. 38 Prozent sparen monatlich sogar mehr als 200 Euro.

Doch nicht nur, dass die Deutschen lieber für den Urlaub als fürs Alter sparen. Fast ein Drittel würde auch auf andere Ersparnisse oder finanzielle Reserven zurückgreifen, um nicht ganz auf den Urlaub verzichten zu müssen. Für 68 Prozent ist das aber keine Option. Und auch Urlaub auf Pump lehnen die Deutschen ab. Lediglich drei Prozent würden sich Geld bei der Bank leihen, um in den Urlaub zu fahren. Für das Anlagebarometer werden quartalsweise 500 Finanzentscheider aus privaten Haushalten im Alter von 20 bis 59 Jahren vom Marktforschungsinstitut Forsa befragt.

Dass die meisten Deutschen lieber für die schönste Zeit des Jahres als für die eigene Rente sparen, ist keine große Überraschung. Angeblich wenden die Deutschen auch viel mehr Zeit für den Autokauf auf als für ihre Anlagestrategie. „Viele Menschen leben im Hier und Jetzt“, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer von Union Investment. „Sie möchten den Augenblick genießen, ohne sich dabei Sorgen über die Zukunft machen zu müssen.“ Hirnforscher würden das so erklären: Das menschliche Gehirn ist auf die schnelle Belohnung gepolt. Der nächste Urlaub und das neue Auto machen eben mehr Spaß, sind zeitnah erlebbar. Anders als ein Sparplan oder eine Versicherungspolice.

Hinzu kommt, dass es keine Zinsen mehr gibt. Das fördert das Konsumverhalten, wie das Income-Barometer von JP Morgan Asset Management belegt. Mehr als drei Viertel der Deutschen sind demnach mit der Entwicklung ihrer Sparprodukte unzufrieden. Nur jeder Fünfte ist zufrieden. Doch die Bereitschaft, die vermeintlich „sicheren Häfen“ zu verlassen, bleibt nach wie vor gering. Schlimmer noch: Angesicht der aktuellen Zinssituation findet fast die Hälfte der mehr als 1800 Befragten, dass es derzeit schlauer ist, größere Anschaffungen zu machen, als ihr Geld anzulegen. Oder in den Urlaub zu fahren.

Auf die Frage, wie sie 50.000 Euro nutzen würden, wenn diese zur freien Verfügung stünden, antworteten 49 Prozent, dass sie sich sofort Wünsche erfüllen würden. Rund ein Drittel würde das Geld so sichern, dass die Kaufkraft erhalten bleibt, also konservativ anlegen. Zwölf Prozent würden den reinen Kapitalerhalt „auf dem Papier“ anstreben, also klassisch vermehren.

Dass die Deutschen weiterhin in ihrer Spar-Mentalität verhaftet sind, kann Pia Bradtmöller, Leiterin Marketing bei JP Morgan, nicht verstehen. „Rational lässt es sich nicht wirklich begründen, dass 78 Prozent der Befragten mit dem Ertrag ihrer Sparprodukte unzufrieden sind, sie aber trotzdem lieber auf Rendite verzichten, als auf die Chancen der Kapitalmarkterträge zu setzen“, sagt sie. „Auch wenn diese zugegebenermaßen ein höheres Risiko aufweisen, heben sich die Marktschwankungen ja gerade über die längeren Anlagezeiträume hinweg auf, wie Zeitreihen belegen.“ Gerade bei der Altersvorsorge macht sich das bemerkbar.

Sparer sollten die eigene Rente nicht ganz aus den Augen lassen, warnt Gay von Union Investment. „Denn nur wer heute schon bereit ist für morgen zu sparen, wird auch seinen aktuellen Lebensstandard im Alter halten können.“ Und dazu gehört für viele auch der ein oder andere Urlaub.

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