Offene Immobilienfonds Risse hinter glänzenden Fondsfassaden

Krisenfonds verkaufen Bürohäuser, um Anleger auszahlen zu können. Ihre Immobilien müssen sie zuvor massiv abwerten. Die Fonds der großen Bankengruppen dagegen weisen unverdrossen Kursgewinne aus. Haben sie wirklich günstiger eingekauft - oder zögern sie Abwertungen nur hinaus?

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Grafik: Immobilienfonds und -aktien im Vergleich

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern: Als er noch für die Deutsche Bank arbeitete, warnte Walter Klug seine Kollegen vor Größenwahn. Niemand habe die Kompetenz, neben dem Immobilienmarkt in Westeuropa" auch die Marktentwicklung in Asien oder in den USA richtig einzuschätzen". Ab 2005, als Geschäftsführer des Morgan-Stanley-Immobilienfonds, kaufte Klug dann aber weltweit fröhlich ein, für 2,2 Milliarden Euro; in Europa, Japan, Hongkong, Singapur und den USA. Er kaufte zu viel und zu teuer: Im Krisen-September 2008 forderten Anleger massiv ihr Geld zurück. Morgan Stanley aber machte den Fonds P2 Value dicht, nimmt seither keine Anteilsscheine mehr zurück. Notverkäufe und massive Abwertungen minderten das Vermögen des einst als sicher eingeschätzten Fonds seither um 50 Prozent.

87 Milliarden Euro stecken heute in offenen Immobilienfonds. In Fonds, die per Gesetz als mündelsichere Anlagen definiert sind, als Witwen- und Waisenpapiere. Doch die Waisen sitzen auf dem Trockenen: Neun Immobilienfonds und ein milliardenschwerer Immobilien-Dachfonds von Allianz Global Investors zahlen Anleger zurzeit nicht mehr aus. Mit den zwei schlechtesten Fonds, Degi Europa und Morgan Stanley P2 Value, haben Anleger allein seit Januar 23 und 37 Prozent verloren.

Dickschiffe mit Wertsteigerungen

Erstaunlich: Die Dickschiffe unter den 22 für Privatanleger relevanten Fonds weisen weiter Wertsteigerungen aus. Anleger, animiert von Bankberatern, die weiter das Hohelied vom sicheren Fonds singen, zahlen bei Deka, Union Investment und der Deutsche-Bank-Tochter RREEF weiter neue Gelder ein. Unterm Strich flossen ihren Immobilienfonds in diesem Jahr 2,6 Milliarden Euro zu. Notverkäufe und harte Abwertungen von Immobilien, die zu einem wenig verkaufsfördernden Verfall der Anteilspreise führen würden, scheinen bei den großen Fonds nicht notwendig. Es fließt ja immer genügend Geld nach.

Doch daran, ob die von den Fonds angeheuerten Sachverständigen die Immobilien wirklich objektiv bewerten, bestehen erhebliche Zweifel. Wie es um den Markt für Bürogebäude wirklich steht, ahnt jeder, der mit offenen Augen durch Frankfurt, Brüssel oder Singapur geht und überall leerstehende Etagen und die Verzweiflung ausstrahlenden Reklametafeln der Makler sieht.

Gestützt werden diese Ahnungen durch die Zahlen der Fonds, die dichtgemacht wurden. Auffälligerweise sind es die Fonds von Instituten, die sich in Deutschland nicht auf einen flächendeckenden Filialvertrieb großer Mutterbanken und ein Heer willfähriger Bankberater stützen können: die zur britischen Aberdeen-Gruppe gehörende Degi, KanAm, SEB, Credit Suisse, Morgan Stanley, TMW Pramerica, Axa Investment Managers und die UBS. Die Schweizer machten ihren Fonds am vergangenen Donnerstag dicht.

Fondsgesellschaften stufen Werte ab

Bei den notleidenden Fonds zeigt sich, dass die früheren Gutachten der Sachverständigen nicht das Papier wert waren, auf das sie geschrieben waren. Immobilien wurden erst mit zweistelligen Raten abgewertet, als die Fonds geschlossen waren und ihre Manager keine Angst mehr haben mussten, dass Anleger davonlaufen.

Und so stuft der Degi-Europa-Fonds seinen Millenium Tower in Rotterdam in diesem Sommer um 18 Prozent ab. Das "Westend-Gate" genannte Hochhaus in Frankfurt, weit sichtbar durch den roten Marriott-Schriftzug, rutscht im Preis von 242 auf 193 Millionen Euro, um satte 20 Prozent. Ende September verliert das Einkaufscenter Hürth Park nahe Köln 14 Prozent an Wert. Westend-Gate und Hürth Park gehören seit den Achtzigerjahren zum Fonds, mit ihnen hätten die Gutachter also vertraut sein müssen. Am 29. September, einen Tag vor dem Ende des Degi-Geschäftsjahrs, wurde dann noch mal ein Drittel des Fondsvermögens des Degi Europa neu bewertet. Der Fondskurs sank an dem Tag um 3,2 Prozent. Binnen eines Jahres verlor der Fonds 23 Prozent. Die in ihm gefangenen Anleger konnten nur tatenlos zusehen oder über die Börse mit hohen Kursabschlägen verkaufen.

Wie aber konnten dann Milliardenfonds wie der Hausinvest Europa (Commerzbank) und der Deka-Immobilien Europa (Sparkassen) in den vergangenen zwölf Monaten drei Prozent zulegen?

Capital House in London

Grundsätzlich gilt: Wie viel ein Gebäude wert ist, legen Sachverständige mindestens einmal im Jahr neu fest. Wichtige Einflussgrößen sind Mieteinnahmen und Rendite. Die Mietrendite, die auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet wird, entscheidet darüber, wie ein Fonds Abwertungen verkraften kann. "In einem gut gemischten, großen Portfolio kann eine Wertkorrektur bei den Immobilien vorgenommen werden, ohne dass der Fonds gleich ins Minus rutscht", sagt Sonja Knorr, Leiterin Immobilienanalyse bei der Ratingagentur Scope. Bei sechs Prozent Mietrendite bleibt nach Abzug von vier Prozent noch ein Plus. So lange tatsächlich Miete fließt, kann nicht viel passieren. Nur: Wenn der Mieter auszieht, droht Ungemach. Die Miete entfällt, zusätzlich müsste der Bestand abgewertet werden. Die durchschnittliche Restlaufzeit der Mietverträge und die Leerstandsquote sind deshalb wichtige Kenngrößen zur Einschätzung von Fonds. Längst nicht bei allen können diese überzeugen.

Sachverständige müssen in Zukunft Immobilienwerte monatlich zumindest schätzen. Das Hauptproblem der Bewertung ist damit aber nicht gelöst: „Die Gutachter leben von Aufträgen der Fondsgesellschaften, da können sie nur bedingt unabhängig sein“, sagt der Vorstand eines Frankfurter Vermögensverwalters.

Gutachter beurteilen unterschiedlich

"Zwar müssen sich alle Gutachter an die Wertermittlungsverordnung halten, aber sie lässt Gestaltungsspielraum. Dies zeigt sich zum Beispiel beim Vergleich der Fondsimmobilien der Deutschen Bank, deren Wert kontinuierlich an das Marktniveau angepasst wurde, mit denen von Morgan Stanley, die in kurzer Zeit mehrmals abgewertet wurden", sagt Wolfgang Kubatzki, Leiter Real Estate bei Feri Euro Rating Service. Die Fonds nutzen ihren Spielraum und machen auch mal Druck.

Bei Morgan Stanley etwa wurde 2009 der Büroklotz Blue Tower in Brüssel von Sachverständigen auf 102 Millionen Euro abgewertet. Dem Management war das offenbar zu viel. Es diagnostizierte einen Interessenkonflikt und berief neue Gutachter. Die verstanden: In den Büchern steht der Turm jetzt mit 108 Millionen Euro.

Gebäude in ähnlicher Lage werden von Gutachtern ganz unterschiedlich behandelt. Die Frankfurter Deka-Immobilie "Poseidon" in der Theodor-Heuss-Allee war den Sachverständigen im Jahr 2003 noch 148 Millionen Euro wert. Bis September 2009 wurde Poseidon auf 82 Millionen Euro abgewertet. Die Lage, gegenüber der Messe, umgeben von Ausfallstraßen, macht die Büros nicht attraktiv.

Die Gutachter der Degi haben das offenbar nicht erkannt. Eine ebenfalls in der Theodor-Heuss-Allee gelegene Degi-Immobilie wurde erst kürzlich um sechs Prozent abgewertet. Dass es dem Nachbarn erst jetzt schlecht geht, macht das Deka-Investment aber nicht besser: Bisher standen dort 23 Prozent leer, 2011 zieht Hauptmieterin Commerzbank auch noch aus.

Leerstände nehmen zu

Bedenklich: Die Leerstände nehmen zu. Aus dem Komplex "Undine" im Frankfurter Mertonviertel zum Beispiel, den der SEB Immoinvest noch mit 100 Millionen Euro in den Büchern führt, zieht zum Jahresende die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus. Die Leerstandsquote des Fonds von zuletzt neun Prozent dürfte dann weiter steigen. PwC verlässt gleichzeitig eine benachbarte kleinere Deka-Immobilie, deren Wert im Deka-Immobilien Europa noch mit 25 Millionen Euro taxiert wird. Schon jetzt haben von den 160 Immobilien des Fonds 19 einen Leerstand von über 33 Prozent.

Das gleiche Bild im europäischen Ausland: In Brüssel etwa gilt der Standort Rue de Genève unter EU-Beamten als die Höchststrafe: weit ab vom Schuss, keine Metro, keine Restaurants für die Mittagspause. Dort hat der Degi Europa in den Büroklotz Tour Leopold investiert, der nur zu 75 Prozent vermietet ist und kürzlich um ein Viertel abgewertet werden musste. Selbst in begehrterer Lage, am Rand des Brüsseler Europa-Viertels, in der Avenue des Arts, hat der SEB Immoinvest danebengegriffen. Gleich auf fünf Klingelschildern des neunstöckigen Nachkriegsbaus, dessen Betonfassade mit Kieselsteinen beklebt wurde, fehlt ein Name. Rund 60 Prozent der Flächen stehen leer.

Auch außerhalb Europas haben sich Fondsmanager böse verhauen. Der Hausinvest Global etwa kaufte 2008 zwei Neubauten in Singapur. Der Büroturm Robinson Road wurde erst Ende 2009 fertiggestellt und hätte dann vermietet werden sollen. Drei Etagen wurden als Bankhandelsräume geplant, doch die wurden nicht gebraucht. Das zu knapp 50 Prozent über Kredite finanzierte Gebäude steht noch zur Hälfte leer. Für die andere Hälfte fließt Miete teilweise erst ab 2011. Mit zweifelhaften 342 Millionen Euro stand die Singapur-Immobilie zuletzt noch zum Anschaffungspreis in den Büchern und machte zehn Prozent des Fondsvermögens aus. Nicht einmal die beim Kauf angefallenen Nebenkosten wurden abgeschrieben.

Commerz Real und Deka kaschieren Probleme, indem sie Fonds zusammenwerfen. 2009 verschmolz die Deka ihren eher schwachen und auf deutsche Immobilien konzentrierten Fonds mit dem Europaportfolio zum Deka-Immobilien Europa. Am 1. Oktober 2010 entstand aus dem Hausinvest Europa und dem Hausinvest Global der Commerz Real ein Riese aus rund 130 Immobilien in 19 Ländern mit einem Volumen von elf Milliarden Euro. Konsequenz: Die Probleme mit dem Gebäude Robinson Road in Singapur belasten jetzt gezwungenermaßen Anleger, die mit dem Europafonds eigentlich Asienrisiken vermeiden wollten.

Robinson Road in Singapur

"Ich erwarte nicht, dass sich an wichtigen europäischen Bürostandorten der zuletzt gestiegene Leerstand rasch wieder verringert", sagt Sonja Knorr von Scope. "Unternehmen haben Personal abgebaut und werden nicht in kurzer Zeit wieder den alten Personalbestand erreichen." Laut Maklerhaus JonesLangLasalle (JLL) sind die Leerstände an den wichtigen deutschen Bürostandorten im dritten Quartal 2010 sogar noch gestiegen und die Spitzenmieten gesunken. Üblicherweise reagiert der Immobilienmarkt mit zwei Jahren Verzögerung auf Konjunkturumschwünge. Laut JLL gibt es nur in der Londoner City aktuell schon einen Mietpreisanstieg. In anderen europäischen Metropolen fallen die Mieten – allerdings langsamer als im Vorjahr.

Künftig könnten auch Finanzierungsprobleme drücken. Fonds kaufen Immobilien zum Teil auf Kredit. "Wenn die EU die Eigenkapitalvorschriften für die Banken bei der Vergabe von Immobilienkrediten verschärfen wird, verteuert sich in Zukunft auch die Fremdfinanzierung für die Fondsgesellschaften", sagt Scope-Analystin Knorr. Gleichzeitig müssen Banken Immobilien von Schuldnern verwerten, die ihre Kreditraten nicht mehr zahlen können. Prestigebauten wie die Frankfurter Welle und das Berliner Kranzler Eck gehören Banken. Kommen sie wieder auf den Markt, drückt das die Preise.

Besonders leiden Fonds von KanAm, Morgen Stanley und Degi. Sie haben keinen starken Vertrieb und nur wenige Bankberater, die Anleger bei der Stange halten oder neu in Fonds drängen.

Morgan Stanley-Manager umwerben Anleger

Die Degi wurde 2008 von der Dresdner Bank an die britische Aberdeen-Gruppe verkauft. Dresdner-Bank-Berater landeten im selben Jahr bei der Commerzbank und verkaufen jetzt lieber den hauseigenen Hausinvest von Commerz Real als die Degi-Fonds. Ergebnis: Der Commerzbank-Immobilienfonds Hausinvest Europa sammelte lange Zeit Geld ein, während die Degi-Fonds schrumpften – bis sie geschlossen werden mussten. Nach Ankündigung der Fusion von Hausinvest Europa und Global flossen aus beiden 650 Millionen Euro ab. Kunden der Commerzbank wird jetzt ein Umstieg von anderen Fonds in den Hausinvest Europa mit reduziertem Ausgabeaufschlag schmackhaft gemacht. Was der Fonds taugt, scheint für viele Banker zweitrangig.

Spätestens am 1. November müssen der Morgan Stanley P2 Value, ein Fonds von KanAm und der Degi Europa, Anleger wieder auszahlen, wenn diese ihre Fondsanteile zurückgeben. Die Fonds werden dann zwei Jahre geschlossen sein, mehr ist nicht erlaubt. Der Gesetzgeber verlangt danach entweder die Auszahlung verkaufswilliger Anleger oder die Zwangsabwicklung. KanAm hat bereits entschieden, seinen mit US-Immobilien bestückten Fonds bis 2012 zu zerschlagen. Sechs Immobilien für etwa 400 Millionen Euro muss KanAm noch loswerden.

Die Manager von Morgan Stanley, allen voran Ex-Deutschbanker Klug, umwerben gerade ihre Anleger. Dass eine auf 0,4 Prozent halbierte Verwaltungsvergütung und eine prognostizierte Ausschüttungsrendite von fünf Prozent viele Anleger dazu bewegt, den Fonds zu behalten, darf bezweifelt werden. Wenn die Liquidität nach dem 30. Oktober nicht reicht, droht auch hier die Zerschlagung.

Aberdeen demonstriert für den Degi Europa Optimismus, verweist auf die Liquidität von 33 Prozent des Fondsvermögens und zeigt sich zuversichtlich, alle flüchtenden Anleger auszahlen zu können.

Doch die Börsenkurse – die Degi-Fonds werden wie die meisten Fonds zum Beispiel an der Fondsbörse Hamburg gehandelt – signalisieren noch eine immense Unsicherheit: Obwohl der von der Fondsgesellschaft festgestellte Wert aus Immobilien- und Geldvermögen bei 49 Euro pro Anteil liegt, wechseln Fondsanteile an der Börse für nur 37 Euro den Besitzer.

Für risikobereite Anleger wären 32 Prozent Gewinn drin – wenn Aberdeen tatsächlich wiedereröffnet und dann Anteile zu 49 Euro zurücknimmt. Doch Vorsicht: Falls viele Anleger aussteigen und die Liquidität nicht reicht, droht auch dem Degi Europa die Zerschlagung, mit Wartezeiten und Einbußen aus Notverkäufen.

Zu verhindern, dass nach einer Wiedereröffnung von Fonds Anleger in Scharen flüchten, weil keiner der Letzte sein will, den die sprichwörtlichen Hunde beißen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Eine Schlüsselrolle haben hier Großinvestoren wie Vermögensverwalter und Anbieter von Dachfonds. Nur wenn sie stillhalten, dürften Öffnungsaktionen gelingen.

Retten auch die Großen schnellstmöglich ihr Geld, wird das Vertrauen in die Anlageklasse weiter demontiert. Schon heute müssen sich die Fondshäuser der Großbanken einiges einfallen lassen, um Anleger bei der Stange zu halten.

Commerz Real etwa vermittelt Fondssparern jetzt Reisen in die Metropolen, in denen der Hausinvest-Fonds investiert: „Ich habe das Gefühl, dass das Geld der Anleger sehr gut investiert ist“, schwärmt eine Teilnehmerin nach dem Trip "Top-Immobilien und dem Zauber von Paris auf der Spur". Anleger sollten sich davon besser nicht blenden lassen. 

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