Pflege Der Lebensabend wird teurer als gedacht

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Pflegekosten Quelle: Caepsele_Ortwein/Swierczyna

Doch trotz aller Schwierigkeiten halten selbst ausländische Investoren den deutschen Markt für aussichtsreich, wenn man die Pflege nur professionell genug organisiert und neue Marktchancen nutzt. Rund drei Milliarden Euro Eigen- und Fremdkapital wollen heimische und internationale Investoren deshalb in den kommenden fünf Jahren hierzulande investieren, erwartet die Bad Homburger Unternehmensberatung Avivre Consult. Etwa ein halbes Dutzend institutionelle Fondsanbieter spähen schon Kaufgelegenheiten aus.

Seit die Finanzkrise andere Anlagemöglichkeiten wie Aktien, Anleihen oder Gewerbeimmobilien unattraktiv gemacht hat, aber dennoch viel Geld im Markt ist, steigt das Interesse an der Pflegewirtschaft. Denn zumindest aus Sicht der Investoren ist das Schöne am Alter: Gepflegt werden muss fast immer, egal, ob Finanzmärkte kollabieren oder die Konjunktur lahmt.

Die Ausgangslage ist zwar für die Gesellschaft hoch problematisch, aber für die Pflegebranche günstig: Schon in 15 Jahren sollen laut Prognosen doppelt so viel Ältere ab 65 Jahren in Deutschland leben als heute. Schon jetzt sind 2,25 Millionen Bundesbürger dem Leben alleine nicht mehr gewachsen. 1,5 Millionen werden daheim betreut – eine Million ausschließlich von den Angehörigen –, mehr als 700.000 Menschen stationär in rund 11.000 Heimen. Und es werden noch viel, viel mehr: Die Deutsche Bank rechnet in einer Studie mit mehr als 5,5 Millionen über 85-Jährigen im Jahr 2050. In diesem Alter beginnt laut Statistik der Aufenthalt im Pflegeheim.

Oma als Big Business

Zudem steigt die Zahl der hilfsbedürftigen Demenzkranken. Sie füllen zunehmend die Häuser, die für sie oft gar nicht passen, ebenso wie jüngere Schlaganfallerkrankte oder Unfallopfer. Zugleich sinkt die Zahl der hilfreichen Kinder, und die sind oft selbst schon um die 60 Jahre, wenn die Eltern hinfällig werden. Eine Erleichterung könnte die angedachte „Pflegezeit“ verschaffen, wenn sie denn kommt: Maximal zwei Jahre sollen Angehörige ihre Arbeitszeit auf bis zu 50 Prozent reduzieren können, aber 75 Prozent ihres Gehalts beziehen. Zum Ausgleich müssten sie später wieder voll arbeiten bei 75 Prozent des Gehalts, so der Gesetzentwurf von Familienministerin Kristina Schröder (CDU).

Die Bandbreite unter den Seniorenheimen reicht von der familienbetriebenen Pension bis hin zu Postkarten-Idyllen wie die der Augustinum-Kette, die sich als Vier-Sterne-Hotelbetrieb mit allen Serviceleistungen vom täglichen Sportangebot bis zur Pflegestufe 3 verstehen.

694 Euro zahlt Mieter Horn in Potsdam für sein Apartment mit 23 Quadratmetern samt Reinigung, TV, Mittagessen und Notrufdienst. Ein Bewohner des Hamburger Augustinums überweist für ein 1,5-Zimmer-Apartment mit 38 Quadratmetern mit vergleichbaren Leistungen monatlich 2211 Euro Miete. Zudem gewährt er dem Augustinum ein Wohndarlehen von 24.000 Euro – für das ihm monatlich 80 Euro Zinsen gutgeschrieben werden.

Wartelisten für die teuersten Wohnungen

Die Augustinum-Kette mit ihren 22 Häusern agiert als gemeinnützige GmbH. 1954 gründete sie ein Pfarrer zwecks Errichtung eines Schülerheims, heute ist sie Mitglied im Diakonischen Werk der evangelischen Kirche. Sie betreibt nicht nur Altenheime, sondern auch eine Schule für Hörgeschädigte sowie heilpädagogische Einrichtungen.

 Der Markt spreizt sich immer mehr: Einerseits suchen Angehörige und Sozialämter händeringend nach soliden und bezahlbaren Lösungen wie in Potsdam. Andererseits freut sich Augustinum-Sprecher Matthias Steiner: „Die längsten Wartelisten bestehen bei uns für die teuersten Wohnungen.“ Bisher liegt der Marktanteil der Edel-Seniorenimmobilien allerdings erst bei rund vier Prozent. Studien zeigen aber, dass die enormen Preisunterschiede eher aufs Ambiente und die Zusatzangebote denn auf die Qualität der Pflege schließen lassen.

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