Private Krankenversicherung Die ungeliebte Mitteilung am Jahresende

Ein Drittel aller privat Krankenversicherten in Deutschland muss im kommenden Jahr höhere Beiträge zahlen. Auf manchen Kunden kommen so mehr als hundert Euro im Monat zu. Doch es gibt auch Wege, um dagegen zu steuern.

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Nur als Silhouette zu erkennen ist eine Ärztin (r), die im Frankfurter Bürgerhospital einem Patienten das Herz abhört. Neben dem teuren medizinischen Fortschritt belastet die Privaten Krankenkassen schon seit Jahren die anhaltende Niedrigzinsphase. Quelle: dpa

München Die Mitteilungen finden in diesen Tagen über 8,7 Millionen Menschen in der Post. So viele sind in Deutschland bei Privaten Krankenkassen versichert. Diese teilen ihren Kunden jedes Jahr zwischen Ende November und Anfang Dezember mit, wie sehr sich die Beiträge im kommenden Jahr verändern werden. Für viele bleibt alles beim Alten, andere wiederum müssen Steigerungen von teils über hundert Euro im Monat hinnehmen.

Die Aufregung gerade bei ihnen ist Jahr für Jahr hoch. Zumal kein Kunde dauerhaft davon verschont bleibt, selbst wenn für nächstes Jahr die Beiträge auf der Stelle treten. Schließlich ist manch einer noch dabei, den kräftigen Anstieg aus dem vergangenen Jahr zu verkraften. Und wer auch da verschont wurde, der kann sich bereits darauf einstellen, dass er wohl in einem Jahr dran sein könnte.

Dass es irgendwann jeden mit einer größeren Erhöhung trifft, liegt an den Vorgaben, die die Politik den Privaten Krankenkassen einst gemacht hat. Demnach darf eine Beitragsanpassung nur erfolgen, wenn die Versicherungsleistungen in einem Tarif nachweislich um mindestens zehn Prozent über der ursprünglichen Kalkulation liegen. Ein unabhängiger Treuhänder entscheidet darüber. So kann es kommen, dass ein Kunde ein oder mehrere Jahre keine Beitragserhöhungen erhält, weil die Preissteigerungen unter dieser Schwelle liegen und nicht weitergegeben werden. Dann aber wird es für Versicherte schmerzhaft.

Und auch für deren Krankenkassen. Die bekommen den Unmut schließlich zu dieser Jahreszeit regelmäßig zu spüren. Deswegen fordern Kassen wie Verbraucherschützer, dass die Anpassungen in Zukunft jedes Jahr unabhängig von Schwellen durchgeführt werden sollen. Der große Schock für viele Kunden bliebe dann wohl aus. Bisher hatten sie damit jedoch in Regierungskreisen keinen Erfolg.

Dabei hängen die Preissteigerungen auch immer mit dem teuren medizinischen Fortschritt zusammen. Anschaffungen für Geräte, aber auch stetig steigende Kosten für Medikamente machen den Kassen zu schaffen und führen dazu, dass die Schwelle von zehn Prozent manchmal schneller erreicht wird als erwartet. Umgekehrt profitieren die Kunden von einer deutlich besseren medizinischen Versorgung, einer höheren Lebensqualität und womöglich auch einer längeren Lebensdauer.

Im vergangenen Jahr führten die Beitragsanpassungen dazu, dass gut zwei Drittel der Kunden mehr bezahlen mussten. In diesem Jahr gehen die Schätzungen der Branche lediglich in Richtung eines Drittels. Knapp drei Millionen Menschen im Land müssen somit im kommenden Jahr mehr für ihre Private Krankenkasse bezahlen, ist zu hören.

Wie es in einem Jahr aussehen wird, kann heute niemand seriös vorhersagen. „Das Ziel der gesamten Branche muss es sein, dass keine Beitragsanpassung pro Jahr bei mehr als fünf Prozent liegt“, fordert deshalb Andreas Vollmer, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Auf diesem Niveau verteuere sich schließlich auch das Gesundheitssystem im Schnitt pro Jahr. Man würde sich so die Waage halten.

Neben dem teuren medizinischen Fortschritt belastet die Privaten Krankenkassen schon seit Jahren die anhaltende Niedrigzinsphase. Das System sieht vor, dass ein großer Teil der Beiträge aufgespart wird, wenn dann im Alter die Kosten für die Gesundheitsversorgung steigen. Die sogenannten Altersrückstellungen werden dabei am Kapitalmarkt angelegt, darunter sind noch heute viele lang laufende Anleihen, die überdurchschnittlich hohe Zinsen garantieren.

Von denen laufen jedoch jedes Jahr etliche aus. Eine Wiederanlage ist nur noch zu geringeren Zinsen möglich. Die 3,7 Prozent, die im vergangenen Jahr im Schnitt noch erzielt wurden, sind auf Dauer sicherlich nicht zu halten. Auch hier erwächst den Krankenkassen zusehends ein Problem.


Tarifwechsel möglich

All das verdeutlicht den Versicherten zwar die ganze Problematik dieses Themas und schafft auch ein gewisses Verständnis, ändert aber nichts daran, dass viele von ihnen künftig mehr zahlen müssen. Dennoch gibt es auch hier Möglichkeiten, um gegenzusteuern.

Zu den populärsten Varianten, die die Versicherer ihren Kunden bei Anfragen dieser Art gerne anbieten, gehört der Wechsel in einen anderen Tarif. Der kann den gleichen Versicherungsschutz bieten, aber auch eine abgespeckte Form mit weniger Leistungen. Eine Abwägung von Kosten und Nutzen ist damit im Einzelfall nötig. Andererseits finden sich womöglich wirklich schnell Leistungen, die verzichtbar sind. Das mögen bei dem einen die Behandlung beim Heilpraktiker sein, beim anderen das Einzelzimmer bei einem Krankenhausaufenthalt. Auch die Erhöhung des Eigenanteils kann eine Alternative sein. Sollten die finanzielle Not tatsächlich so groß sein, dass sich der Versicherte nur das Allernötigste leisten kann, dann sind auch noch die beiden gesetzlich verankerten Sozialtarife Standard und Basis möglich, die jede private Kasse anbietet.

Wenig ratsam ist dagegen in der Regel der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Zum einen kann so nur ein Teil des angesparten Geldes aus der Altersrückstellung mitgenommen werden. Zum anderen droht in der Regel eine weitere Gesundheitsprüfung.

Dass insgesamt nur knapp über zehn Prozent der Deutschen Mitglied in einer Privaten Krankenkasse sind und die Zahl der Mitglieder damit seit 2012 jedes Jahr leicht sinkt, liegt auch an der ständig steigenden Jahresentgeltgrenze. Erst sie ermöglicht den Zugang in eine Private Kasse. Ist in diesem Jahr noch Verdienst von 57.600 Euro im Jahr nötig, um sich überhaupt mit dieser Frage befassen zu dürfen, so sind es im kommenden Jahr schon 59.400 Euro. Dass wiederum ein Jahr später dann die Marke von 60.000 Euro genommen wird, gilt heute schon vielen in Branche aus ausgemacht.

Selbst wer diese Voraussetzung erfüllt und genug verdient, hat in der Regel eine lange Entscheidungsfindung vor sich. Treffen sollte er die dann im Alter von Anfang bis Mitte Dreißig. Dann profitiert er anfangs noch von geringeren Beiträgen als in der Gesetzlichen Krankenkasse, muss im späteren Alter aber davon ausgehen, dass die Beiträge zur privaten Krankenversicherung unabhängig von seiner persönlichen Einkommensentwicklung steigen. Selbst als Rentner droht ihm laut dem Branchen-Dienst Map-Report ein jährliches Plus von im Schnitt über zwei Prozent.

Versicherungsberater berichten, dass gerade die Frage, ob sie sich auch im Alter ihre Krankenversicherung noch leisten können, für viele Interessierte elementar ist. Wer dann doch lieber in der Gesetzlichen Krankenkasse bleibt, der hatte häufig bei dieser Frage Bedenken. Dabei hat der Gesetzgeber hier schon entgegengewirkt. Wer ab dem Jahr 2000 in die Private Krankenkasse gekommen ist, zahlt zehn Prozent mehr an Beitrag, um dann ab dem 65. Lebensjahr weniger von Beitragssteigerungen betroffen zu sein. Zuvor schon zahlt er ab dem 60. Lebensjahr den Aufschlag von zehn Prozent nicht mehr.

Varianten für die unterschiedliche Ausgestaltung bei einem Beitragsentlastungstarif gibt es mittlerweile etliche. Jeder Versicherer hat hier einen etwas anderen Ansatz. Zum Teil können bis zu hundert Prozent des heutigen Beitrags abgesichert werden. Letztlich ist alles eine Frage des Geldes, was sich ein Kunde leisten will und kann. Die Stiftung Warentest hat erst im September hierzu umfangreich getestet.

BVK-Vize Vollmer gibt seinen privatversicherten Kunden stets einen einfachen und doch treffenden Ratschlag mit auf den Weg: „Man kann eine Private Krankenversicherung nicht zwanzig Jahre in den Schrank stellen, da muss man sich drum kümmern“.

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