Mit dem Smartphone Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder die Migräne bekämpfen? Das mag erstmal unlogisch klingen. Schließlich hält das Handy doch oft vom Schlafen ab, je nach Haltung beim Dauereinsatz fördert es eher die Rückenschmerzen und wer an akuter Migräne leidet, legt das blinkende Gerät auch eher zur Seite.
Doch es gibt immer mehr digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) die genau gegen solche Beschwerden helfen sollen. „Gesundheits-Apps gibt es für zahlreiche Diagnosen“, sagt Dominik Heck vom Verband der Privaten Krankenversicherung. „Es gibt zum Beispiel Anwendungen für die Therapie von Depressionen, Angst- und Schlafstörungen, Rückenschmerzen, Tinitus, Migräne, Adipositas und Diabetes.“ Die Gesundheits-Apps, die bislang in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommen worden seien, würden überwiegend aus diesen Bereichen stammen.
Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz und der Corona-Pandemie haben digitale Gesundheitsanwendungen wie Gesundheits-Apps viel öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Die Anbieter von digitalen Gesundheitsanwendungen sowie die Zahl an Gesundheits-Apps als Versicherungsleistungen nehmen stetig zu. „Auswertungen von Krankenkassen zeigen, dass auch die Zahl der Verordnungen kontinuierlich steigt“, sagt Heck. „In Relation zur herkömmlichen ‚analogen‘ Gesundheitsversorgung spielen Gesundheits-Apps derzeit allerdings nur eine kleine Rolle.“ Trotzdem sieht er einen Trend zu den digitalen Helfern.
Digitalen Gesundheitsanwendungen sind Medizinprodukte mit niedriger Risikoklasse, die auf digitalen Technologien basieren. Sie helfen, bestimmte Krankheiten zu erkennen, überwachen, lindern oder zu behandeln. Seit Oktober 2020 können Ärzte Apps auf Rezept verschreiben. Deutschland ist weltweit das erste Land, in dem die Kosten für die digitalen Helfer durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Digitale Gesundheitsanwendungen, die im DiGA-Verzeichnis stehen, werden in der Regel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. „Darüber hinaus bieten einige Tarife der privaten Krankenversicherung auch Leistungen an für DiGAs, die nicht in diesem Verzeichnis aufgeführt sind, das heißt, die PKV bietet hier einen Mehrwert“, sagt Thorsten Bohrmann, Versicherungsexperte beim Analysehaus Morgen & Morgen (M&M).
Exklusiv für die WirtschaftsWoche hat M&M die Tarife der privaten Krankenversicherung gekürt, die die besten Leistungen für digitale Anwendungen bieten. Die Tarife müssen mindestens vier M&M-Sterne haben. Die digitalen Anwendungen müssen über dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen liegen. Außerdem müssen sie mindestens 500 Euro pro Jahr für weitere digitale Gesundheitsanwendungen über die des GKV-Katalogs hinaus erstatten.
19 Tarife wurden mit einem „Sehr gut“ ausgezeichnet. Die Hallesche führt das Ranking mit zwei Tarifen an, gefolgt von der Allianz und der Axa mit ebenfalls je zwei Tarifen. Die private Krankenversicherung fügt nach und nach die Leistung ‚digitale Gesundheitsanwendungen‘ in ihre Bedingungen ein. „Im Jahr 2021 boten das erst circa 30 Prozent der Anbieter am Markt, Mitte des Jahres 2022 sind es bereits etwa 50 Prozent der Anbieter“, sagt M&M-Versicherungsanalyst Bohrmann. „Ich gehe davon aus, dass hier in naher Zukunft fast 100 Prozent der Anbieter digitale Gesundheitsanwendungen erstatten werden.“
Den Trend zu den digitale Gesundheitsanwendungen bestätigt auch eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom aus dem Juli. Immerhin schon 51 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, eine solche App zu nutzen. Allerdings gibt es in der Bevölkerung auch noch viel Skepsis: Für 45 Prozent sind Gesundheits-Apps auf Rezept nach eigenem Empfinden nicht geeignet.
Versicherer kommen aber nicht darum, neben einer App, über die sie mit ihren Kunden kommunizieren und über die die Police verwaltet wird, weitere digitale Services anzubieten. „Bei vielen Anbietern wurde der Leistungsumfang der Apps inzwischen auf ‚Tele-Medizin‘ ausgeweitet“, bestätigt auch Helmut Zeiß, Spezialist für Krankenversicherungen beim Versicherungsmakler Hoesch & Partner. „Diese reicht von so genannten Online-Sprechstunden bis hin zu einem Angebot an spezifischen Kursen oder Workouts, um Patientinnen und Patienten zu helfen.“ Hinzu kommen Dienstleistungen wie Gesundheitsberatung, die Suche nach einem Arzt vor Ort oder die Vermittlung von Fachärzten.
„In der Regel dienen die Apps weniger dem Angebot von therapeutischen Ansätzen, sondern fokussieren sich eher auf Diagnostik, Gesundheitstipps und Informationen“, so Zeiß. Bei der Auswahl des Versicherers spiele die Möglichkeit zur Nutzung dieser Apps bisher keine wesentliche Rolle.
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