Private Krankenversicherung Wie trickreich Versicherer Tarifwechsel verhindern

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Gegenüberstellung bringt Klarheit

Das Beispiel der Gesundheitsprüfung für Mehrleistungen zeigt, wie wichtig bei einem Tarifwechsel die genaue Gegenüberstellung der Leistungen des alten und des neuen Tarifs ist. Nur so lässt sich feststellen, wie gut oder schlecht das Angebot der Versicherung ist. Viele Versicherte sind damit allerdings überfordert.

Auf diese Weise fällt auch schnell auf, wenn eine Versicherung ihrem Kunden weniger Leistungen als zuvor anbieten will. „Auch das kommt häufig vor“, sagt Verbraucherschützerin Lein. Oft würden die Assekuranzen die Gebühren nur senken, in dem sie die Selbstbeteiligung erhöhten. In dem Fall dürfe selbstverständlich keine erneute Gesundheitsprüfung gefordert werden, da es sich nicht um zusätzliche Leistungen handelt.

Sollten tatsächlich Leistungen weggefallen sein, muss sich der Kunde fragen, ob es sich dabei um existenzielle Behandlungen handelt, wie beispielsweise die ambulante Psychotherapie. Für verzichtbar halten Experten dagegen etwa die Bezahlung eines Einbettzimmers im Krankenhaus, hier ließen sich also möglicherweise Kosten sparen. Wer wirklich nicht auf vollkommene Ruhe im Krankenhaus verzichten will, kann immer noch den Aufschlag vom Zwei- auf das Einbettzimmer privat übernehmen. Selbst bei längeren Aufenthalten sehen Experten eine Ersparnis gegenüber PKV-Tarifen, die diese Leistung umfassen.  

Das geben Krankenkassen zurück
Es ist ein Achtungserfolg für Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP): Als erste der großen Krankenversicherungen gibt die Techniker-Krankenkasse seinem Drängen nach und zahlt bis zu 720 Millionen Euro an ihre Versicherten zurück. Die anderen Kassen mauern - noch... Quelle: dapd
Der neue Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagte den sechs Millionen Mitgliedern jeweils zwischen 60 und 120 Euro an Rückzahlungen zu. Bislang waren allenfalls kleinere Kassen mit insgesamt einer Million Mitgliedern dem Aufruf von Bahr gefolgt. Die anderen verschränkten die Arme über dem Bauch. Auch gestern blieben viele Kassen bei ihrer negativen Haltung gegenüber Rückzahlungen... Quelle: dpa
DAK: Kein Zusatzbeitrag mehrDie Deutsche Angestelltenkrankenkasse kommt aus einem tiefen Tal. Als eine der ersten Kassen musste die DAK vor über zwei Jahren einen Zusatzbeitrag fordern. "Bei uns redet niemand über Prämien an unsere Versicherten. Wir haben unsere Prämie längst gezahlt, indem wir zum ersten April 2012 diesen Zusatzbeitrag von acht Euro wieder abgeschafft haben", kommentiert denn auch ein Sprecher die Ankündigung der Techniker Krankenkasse. Quelle: dpa
DAK: Kein Zusatzbeitrag mehrTatsächlich war das ein großer Erfolg für die Kasse, die wegen des Zusatzbeitrags mehrere Hunderttausend Mitglieder verloren hat. Viele Experten hatten Zweifel, ob die DAK das laufende Jahr ohne neue rote Zahlen überstehen würde. Diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Nach einem Plus von 344 Millionen Euro 2011 schloss sie auch das erste Halbjahr 2012 mit einem Plus von mehr als 100 Millionen Euro ab. Ihre Rücklagen liegen damit jedoch weiter weit unter der Grenze, ab der das Sozialgesetzbuch eine Prämienausschüttung erlaubt. Quelle: dpa
Barmer GEK: kein Geld für PrämienDie Barmer GEK gehört wie die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) zu den großen Kassen, die sich umfangreiche Filialnetze und eine intensive Betreuung ihrer Versicherten leisten. Dies ist neben Verzerrungen im Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen ein Grund, warum die Barmer trotz des Geldregens, der seit fast zwei Jahren über das Gesundheitssystem niedergeht, keine soliden Rückladen bilden kann Quelle: dpa
Barmer GEK: kein Geld für PrämienDie Kasse ist grundsätzlich wenig geneigt, ihren Versicherten Boni zu zahlen. Dabei gehe es am Ende nur um wenige Euro, die der einzelne Versicherte kaum spüren würde, sagte Barmer-Sprecher Athanasios Drougias. "Das ist weniger als die Zwiebeln auf einem Döner." Der Barmer sei ein attraktives Leistungsportfolio wichtiger. Quelle: dpa
KKH-Allianz: Finanzausgleich funktioniert nichtNach einem Einnahmeüberschuss von 140 Millionen Euro 2011 war es schon mutig von der KKH Allianz, ihren zwei Jahre lang geforderten Zusatzbeitrag von acht Euro zum 1. März aufzuheben. Zwar liegen die Reserven der ehemaligen Kaufmännischen Krankenkasse Halle deutlich über der gesetzlichen Mindestreserve von einer viertel Monatsausgabe. Aber für Prämien langt das Geld nicht. Quelle: dpa

Im Visier der BaFin

Mittlerweile ist auch die Finanzaufsicht auf die Schwierigkeiten beim Tarifwechsel in der PKV aufmerksam geworden. Während es im Herbst noch hieß, die BaFin habe das Tarifwechselrecht im Blick, ist die Bonner Behörde mittlerweile aktiv geworden. „Ja, die BaFin prüft derzeit Fälle, in denen einzelne Versicherungsunternehmen ein Wechselrecht verweigert hatten“, erklärte eine Sprecherin der Aufsicht gegenüber WirtschaftsWoche Online. Konkret hätten die Unternehmen darauf verwiesen, dass der vom Kunden gewünschte Zieltarif für das Neugeschäft geschlossen sei.

Laut Leissl gibt es eine Gruppe von Versicherern, die ihren Kunden den Wechselwunsch regelmäßig mit Verweis darauf verweigerten, dass der gewünschte Tarif geschlossen sei, also nicht mehr zum Verkauf angeboten werde. Solche Regelungen kennt Paragraf 204 allerdings nicht. „Dem Gesetzeswortlaut sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf eine Beschränkung des Wechselrechts auf Tarife, die ein Versicherungsunternehmen im Neugeschäft anbietet, hindeuten“, erklärt eine Sprecherin der BaFin. Auch von solch windigen Erklärungen der Assekuranzen sollten sich Wechselwillige also nicht verwirren lassen.

Wer wechseln möchte, sollte zunächst prüfen, ob sich der Aufwand lohnt. Das hängt hauptsächlich von der Versicherung ab. Bei der Debeka beispielsweise, die besonders viele Beamte versichert, lohnt ein Wechsel kaum, da es ein Tarifkollektiv gibt. Bei den meisten anderen Versicherungen rentiert sich der Wechsel allerdings gerade für Ältere, die schon lange Kunde bei einer PKV sind, selbst wenn für das Hin und Her das Honorar für einen Berater fällig wird. Birgit Lein von der Hamburger Verbraucherzentrale berichtet von Fällen, bei denen die monatliche Ersparnis nach einem gelungenen Wechsel bei satten 400 Euro im Monat lag. Bei Grabinger lag die Ersparnis durch den Tarifwechsel am Ende insgesamt bei rund 1700 Euro im Jahr.

Eins dürfen PKV-Kunden, die gewechselt haben, dennoch nicht vergessen: Auch der neue Tarif wird wieder teurer werden. Denn durch Preissteigerungen bei Medikamenten und Ärzten, unserer immer älter werdenden Gesellschaft und einer möglicherweise zunehmenden Inflation werden die Versicherer immer häufiger zu Beitragserhöhungen greifen.

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