Für viele Privatpatienten wird es zum 1. April deutlich teurer: um 7,8 Prozent erhöht die DKV, zweitgrößter privater Krankenversicherer (PKV), im Schnitt ihre Prämien. Im Einzelfall dürfte es deutlich mehr sein. Denn die 7,8 Prozent sind auf alle DKV-Kunden gerechnet. Tatsächlich werden aber nur bei 60 Prozent aller DKV-Versicherten die Prämien erhöht.
Auch andere PKV-Anbieter haben in den vergangenen Monaten an der Beitragsschraube gedreht. Laut Branchenanalysedienst Map-Report erhöhten die untersuchten Krankenversicherer ihre Prämien für Bestandskunden (Angestellte) im Schnitt um 4,1 Prozent. Das liege über dem Schnitt der Jahre 2000 bis 2016 mit 3,6 Prozent.
Von den Beitragserhöhungen sind in erster Linie Tarife betroffen, die schon länger am Markt sind und noch getrennt für Männer und Frauen kalkuliert wurden. Bei den 2012 eingeführten Unisex-Tarifen mit gleich hohen Prämien für weibliche und männliche Versicherte gab es dagegen bisher nur moderate Erhöhungen. Das liegt daran, dass die Versicherer die Prämien der Unisex-Tarife konservativ, also eher zu hoch als zu niedrig, kalkuliert haben.
Die solventesten Privaten Krankenversicherungen
Provinzial
Solvabilitätsquote: 547,89%
Quelle: map-report
Deutscher Ring
500,9%
Universa
486,8%
Continentale
466,8%
Hallesche
435,1%
251,3%
Die PKV-Beiträge steigen nicht nur wegen der wachsenden Kosten im Gesundheitssystem. Sie ziehen auch an, weil die privaten Krankenversicherer mit ihren Finanzen wegen des Niedrigzinses kaum noch Erträge erwirtschaften. Je niedriger die Kapitalerträge, desto mehr Geld muss über die Beiträge der Versicherten in die Rückstellungen der Krankenversicherer fließen. Derzeit hat die PKV rund 200 Milliarden Euro gebunkert, um altersbedingte Beitragserhöhungen abzumildern.
Allerdings dürfen die privaten Krankenversicherer laut Gesetz die Prämien nicht allein wegen dem Niedrigzins anpassen. Es müssen sich auch die Gesundheitskosten oder die Lebenserwartung erhöht haben. Dass führt im Ergebnis dazu, dass es in einem einzelnen Tarif jahrelang keine und dann in einem Jahr eine größere Beitragserhöhung gibt.
Die leistungsstärksten PKV-Tarife
Annahmen: Geburtsdatum jeweils 1. Januar; Versicherungsbeginn 1. Mai 2015;
* Anteil der vom Tarif erfüllten 245 Leistungskriterien;
² in Euro pro Jahr, wenn angeboten, wurden 650 Euro Selbstbeteiligung gewählt, sonst die nächst niedrigere oder nächst höhere Selbstbeteiligung;
³ in Euro pro Monat, Durchschnitt: Neukunden-Beiträge mit 15, 20, 25, 30, 35, 40, 45, 50, 55 und 60 Jahren;
Quelle: PremiumCircle Deutschland GmbH, WirtschaftsWoche
Allianz
Tarif: AktiMed Best 90 U
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 55,9
Selbstbeteiligung²: 500
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 578,07
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 590,01
Arag
Tarif: 207, 220, 529
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 57,6
Selbstbeteiligung²: 550
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 578,29
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 594,49
R+V
Tarif: AGILpremium 480 (TN1U)
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 60,4
Selbstbeteiligung²: 480
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 530,07
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 593,57
Axa
Tarif: Vital 300-U, Prem Zahn-U
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 60,4
Selbstbeteiligung²: 300
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 485,43
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 551,41
Central
Tarif: Central.privatpro1
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 62,9
Selbstbeteiligung²: 750
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 497,72
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 537,54
Münchener Verein
Tarif: EXCELLENT 728, 730, 767
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 64,5
Selbstbeteiligung²: 1000
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 673,44
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 647,95
Mannheimer
Tarif: Purisma MAX 650
Leistung: überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 65,7
Selbstbeteiligung²: 650
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 716,98
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 775,20
Hallesche
Tarif: NK. 2 U
Leistung: stark überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 71,8
Selbstbeteiligung²: 600
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 472,29
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 479,18
Debeka
Tarif: N, NC
Leistung: stark überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 75,5
Selbstbeteiligung²: 400
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 468,06
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 505,19
Barmenia
Tarif: einsA expert2+
Leistung: stark überdurchschnittlich
Leistungsstärke (in Prozent)*: 77,1
Selbstbeteiligung²: 600
Tarifbeitrag (35 Jahre)³: 543,86
Tarifbeitrag (Durchschnitt)³: 568,52
Wer sich bei einer PKV versichert hat, bleibt in der Regel an einen Anbieter gekettet. Grund dafür sind die finanziellen Polster, die jeder Versicherte über die Prämie für höhere Gesundheitsausgaben im Alter anspart. Wer den Anbieter wechselt, verliert diese Rückstellungen komplett, sofern er seine Police vor 2009 abgeschlossen hat. Bei Verträgen ab 2009 können die Versicherten einen Teil dieser Finanzpolster mitnehmen. In beiden Fällen lohnt ein Wechsel des Anbieters meist nicht, weil die Prämie im Alter zu stark ansteigt.
Lohnender ist es, in einen günstigeren Tarif desselben Anbieters umzusteigen. Dieser Tarif muss nicht weniger leisten. Es reicht, wenn der Mix aus gesunden und kranken Versicherten im neuen Tarif günstiger ist. Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) richten sich die Prämien nur nach den Einnahmen und Ausgaben innerhalb eines Tarifs. Je gesünder die Versicherten in einem Tarif sind, desto stabiler bleibt die Prämie. Viele Kranke in einem Tarif bedeuten dagegen stark steigende Prämien. Das führt dazu, dass Versicherte mit ähnlichem Risikoprofil in vergleichbaren Tarifen unterschiedlich hohe Prämien zahlen.
Versicherer haftet für Fehler
Viele Versicherte wissen nicht, dass sie sich beim selben Anbieter günstiger versichern könnten — ohne Leistungsabstriche. Sie nutzen ihr Recht zum Tarifwechsel nicht, obwohl Versicherer ihnen dabei helfen müssen:
- Versicherer sind verpflichtet, Kunden auf Nachfrage einen Wechsel in Tarife mit gleichartigen Leistungen anzubieten. Sie müssen jedoch nicht alle alternativen Tarife nennen, sondern nur solche, die im abgelaufenen Geschäftsjahr die meisten neuen Kunden anlockten.
- Bei Beitragserhöhungen müssen Versicherer auf einen Tarifwechsel hinweisen.
85 Prozent der PKV-Anbieter haben sich verbandsintern zu mehr Service verpflichtet:
- Sie wollen einen Antrag auf Tarifwechsel binnen 15 Tagen beantworten.
- Wechselwillige wollen sie über Mehr- und Minderleistungen alternativer Tarife sowie deren Prämienhöhe und mögliche Risikozuschläge verständlich aufklären und sie auf anstehende Beitragserhöhungen hinweisen. „Bei Beratungsfehlern können die Versicherten den Krankenversicherer in Haftung nehmen“, sagt Versicherungsmathematiker Peter Schramm aus Eschborn bei Frankfurt. So könnten Versicherte etwa Schadensersatz für zu viel gezahlte Prämien verlangen, wenn der Versicherer einer Bitte nach einem Tarifwechsel nicht korrekt nachgekommen sei.
Grundsätzlich sollten Tarifwechsler folgende Punkte beachten:
- Wer einen der neuen Unisex-Tarife abgeschlossen hat, kann nicht in einen der alten, geschlechtsspezifischen Tarife wechseln. Umgekehrt ist der Wechsel jedoch möglich.
Wer wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln kann
Zurück in die gesetzliche Kasse dürfen Versicherte, die nicht älter als 55 sind und einige Bedingungen erfüllen (siehe Kurztexte unten).
Angestellte , deren Einkommen unter die Pflichtgrenze von 53.550 Euro brutto fällt
Selbstständige, die sich wieder anstellen lassen und unter 53.550 Euro verdienen
Bezieher von Arbeitslosengeld
Väter und Mütter, die nach der Elternzeit mit einem Teilzeitjob weniger als 53.550 Euro brutto pro Jahr verdienen.
- Auch nach den neuen Leitlinien der Branche muss der Versicherer nicht alle Tarifalternativen offenlegen. Unabhängige Honorarberater können bei der Tarifsuche helfen. Dazu zählen die gerichtlich bestellten Versicherungsberater (www.bvvb.de).
- Bietet der neue Tarif in einzelnen Kategorien bessere Leistungen, kann der Versicherer eine erneute Gesundheitsprüfung für diesen Teil des Leistungskatalogs verlangen. Auch eine niedrigere Selbstbeteiligung, also der Anteil der Arztkosten, die der Privatpatient pro Jahr selbst zahlt, gilt als Tarifverbesserung. Je nachdem, wie die Gesundheitsprüfung ausfällt, kann der Versicherer einen Risikozuschlag verlangen oder nicht. Solange die Prämienersparnis trotz Zuschlags groß genug ist, lohnt sich der Wechsel. Bei größeren Zuschlägen kann es sich lohnen, auf Zusatzleistungen zu verzichten, sofern die nicht zum Kern einer privaten Krankenversicherung gehören. Wer verzichtet, kann einen Aufschlag bei der Prämie vermeiden.
Kundenfreundlichkeit der Krankenversicherer
Nicht allein die Prämie entscheidet darüber, wie viel Privatpatienten zahlen müssen. Wichtig ist auch, wie kundenfreundlich der Krankenversicherer Arzt- und Krankenhausrechnungen erstattet. Wenn die PKV nur einen Teil der Kosten erstattet, die der Versicherte aus eigener Tasche zahlt, nutzt eine niedrige Prämie wenig. Oft sind es gerade Versicherer mit günstigen Prämien, die bei den Arztrechnungen weniger kulant sind. Immerhin rund 42 Prozent aller Beschwerden beim Ombudsmann der PKV drehen sich um Streitigkeiten wegen der Abrechnung von Leistungen.
Wie großzügig sich die Versicherer gegenüber ihren Kunden zeigen, lässt sich indirekt an der Beschwerdestatistik der Finanzaufsicht BaFin ablesen (www.bafin.de). 2014 war die Quote der Beschwerden gemessen am Bestand der Versicherten bei den Krankenversicherern Hallesche und Axa am höchsten. Der Map-Report ermittelte für den Zeitraum 2003 bis 2014 die höchsten durchschnittlichen Beschwerdequoten für Allianz, Hallesche und Deutscher Ring.
Absolut betrachtet ist die Zahl der Beschwerden bei der BaFin verschwindend gering. Allerdings taucht ein Großteil der Konflikte mit den Krankenversicherern gar nicht erst in der Statistik auf. Viele Versicherte lassen sich nach einer ersten Beschwerde beim Versicherer abwimmeln. In anderen Fällen einigen sich Privatpatient und Krankenversicherer nach monatelangem Streit, ohne dass dies publik wird.
Bleibt die Beschwerde beim Versicherer erfolglos, können sich Privatpatienten an den Ombudsmann der privaten Krankenversicherung wenden (www.pkv-ombudsmann.de). Den Versicherten bleibt nach Eingang der schriftlichen Antwort des Versicherers auf die Beschwerde ein Jahr Zeit, um den Ombudsmann einzuschalten. Gibt es bereits einen Rechtsstreit mit dem Versicherer, kann der Ombudsmann nicht mehr helfen. Seine Aufgabe ist es, zu vermitteln und teure Prozesse zu vermeiden. Was der Ombudsmann empfiehlt, ist für viele Konflikte richtungsweisend, allerdings sind die Versicherer nicht an seine Empfehlungen gebunden.
Ansprüche gegenüber einem privaten Krankenversicherer auf Kostenerstattung verjähren in der Regel nach drei Jahren. Sobald Versicherte den Ombudsmann einschalten, wird diese Verjährungsfrist solange ausgesetzt bis das Ombuds-Verfahren abgeschlossen ist. Die Vermittlung zwischen Versicherer und Privatpatient dauert im Schnitt drei Monate. Kann der Ombudsmann nicht helfen, bleibt den Versicherten noch die Möglichkeit, einen Fachanwalt einzuschalten.