Private Vorsorge Schlecht versorgt mit Riester-Rente

Die Geldanlage fürs Alter ist derzeit eine besondere Herausforderung: Turbulenzen an den Börsen, wankende Banken und verschuldete Staaten bedrohen das Ersparte. Die Riester-Rente erscheint da auf den ersten Blick attraktiv. Aber Vorsicht: Trotz Förderung werden die meisten Riester-Sparer nur auf geringe Renditen kommen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wer im Alter Einkommenseinbußen verhindern will, muss privat vorsorgen. Aber lohnt die staatlich geförderte Riester-Rente? Quelle: Foto: Andreas Gebert / dpa

Geringe Beiträge, staatliche Zulagen und Steuervorteile über Jahrzehnte, am Ende eine lebenslange Rente – eigentlich sind die Zutaten für die vor zehn Jahren von Ex-Arbeitsminister Walter Riester erfundene private Altersvorsorge nahezu perfekt. Das denken wohl die 14,8 Millionen Deutschen, die seit 2001 einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben.

Doch inzwischen wachsen in der Bevölkerung die Zweifel, ob die Riester-Rente hält, was sie verspricht: Nach starken Zuwächsen in den ersten Jahren stagniert die Zahl der Vertragsabschlüsse. Im ersten Halbjahr erhöhte sich die Zahl der Riester-Sparer nur um 409 000. Im gesamten Jahr 2010 kamen noch dreimal so viele neue Verträge hinzu. Nach einer Studie des Sparkassen- und Giroverbands haben aktuell 45 Prozent aller Riester-Berechtigten, vor allem alle Pflichtversicherten in der Rentenversicherung, tatsächlich einen solchen Vertrag abgeschlossen – genauso viele wie im Vorjahr. Die wachsende Skepsis gegenüber dem Riester-Modell, die aus diesen Zahlen spricht, ist berechtigt. Denn die staatliche geförderte Altersvorsorge entpuppt sich bei genauem Hinsehen nicht als der viel gepriesene wertvolle Zusatzbaustein, um die magere gesetzliche Rente aufzubessern.

Vielmehr hängt es von den Lebensumständen und – wie bei anderen Rentenversicherungen auch – letztlich von der Lebensdauer ab, ob sich Riestern jemals rechnet. Denn trotz Förderung müssen Sparer oft erst ein fast schon biblisches Alter von über 90 Jahren erreichen, um auf eine auskömmliche Rendite nach Steuern zu kommen und wenigstens die Inflation, aktuell etwa 2,6 Prozent pro Jahr, zu schlagen. „Gerade die komplizierten Regeln der Riester-Rente haben den Anbietern geholfen, das zu verschleiern“, sagt Stefanie Kühn, Honorarberaterin aus Grafing.

Einzelfall entscheidet

Klarheit gibt nun eine Studie, die das unabhängige Institut für Vorsorge und Finanzplanung exklusiv im Auftrag der WirtschaftsWoche erstellt hat. Die Experten haben analysiert, wie hoch die Renditen der Riester-Sparer in sechs verschiedenen Musterfällen am Ende tatsächlich ausfallen. Außerdem hat das Institut einige Sonderfälle ausgewertet, etwa die Auszahlung des Guthabens auf einen Schlag zu Rentenbeginn, und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Zudem liefert ein Vergleich von 42 aktuellen Riester-Rentenversicherungen Sparern wertvolle Hinweise zu Versicherern mit akzeptablen Renditen. Das Fazit: Erst der Blick auf den Einzelfall – Mann oder Frau, alt oder jung, gut verdienend oder nicht – und die Betrachtung von Anspar- und Rentenphase zeigen, wie viel Rendite die Riester-Rente bringen kann und ob der Abschluss lohnt.

Lange Zeit war die Riester-Rente der Liebling der Finanzberater in Deutschland. Ihr leichtes Opfer waren Berufseinsteiger, aber auch langjährige Angestellte, die endlich etwas für ihre Altersvorsorge tun wollten. Und die von einer neuen Form der Geldanlage gehört hatten: Riester.

„Das Zusammenspiel aus staatlicher Zulage und steuerlichem Vorteil hat es Beratern besonders leicht gemacht, Kunden zum Riestern zu bewegen“, sagt Beraterin Kühn. „Bei vielen Menschen setzte sich der Eindruck fest, dass man blöd wäre, das nicht mitzunehmen.“ Die komplizierten Regeln der Riester-Rente aber durchschaute kaum jemand: Erst im April forderte der Staat von Riester-Sparern 500 Millionen Euro wegen zu Unrecht kassierter Förderung zurück. Diese hatten zu wenig in ihre Verträge eingezahlt, oft ohne es zu ahnen. Im Mai kündigte die Regierung dann flugs eine Regeländerung an. Sie will den betroffenen Sparern nun die Nachzahlung von Beiträgen zum Jahresanfang 2012 ermöglichen. So soll die staatliche Förderung noch gerettet werden.

Zulage vom Staat

Grafik: Kaum noch neue Riester-Sparer Quelle: BMAS

Über den langfristigen Erfolg der Riester-Rente wird aber nicht ihr Regelwerk entscheiden, sondern die Rendite. Nur wenn Riester-Sparer besser als mit anderen Geldanlagen fürs Alter vorsorgen und mit ihrer staatlich geförderten Zweitrente auf höhere Renditen kommen, werden sich wieder mehr Deutsche bei den Beratern der Banken und Versicherer einfinden.

Bevor es mit dem Riestern losgeht, müssen Sparer sich entscheiden. Die Förderung gibt es für Rentenversicherungen, für Bank- oder Fondssparpläne, Bausparverträge oder einen Kredit für die selbst genutzte Immobilie (Wohn-Riester). Alle Riester-Anbieter, die Kredit-Variante ausgenommen, müssen garantieren, dass zu Rentenbeginn zumindest die Summe aus eingezahlten Eigenbeiträgen und staatlichen Zulagen auf dem Sparkonto vor‧handen ist. Aus diesem Riester-Guthaben fließt dann in der Regel eine lebenslange Rente.

Sparer erhalten vom Staat jedes Jahr eine Zulage, außerdem können sie ihre Beiträge von der Steuer absetzen. Aber Vorsicht: Der Fiskus zieht vom rechnerischen Steuervorteil (persönlicher Steuersatz multipliziert mit dem Riester-Sparbeitrag) die ausgezahlten Zulagen ab. Jeder Riester-Kunde bekommt maximal 154 Euro Grundzulage pro Jahr. Um die ungekürzte Grundzulage zu erhalten, muss der Sparer aber inklusive staatlicher Zuschüsse vier Prozent seines Vorjahres-Bruttoeinkommens einzahlen – mindestens 60 Euro, maximal 2100 Euro. Neben der Grundzulage steuert der Staat jedes Jahr pro Kind noch 185 Euro bei – für seit Anfang 2008 geborene Kinder sogar 300 Euro. Diese Extrazulage fließt, solange Anspruch auf Kindergeld besteht.

Grafik: Versicherung bevorzugt Quelle: BMAS

Während die Riester-Beiträge von der Steuer befreit sind und in der Ansparphase auch keine Abgeltungsteuer anfällt, müssen die späteren Renten voll versteuert werden. Anders als bei anderen Geldanlagen kassiert das Finanzamt in der Auszahlungsphase also nicht nur auf Zinserträge Steuern, sondern auf die komplette Rente.

Besonders risikoscheue Anleger sollten sich, wenn überhaupt, für eine Riester-Rentenversicherung oder einen Riester-Banksparplan entscheiden. Diese garantieren ihnen zu Rentenbeginn nicht nur den Kapitalerhalt, sondern auch eine kleine Rendite. Die Rentenversicherer verzinsen die jährlichen Beiträge mit wenigstens 2,25  Prozent pro Jahr. Dieser Garantiezins sinkt 2012 für neu abgeschlossene Verträge auf 1,75 Prozent.

Neben dem Garantiezins zahlen die Versicherer noch eine Überschussbeteiligung. Dieser Zinsbonus ist allerdings nicht garantiert, seine Höhe schwankt. Bevor die Versicherer ihren Kunden den Zins gutschreiben, ziehen sie außerdem all ihre Kosten ab, vor allem für den Vertragsabschluss, für Vertrieb und Verwaltung. Über die gesamte Vertragsdauer machen diese Kosten oft zehn Prozent der Beiträge aus. Da die Versicherer die Kosten meist während der ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit berechnen, bleibt zu Beginn von den Beiträgen nur ein kleiner Teil übrig und verzinst sich wirklich im Vertrag. Es braucht daher ein paar Jahre, ehe die Kosten mit Zins und Zinseszins ausgeglichen sind. Wer es sich nur wenige Jahre nach Abschluss anders überlegt und seine Rentenversicherung wieder kündigt, erleidet daher oft hohe Verluste. Trotz der meist üppigen Kosten haben sich 71 Prozent aller Riester-Kunden für eine Rentenversicherung entschieden. Pro Jahr zahlen sie insgesamt fünf Milliarden Euro in ihre Policen ein.

Voll versteuert

Der Berliner Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein geht davon aus, dass Versicherer mit hohen oder mittleren Kosten im kommenden Jahr nach Absenkung des Garantiezinses älteren Sparern keine Riester-Renten mehr anbieten werden: Der niedrigere Garantiezins von nur noch 1,75 Prozent pro Jahr führe dazu, „dass der Zinseszinseffekt bei kürzeren Ansparzeiten oft nicht mehr ausreicht, um die Kosten auszugleichen“. Die Versicherer müssten diese Kunden also ablehnen, da sie das Riester-Versprechen über den garantierten Kapitalerhalt zum Rentenbeginn nicht halten könnten.

Der Tarifvergleich des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung zeigt, welche Policen vergleichsweise renditestark, sicher, flexibel und transparent sind. Die angegebenen Renditen beziehen sich jeweils nur auf die Police. Sie zeigen also, wie hoch die Verzinsung nach Abzug der Kosten im Vertrag ist. Anders als bei den übrigen Musterrechnungen werden die persönlichen Steuervorteile und Steuerzahlungen sowie die staatlichen Zulagen nach den Riester-Regeln hier nicht berücksichtigt. Für die Renditeberechnung wurde die individuelle Lebenserwartung angesetzt, wie sie das Statistische Bundesamt mithilfe der Generationentafel ermittelt.

Deutlich günstiger als Rentenversicherungen sind Banksparpläne. Hier bekommt der Sparer neben der staatlichen Förderung jedes Jahr einen Zins gezahlt, der entweder vorab feststeht oder mit dem all‧gemeinen Zinsniveau steigt und fällt. Anders als bei den Versicherern verzinst sich tatsächlich fast der gesamte Sparbeitrag des Kunden. Da die Banksparpläne den Anbietern relativ wenig einbringen, bekommen Sparer sie nur bei Sparkassen und Volksbanken – teilweise auch nur in ländlichen Regionen. Einige dieser Banken bieten die Banksparpläne aber auch bundesweit an. Der weit verbreitete Riester-Sparplan der Sparkasse Günzburg-Krumbach wird mittlerweile nur noch regional angeboten, bundesweit erhältlich und empfehlenswert sind aber zum Beispiel die Riester-Banksparpläne „Vorsorge Plus“ der Sparkassen Holstein und Pfullendorf-Meßkirch.

Kostengünstige Sparpläne

Jüngere und etwas risikobereite Anleger können alternativ auf einen Fondssparplan ausweichen. Die Fondsgesellschaft Union Investment bietet über die Volks- und Raiffeisenbanken ihren Sparplan mit dem Namen UniProfiRente an, die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS hat gleich mehrere Fondssparpläne im Angebot.

Während Sparer bei der UniProfiRente die hohen Ausgabeaufschläge auf die Fonds von fünf Prozent nicht umgehen können – und damit von jedem Sparbeitrag erst einmal ein Zwanzigstel verlieren – lassen sich die etwas niedrigeren Ausgabeaufschläge der DWS-Fondssparpläne Top-Rente von 4,5 Prozent noch weiter drücken. Über den Internet-Ableger DWS Direkt zahlen Fondssparer beispielsweise nur die halben Ausgabeaufschläge. Wer über freie Fondsdiscounter wie AVL in seinen Fondssparplan investiert, bekommt sie komplett erstattet.

Damit zum Rentenbeginn Zulagen und Eigenbeiträge tatsächlich vorhanden sind, müssen die Fondsgesellschaften bei hohen Börsenverlusten irgendwann die Reißleine ziehen. Union Investment schichtet in besonders hektischen Börsenphasen zum Beispiel nach einem festen Schema je nach Alter des Sparers von Aktien in Anleihen um. Ist das vorhandene Vermögen erst einmal umgeschichtet worden, bleibt es bis zur Auszahlung in den neuen Anlagen. Das Geld steckt dann also in Anleihen, vor allem in deutschen Staatspapieren – relativ sicher, aber gering verzinst. Nur neue Sparbeiträge fließen noch in Aktien.

Tabelle: Sicher und flexibel Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung

„Für die Kunden ist das ärgerlich, da sie ja eigentlich von den Chancen einer Aktienanlage profitieren wollten“, sagt Thomas Lau, Honorarberater in Aachen. Bei den jüngsten Kursstürzen waren mehr als 100 000 Kunden mit UniProfiRente von den Umschichtungen betroffen. Insgesamt haben fast zwei Millionen Riester-Fondssparer ihr Geld Union Investment anvertraut – die Gesellschaft betreut damit zwei von drei aller Riester-Fondssparpläne.

Als Alternative zu Fondssparplänen könnten auch fondsbasierte Rentenversicherungen infrage kommen. Doch diese lohnen sich kaum. Die Gebühren sind hoch – oft noch höher als bei klassischen Rentenversicherungen. Und das Chance-Risiko-Verhältnis ist nicht besser als bei den günstigeren Fondssparplänen.

Der jüngste Riester-Ableger, die geförderten Immobilienkredite (auch Wohn-Riester genannt), hingegen kann lukrativ sein. Aber nur wenn ohnehin noch eine selbst bewohnte Immobilie abgezahlt werden muss oder der Kauf kurz bevorsteht. Voraussetzung für die sofortige Förderung: Die Immobilie darf nicht vor 2008 gekauft worden sein. Jeder Riester-Sparbeitrag fließt dann in die Abzahlung des Kredits – und erspart Sollzinsen. Kaum ein Anlageprodukt kann diese Rendite schlagen.

Wohn-Riester für Immobilieneigentümer

Immobilieneigentümer, die schon vor 2008 gekauft haben, können Riester nicht sofort für die Tilgung nutzen, sondern müssen bis zur Rente warten. Dann aber können sie ihr in einem anderen Riester-Produkt angespartes Vermögen in die Abzahlung der Restschuld stecken und auf Wohn-Riester umsatteln. Steuerlich fällt der Wohn-Riester etwas aus dem Rahmen: Alle Riester-Kreditraten, Eigenbeiträge und Zulagen, werden auf einem fiktiven Steuerkonto vermerkt und pro Jahr mit zwei Prozent verzinst. Im Ruhestand muss der Immobilieneigentümer dieses fiktive Steuerkonto nach und nach abbauen und die entsprechenden Raten versteuern. Wohn-Riester-Kunden sollten sich vor Abschluss eines Vertrags auf jeden Fall gut beraten lassen: So können sie die geförderte Immobilie später zum Beispiel nicht einfach verkaufen, ohne die Riester-Förderung zu gefährden.

Wie viel Wohn-Riester bringt, hängt damit nicht nur von den Lebensumständen ab, sondern auch von der abgeschlossenen Baufinanzierung. Nur die genaue Analyse des Einzelfalls schafft hier Klarheit. Für die anderen Riester-Produkte lässt sich anhand verschiedener Musterfälle aber errechnen, welche Renditen realistisch sind. Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung hat für die Studie sechs Musterfälle durchleuchtet: Berufstätige ohne Kinder sowie Familien, Sparer mit mittlerem Einkommen, aber auch Gutverdiener (siehe Übersicht unten). Die Musterrechnungen basieren auf einer Riester-Rentenversicherung, die Renditen und Kosten auf dem Durchschnitt von 42 aktuellen Tarifen. Da die Grundregeln der Riester-Förderung für alle Sparprodukte identisch sind, lassen sich die Schlussfolgerungen auch auf andere geförderte Anlagen übertragen, etwa Riester-Bank- oder Fondssparpläne.

Die angegebenen Renditen sind jeweils auf die Netto-Eigenbeiträge des Sparers berechnet, also nach Abzug der staatlichen Zulage und des Steuervorteils. Im Gegenzug wird bei den späteren Renten die Steuerlast im Alter berücksichtigt. So wird sichtbar, wie viel Rendite die Rentenzahlungen dem Sparer nach Abzug der Steuer bringen – jeweils berechnet auf die aus eigener Tasche zu leistenden Netto-Eigenbeiträge. Damit die Vorsorgeprodukte mit unterschiedlichen Laufzeiten verglichen werden können, wurde die Rendite auf das durchschnittlich gebundene Kapital errechnet.

Benachteiligung trotz unisex

Die Versicherer nennen neben der garantierten stets auch eine prognostizierte Verzinsung, die sich an den Überschüssen der vergangenen Jahre orientiert. Diese Angabe ist aber völlig unverbindlich. Die Überschussbeteiligung der Versicherer – also der Zinsaufschlag, den sie zusätzlich zum Garantiezins zahlen – sinkt seit Jahren. Da Rentenversicherer ihr Geld vor allem in niedrigverzinsten Anleihen anlegen und eine echte Zinswende hin zu dauerhaft höheren Renditen derzeit nicht in Sicht ist, sollten vorsichtige Sparer sich an den garantierten Renditen orientieren.

Riester-Anbieter dürfen bei ihren Tarifen seit 2006 keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen machen (Unisex-Tarife). Für ungeförderte Lebens- und Rentenversicherungen ist diese Gleichbehandlung erst vom 21. Dezember 2012 an vorgeschrieben. Die Musterrechnungen für die verschiedenen Lebensalter gelten daher sowohl für Männer als auch Frauen.

Dennoch haben Männer in der Praxis einen Nachteil: Aufgrund ihrer kürzeren Lebenserwartung erhalten sie ihre spätere Rente im Durchschnitt deutlich kürzer. So darf eine 30-jährige Frau nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamts auf 56 weitere Lebensjahre hoffen, der gleichaltrige Mann nach der Generationentafel nur auf 52 Jahre. Frauen haben damit deutlich bessere Chancen auf eine attraktive Rendite: Ihr statistischer Vorteil beläuft sich auf etwa einen halben Prozentpunkt.

Tabelle: Schneller ans Geld Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung

Prinzipiell gilt: Je höher die Lebenserwartung des Kunden in Renditeberechnungen angesetzt wird, desto höher fällt die errechnete Rendite aus. Oft gehen Berechnungen von den Sterbetafeln für Rentenversicherungen der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) aus. Diese Kalkulation nutzen die Versicherer auch bei der Kalkulation der Rente. Natürlich müssen sie dabei konservativ rechnen, um auch für überraschende medizinische Fortschritte und eine entsprechend längere Lebensdauer der Versicherten gewappnet zu sein. Aus Sicht der Riester-Sparer aber eignen sich die daraus abgeleiteten Lebenserwartungen kaum für eine Renditeberechnung – sie sollten bei ihrer Kalkulation ebenfalls konservativ vorgehen und eher von einer niedrigen als einer besonders hohen Lebenserwartung ausgehen.

Bei den sechs Musterfällen ist die WirtschaftsWoche diesem Glaubensstreit aus dem Weg gegangen: Durch die Angabe von drei verschiedenen Lebenserwartungen bekommen Sparer ein realistisches Bild von den Renditechancen je nach Sterbealter. So kommt ein 30-jähriger Sparer mit 40 000 Euro jährlichem Bruttoeinkommen bei Erreichen des 90. Lebensjahres auf 1,7 Prozent garantierte Nettorendite auf seine Eigenbeiträge. Mit 85 Jahren sind es 1,0 Prozent und mit 80 Jahren sogar nur läppische 0,1 Prozent. Wer früher stirbt, rutscht schnell ins Minus. Die Inflation ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Erst inklusive der nicht garantierten Überschüsse würde der Sparer höhere Renditen von 2,4 bis 3,9  Prozent erzielen. Die Berechnungen zeigen, dass sich eine Riester-Rentenversicherung trotz staatlicher Förderung nur bei überdurchschnittlich hoher Lebensdauer lohnt.

Höhere Renditechancen

Honorarberaterin Kühn hat daraus ihre Schlüsse gezogen: Sie rät Kunden von Riester-Rentenversicherungen meist ab. „Wer eine lebenslange Rente braucht, kann immer noch zu Rentenbeginn eine ungeförderte Rentenpolice gegen Einmalbeitrag abschließen“, sagt Kühn. Zu diesem Zeitpunkt könnten Sparer auch eher absehen, ob sie noch lange gesund bleiben.

Sparer, die mit einem geförderten Fondssparplan vorsorgen, haben immerhin etwas größere Renditechancen als mit einer Riester-Rentenversicherung. Im Gegenzug müssen sie etwas höhere Risiken tragen. Ein 40-jähriger Riester-Fondssparer mit 50.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen erreicht dort schon mit 85 Jahren 4,5 Prozent Zinsertrag nach Steuerabzug. Dabei werden sechs Prozent jährliche Rendite auf Fondsebene unterstellt. Anders als bei einer klassischen Rentenversicherung hat der Fondssparer aber außer dem garantierten Kapitalerhalt zu Rentenbeginn keine weiteren Zinsversprechen: Die garantierte Rendite fällt bei gleicher Lebensdauer daher etwa einen Prozentpunkt ‧niedriger aus als bei der Rentenversicherung.

Bei den Banksparplänen ist es genau umgekehrt: Die garantierten Renditen der Riester-Banksparpläne mit fixem Zins liegen in der Regel über denen der Rentenversicherungen. Dafür hat der Bankkunde aber auch keine Chance auf weitere Überschüsse.

Hintertür Frühauszahlung

Mit der Riester-Rente will der Staat die private Altersvorsorge stärken. Alle Anbieter müssen den Kunden deshalb die Zahlung einer lebenslangen Rente ermöglichen. Selbst wer als Kunde einen Bank- oder Fondssparplan abschließt, bekommt daher zum Beginn der Auszahlung auch eine Rentenversicherung. Wer dieser späteren Verrentung seines Riester-Vermögens entgehen will, dem bleibt nur eine Hintertür: das Geld vorzeitig auszahlen zu lassen.

Offiziell kommen Riester-Sparer zu Rentenbeginn an 30 Prozent ihres Guthabens, ohne darüber die staatliche Förderung aus Zulagen und Steuervorteilen zu verlieren. Damit bekommen die Sparer zwar direkt Zugriff auf einen Teil ihres Guthabens, die Rentenzahlung können sie so aber nicht gänzlich meiden. Letzteres geht nur, wenn sie sich ihr komplettes Guthaben auszahlen lassen. Genau wie Riester-Sparer die ihren Vertrag während der Ansparphase kündigen, müssen sie dann jedoch die komplette bereits erhaltene staatliche Förderung zurückzahlen.

Abschreckend? Nein! Denn überraschenderweise ist die Auszahlung auf einen Schlag in vielen Fällen eine lohnende Alternative zur Verrentung. Denn obwohl die Riester-Aussteiger Zulagen und Steuervorteile erstatten müssen, bleiben ihnen alle erwirtschafteten Zinsen und Zinseszinsen erhalten. Je länger die Anspardauer ist, desto eher ist das eine beachtliche Summe. „Der Staat erweist sich hier als Schulmeister des Zinseszinseffekts“, sagt Frank Nobis, Geschäftsführer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung. Die Riester-Produkte würden dadurch „flexibler als angenommen“.

Der Beispielfall mit einer Rentenversicherung zeigt, dass die Auszahlung auf einen Schlag sich im Vergleich zur Verrentung rechnet. Der Mustersparer erzielt direkt mit dem 67. Lebensjahr 1,7 Prozent garantierte Rendite, seine prognostizierte Rendite liegt sogar bei 4,3 Prozent. Hätte der Riester-Sparer die Verrentung gewählt, müsste er weit über 90 Jahre alt werden, um auf ähnlich hohe Werte zu kommen.

Tabelle: Mit Aktien mehr drin Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung

Dieses überraschende Ergebnis – das nicht nur für Rentenversicherungen, sondern ähnlich auch für die übrigen Riester-Sparformen gilt – liegt auch daran, dass die im Vertrag angehäuften Erträge bei der Direktauszahlung nur zu 50 Prozent versteuert werden müssen, während die Rente zu 100 Prozent versteuert wird.

Die Voraussetzung dafür: Der Riester-Sparer darf sich sein Geld frühestens im Alter von 60 Jahren auszahlen lassen. Außerdem muss der Vertrag wenigstens zwölf Jahre bestanden haben. Für Verträge, die vom kommenden Jahr an abgeschlossen werden, liegt die Altersgrenze schon bei 62 Jahren. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Fiskus diese Hintertür eines Tages komplett schließen wird.

Riester-Sparer, die nicht aussteigen, sondern nur den Anbieter wechseln möchten, müssen nicht um ihre Förderung bangen. Der Wechsel ist theoretisch jederzeit problemlos möglich. Vor allem bei den Bank- oder Fondssparplänen ist er auch praktisch kein Problem. Zwar müssen die wechselnden Kunden meist eine Gebühr zahlen. Doch die lässt sich verschmerzen: Beim Fondssparplan von Union Investment sind es 50 Euro, beim Banksparplan der Sparkasse Holstein immerhin 150 Euro.

Erhebliche finanzielle Nachteile bei Kündigung

Echte Fußfesseln legen aber einige Rentenversicherer ihren Kunden an. Da die Versicherer ihre Kosten meist während der ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit abziehen und oft noch Stornogebühren verlangen, bekommen viele Kunden bei einem Wechsel nur einen kleinen Teil ihrer Einzahlungen wieder heraus. „Bitte beachten Sie, dass Sie bei Kündigung regelmäßig erhebliche finanzielle Nachteile haben. Wir raten deshalb von einer Kündigung ab“, heißt es etwa unumwunden in den Riester-Vertragsbedingungen des Versicherers Asstel.

Sinnvoller kann es in solchen Fällen sein, den Vertrag beitragsfrei zu stellen und bei einem anderen Anbieter einen neuen Vertrag abzuschließen. Doch es gibt Ausnahmen: Der Direktversicherer CosmosDirekt verzichtet auf Storno- oder Wechselgebühren und sichert den Kunden bei einem vorzeitigen Ausstieg sogar die Rückzahlung der eigenen Beiträge zu. Dass Cosmos‧Direkt im Tarifvergleich gut abschneidet, verwundert da kaum: Wer ordentliche Konditionen bietet, muss sich auch nicht davor schützen, dass Kunden stiften gehen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%