Probleme durch Niedrigzinsen "Lebensversicherer müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen"

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Die Luft wird dünner

Doch steigt ein Investor ein, der keine neuen Kunden mehr mit attraktiven Renditen anlocken will, könnte er Versicherte mit klassischen Policen künftig nur noch nach Vorschrift beteiligen: So könnte er die Überschussbeteiligung auf das garantierte Niveau senken. Solange der Investor die gesetzlichen Vorgaben zur Gewinnbeteiligung der Kunden einhält, darf er das.

Nur den vertraglich garantierten Zins muss er zahlen, wie üblich auf den Sparanteil, also das Geld, was der Versicherer nach Abzug der Kosten für Todesfallschutz oder Verwaltung anlegt. Außerdem muss jeder Versicherer Kunden an weiteren Gewinnquellen beteiligen. Risikogewinne etwa entstehen, wenn weniger Kunden sterben als kalkuliert - diese Gewinne gehen zu mindestens 75 Prozent an Kunden.

So können Sie Ihre Lebensversicherung verkaufen
Viele KündigungenLebensversicherungen waren eines der Lieblingsprodukte des deutschen Sparers. Mittlerweile hat sich das allerdings aufgrund der niedrigen Zinsen geändert. Allein im vergangenen Jahr wurden in Deutschland Lebensversicherungen im Wert von 14,4 Milliarden Euro gekündigt. Lohnt sich das? Quelle: dpa
Oft ein VerlustgeschäftLeider zahlt der Sparer bei einer Kündigung oft drauf. In der Regel bekommen Versicherte deutlich weniger, als sie an Beiträgen eingezahlt haben. Vor allem die hohen Kosten der Versicherungen für Vertrieb und Verwaltung schlucken einen Großteil der Beiträge. Hinzu kommen die Stornogebühren, die bei einer Kündigung fällig werden. Können die hohen Verluste vermieden werden? Quelle: dpa
Verkauf am ZweitmarktAuch für gebrauchte Lebensversicherungen gibt es einen Markt, den sogenannten Zweitmarkt für die Policen. Bei diesen speziellen Aufkäufern liegt der angebotene Kaufpreis in der Regel über dem Betrag, den Versicherer zahlen würden. Im Einzelfall können Verkäufer mit bis zu 15 Prozent mehr rechnen. Quelle: dpa
Kann jeder am Zweitmarkt verkaufen?Nein, nicht jede Police kommt für den Verkauf infrage, denn die Aufkäufer stellen Bedingungen. Ausgeschlossen sind in der Regel Riester- oder Rürup-Verträge, auch betriebliche Lebensversicherungen wird man am Zweitmarkt nicht los. Gute Chancen hat dagegen jemand, der seine Police schon eine Weile besitzt, so dass die Provisionen bereits finanziert sind. Quelle: dpa
Wer sind die Aufkäufer?Marktführer ist nach eigenen Angaben das Frankfurter Unternehmen Policen-Direkt. 2012 hat Policen-Direkt insgesamt Policen im Wert von rund 123 Millionen Euro aufgekauft. Auch die Zweitmarktsparte der zerschlagenen WestLB gehört mittlerweile zu den Frankfurtern. Pionier am Markt war ursprünglich Cash.Life, ein Anbieter aus Pullach. Mittlerweile hat das Unternehmen den regulierten Markt allerdings verlassen und ist in den weitgehend unregulierten Freiverkehr der Börse Hannover gegangen.  Quelle: dpa
Wovon hängt der Preis ab?Neben dem Rückkaufswert, den Versicherer bei einer Kündigung zahlen, hängt der Preis am Zweitmarkt von verschiedenen Kriterien ab. Etwa von der Assekuranz, bei der die Police abgeschlossen wurde. Für Policen von leistungsstarken Versicherern gibt es daher mehr Geld als für solche von leistungsschwachen Assekuranzen. Auch Zusätze, wie beispielsweise eine unkündbare Berufsunfähigkeitspolice, mindern den Preis. Außerdem gilt: Je höher der Beitrag ist, der in die Risikovorsorge fließt, desto weniger Geld bekommt der Verkäufer am Ende. Quelle: dpa
Wird auf dem Zweitmarkt viel verkauft?Im Moment kaufen die Ankäufer vergleichsweise wenig. Auch die genannten Einschränkungen führen dazu, dass relativ wenig Policen verkauft werden. Auch der Niedrigzins sorgt dafür, dass zumindest langjährige Lebensversicherungssparer ihre Police nicht verkaufen wollen. Quelle: dpa

Die Konsolidierung ist, nahezu unbemerkt, längst in Gang: Einige Versicherer ziehen sich aus dem hart umkämpften Markt zurück. Vor der Finanzkrise - 2007 - beaufsichtigte die Finanzaufsicht BaFin noch 100 Lebensversicherer; aktuell ist die Zahl auf unter 90 geschrumpft.

Axa Leben etwa hat 2013 die Schwesterfirma DBV Deutsche Beamtenversicherung Leben auf die Axa Leben verschmolzen. Zurich Deutscher Herold, einer der größten deutschen Lebensversicherer, zog sich aus dem Geschäft mit klassischen Policen zurück und konzentriert sich auf Fondspolicen, bei denen der Kunde das Anlagerisiko trägt.

Auch Ergo, Erstversicherungstochter der Munich Re, hat ihr Leben-Geschäft bereits 2010 unter der Marke Ergo gebündelt. So wurde die Hamburg-Mannheimer zur Ergo Leben umfirmiert. Die Versicherten der ehemaligen KarstadtQuelle Leben kamen zur Ergo Direkt. Die zu Ergo gehörende Neckermann Leben nimmt keine neuen Kunden mehr an und wurde auf Ergo Direkt verschmolzen. Und auch bei der Tochter Victoria Leben vermittelt der Außendienst kein Neugeschäft mehr.

Die Familienschutz Leben der Stuttgarter Leben wurde mit deren zweitem Lebensversicherer Plus Leben verschmolzen. Plus Leben nimmt seit 2011 keine neuen Kunden mehr an. Die PBV Leben (ehemals BHW Leben) ist auf die PB Leben verschmolzen worden. Die Aspecta Leben wurde mit der HDI-Gerling Leben verschmolzen, die in HDI Leben umbenannt worden ist.

Die Liste ließe sich weiterführen. Noch finden deutsche Lebensversicherer Rettungsanker. Doch die Luft wird dünner.

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