Profi-Investoren Überlebensstrategien der Investment-Elite

Seite 3/5

Hans Albrecht Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Hans Albrecht ist sich da nicht sicher. Der 55-Jährige bezeichnet sich selbst als Heuschrecke – und versteht das durchaus despektierlich: „Der Franz Müntefering von der SPD lag damals gar nicht so falsch.“ Albrecht hat nach der Wende Ostdeutschland mit Kopiergeräten versorgt („Eine meiner coolsten Geschichten“), fünf Jahre lang das Europa-Geschäft des US-Finanzinvestors Carlyle Group aufgebaut – und 2004 Nordwind Capital gegründet, einen Private-Equity-Fonds in München, der typischerweise 50 Millionen Euro in mittelständische Firmen mit Kapitalbedarf investiert. Albrecht ist nicht gut auf seine Branche zu sprechen, hat auf die „ganze Industrie keinen Bock mehr“.

Jeder, der auf einer Business School gelernt habe, „sich Pomade ins Haar zu schmieren und Koks in die Nase zu reiben“, wolle heute Hedgefondsmanager werden. Natürlich sei Private Equity kein Teufelszeug, sagt Albrecht, um Himmels willen, nein, im Gegenteil, Geld sei nützlich, keine Frage, ohne die Finanzspritze von Königin Isabella hätte Kolumbus nie und nimmer die Neue Welt entdeckt. Ein halbes Jahrtausend später jedoch würde die Geldbranche nicht mehr darauf spekulieren, mit einer riskanten Unternehmung Geld zu verdienen, sondern an ihr. „Die stürzen sich auf aussichtsreiche Firmen“, sagt Albrecht, „kaufen sie auf Pump und saugen sie aus bis aufs Blut – wie die Mücken im Hochsommer.“

Giftmüll produziert

Albrecht erzählt gern die Geschichte von den beiden Segelschiffen im Hafen von Bombay, um zu erklären, was schiefläuft im Weltfinanzsystem. Auf dem einen Schiff erhält der Ladeoffizier eine Provision für die Ware, die in London ankommt, und segelt mit. Auf dem anderen Schiff wird der Ladeoffizier für jede Tonne bezahlt, die er verstauen kann – und bleibt in Bombay. Und was hat das Ganze mit der Finanzkrise zu tun?

Ganz einfach, sagt Albrecht: Die Banken haben mit ihren gebündelten, gestückelten und verkauften Subprime-Krediten jede Menge Giftmüll produziert, ihren Volkswirtschaften aufs Schiff geschmuggelt – und uns dann allen eine gute Reise gewünscht. Aber damit nicht genug.

Etwas Ähnliches wie mit den Subprime wiederhole sich nun in seiner Branche, sagt Albrecht, mit sogenannten PIK Notes, die es Firmenjägern ermöglichen, Kredite ohne Zins und Tilgung aufzunehmen. Der Schuldner muss nur für die Rückzahlung geradestehen und am Fälligkeitstermin einen Aufschlag zahlen – wenn er den Kredit nicht vor Ablauf der Frist längst weiterverkauft hat. Inzwischen, sagt Albrecht, sei mit PIK Notes ein schwunghafter Handel entstanden, ganz so, wie es ehedem bei Subprime-Krediten  der Fall war: „Das Ganze wird uns bald um die Ohren fliegen.“ Albrechts Geschäftsfreunde nehmen diese Warnungen ernst. 1999, kurz bevor die Dotcom-Blase platzte, hat er ihnen Charles Mackays Klassiker über den Spekulationswahn unter den Weihnachtsbaum gelegt; im Dezember 2006, anderthalb Jahre vor der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, reichte er John Kenneth Galbraiths „The Great Crash 1929“ herum.

Und heute? „Es ist pervers“, sagt Albrecht, „der deutsche Staat bürgt für Griechenland, die deutschen Bürger tragen das Risiko einer Pleite – und die deutschen Banken streichen zum Dank für die öffentliche Sanierung ihrer Bilanzen sechs Prozent Zinsen ein.“ Er bitte um Entschuldigung, aber: „Wir alle werden hier auf der Großleinwand betrogen.“

Er selbst, sagt Albrecht, wolle mit Geld, das nur noch auf sich selbst reflektiert, nichts mehr zu tun haben. Es zieht ihn back to the roots, wie er sagt, zum Idealisten und Umweltschützer, der er war und ist, seit er mit 16 beim Segeln in eine Kloake fiel, die sich Elbe nannte. Albrecht, der Hamburger Bildungsbürgersohn, hat später Medizin studiert und Jura, bei der UNO gearbeitet und „die Welt verbessern wollen – bis ich begriff, dass man Geld braucht, um ein vernünftiger Idealist zu werden“.

Heute weiß Albrecht, dass auch umgekehrt ein Schuh draus wird: Man braucht Idealismus, damit Geld Vernunft annehmen kann. „Wir Finanz-Heinis sind Parasiten“, sagt Albrecht, „wir leben von den Ideen der Ingenieure. Nicht unsere Innovationen bringen uns weiter, sondern ihre. Nicht wir schaffen Werte, sondern sie.“ Natürlich können Parasiten nützlich sein, Geld hilft immer, klar, aber Geld sei kein Wert an sich, sondern dazu da, den Ideen der Ingenieure zur Wirklichkeit zu verhelfen.

Eine Idee hält Albrecht derzeit für besonders aussichtsreich: Die Firma Cargo Beamer hat ein Verladesystem entwickelt, mit dessen Hilfe der Lastverkehr „endlich runter von der Straße, rauf auf die Schiene kann“. 15 Millionen Euro hat Albrecht mit ein paar Freunden investiert: „Anschubfinanzierung für eine kleine Revolution.“ Die Gespräche mit der Bahn laufen, im Herbst geht’s los, Probelauf auf einem Pilotbahnhof. „Es ist herrlich, Geld arbeiten zu sehen“, sagt Albrecht, „ich meine: dass es wirklich arbeitet. Dass man es wirklich sieht.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%