Profi-Investoren Überlebensstrategien der Investment-Elite

Seit Notenbanken so tun, als könnten sie unendlich Geld schöpfen, ist auf nichts mehr Verlass. Aktien oder Gold? Rohstoffe oder Immobilien? Chefreporter Dieter Schnaas über Anlageprofis und den Preis des Geldes

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Andreas Utermann Quelle: Chris Gloag für WirtschaftsWoche

Es ist eine kleine Enttäuschung, das Büro von Andreas Utermann. Ein Aquarium mit einer Sitzgruppe und zwei Büropflanzen, kaum 30 Quadratmeter groß, an der Stirnwand Warhol, Lichtenstein und eine Zeichnung für my daddy, auf dem Schreibtisch zwei Flachbildschirme, ein Glas Joghurt und eine lange Reihe mit den Fotos derer, die man viel zu selten sieht.

Normaler geht’s nicht. Draußen, vor der Glaswand, sitzen sie wie die Schwarmfische vor ihren Tischtrennwänden und Kurstabellen und lassen sich treiben vom Wellenrhythmus der Bloomberg-News. Drinnen sitzt der König der Geldmeere, der Finanzhai, Deutschlands mächtigster Investor, der Global Chief Investment Officer der Allianz-Aktienfonds, ein Mann, dem wir unser Geld und unser Vermögen anvertrauen, unsere Rente und unsere Zukunft: rund 100 Milliarden Euro, mit der Bitte um Vermehrung.

Nichts in Utermanns Büro deutet auf Macht, Größe, Geltung, Geld oder Gier hin, nicht einmal Utermann selbst. Der Finanzhai trägt ein blütenweißes Hemd und eine rosa Krawatte, ausgewählt, nicht exklusiv, er erzählt von seinen Briefmarken, seinem Fußballclub und seiner Schwäche für Kartoffelchips, wirkt freundlich, souverän, weckt Vertrauen – ganz so, wie ein Patient sich seinen Arzt wünscht: Gestatten, Andreas Utermann, Börsenmediziner und Geldchirurg.

Nichts ist unwichtig

Finanzoperationen, sagt Utermann, sind wie Herzoperationen: Scheitern ist keine Option. Man muss verliebt sein ins Gelingen beim Geschäft mit dem Geld, immer überzeugt davon, dass einem alles glückt. Wer diese Zuversicht nicht mitbringt, diese professionelle Sicherheit, die keinen Zweifel kennt und kein Zögern, kann kein guter Geldprofi sein. Das ganze Geheimnis eines erfolgreichen Fondsmanagers, sagt Utermann, besteht darin, in seiner Normalität herausragend zu sein – und in seiner Durchschnittlichkeit außergewöhnlich.

Man muss es fertigbringen, die Welt als Informationspuzzle zu betrachten, als 1000-fach zersplitterte Wirklichkeit, die sich nur denen zum Bild fügt, die auch einen Sinn fürs Triviale und Abseitige haben, fürs scheinbar Nebensächliche und Oberflächliche. „Nichts ist unwichtig“, sagt Utermann, „alles ist relevant.“ Ein Waldbrand in Australien, eine Wahl in Indonesien, eine Demonstration in Moskau, eine Buchvorstellung in New York... – die ganze Welt ist ständig im Fluss, bewegt und belebt von Namen und Nachrichten, die an der Börse, am Markt der Märkte, ihren Ausdruck finden.

Es gibt nichts, für das sich Utermann nicht interessiert. Er kennt sich aus in Wirtschaft, Politik, Sport, Kunst, Musik, Prominententratsch und Religion, er bewundert die Dynamik Chinas und die Diskussionskultur der britischen Demokratie, er schätzt die Grundsätze der protestantischen Kirche als Kompass für ein anständiges Leben und Adam Smith wegen seiner Laudatio auf den Eigennutz.

Utermann liest „FAZ“, „Financial Times“, „Economist“ und „L’Equipe“, schlingt täglich Kommentare, Analysen, Statistiken, Gutachten, Charts, Fachbücher und Opernkritiken, hört Udo Jürgens und die Black Eyed Peas, spielt selbst Gitarre, Tennis, fährt gern Ski, er mischt bei den britischen Liberal Democrats in seiner Stadtteilheimat London-Hampstead mit und versäumt nie seinen Sommerurlaub an der französischen Atlantikküste, in einem kleinen Dorf bei Biarritz – ohne Blackberry und Mailverkehr, versteht sich, denn „jenseits aller facts and news“, sagt Utermann, „geht es darum, einen klaren Kopf zu behalten und das Weltgetöse abzudämpfen zum bloßen Hintergrundrauschen, zur produktiven Grundlage intuitiver Entscheidungen“.

Beherrscher der Informationskulisse

Letztlich, sagt Utermann, ist es genau das, was einen guten Fondsverwalter von einem schlechten unterscheidet: Der gute beherrscht den Nachrichtenlärm als Informationskulisse; der schlechte macht sich zum Sklaven von Breaking News.

Wie aber kann ein Fondsmanager sich seine Entscheidungsfähigkeit bewahren, seit alle Nachrichtensignale aus Politik und Wirtschaftswelt widersprüchlich sind? Wie erhält er sich seine Entschlusskraft, seit die Ungewissheit zur einzigen Gewissheit geworden ist, seit niemand mehr nichts Genaues wissen kann über Ausmaß und Dauer der Banken-, Wirtschafts- und Schuldenkrise?

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