
Die Lebenserwartung der Bundesbürger steigt – und mit ihr die Wahrscheinlichkeit, selbst einmal ein Pflegefall zu werden. Im Jahr 1999 gab es in Deutschland etwa 2,02 Millionen Pflegebedürftige, 2011 waren es schon 2,5 Millionen. Seitdem ist deren Zahl beträchtlich gestiegen - und ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes könnte die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf rund 3,4 Millionen steigen. Trotzdem macht sich kaum jemand Gedanken oder plant entsprechend.
Einerseits ist das verständlich. Niemand beschäftigt sich gedanklich gerne mit den letzten Lebensjahren - weder mit den eigenen noch denen der Angehörigen. Das Thema Pflege ist vielerorts tabu. Das ist andererseits ein Fehler. Denn wenn es so weit ist und Verwandte zum Pflegefall werden, sind die Angehörigen häufig überfordert. Doch das muss nicht sein - hier die elf wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was müssen Angehörige sofort tun, wenn sich ein Pflegefall ankündigt?
Als erstes sollte sich die Familie zusammensetzen: "Das wird meist vergessen, ist aber oft das Wichtigste", sagt Gerhard Habicht, Geschäftsführer der Inova ElderCare aus dem baden-württembergischen Erdmannhausen. Er betreibt ein Wissensportal für die Angehörigenpflege und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Pflege. Nach der familieninternen Beratung sollten die Angehörigen sofort einen Antrag auf Pflegeversicherung stellen und sich einen Termin bei einer Pflegeberatung geben lassen - entsprechende Adressen gibt es beim Zentrum für Qualität in der Pflege. Liegt der Verwandte im Krankenhaus, hilft das dortige Entlassungsmanagement bei der Organisation der weiteren Versorgung. Eine Überleitungsschwester kennt die Adresse des nächsten Pflegestützpunktes, übernimmt den ersten Schritt und beantragt Leistungen aus der Pflegeversicherung.
Fakten aus dem Pflegereport 2013
Die Zahl Pflegebedürftiger ist mit mehr als 2,5 Millionen auf ihrem Höchststand und wird bis 2050 auf 4,5 Millionen steigen. Es gibt große regionale Unterschiede: So wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 in Brandenburg um 72 Prozent steigen, in Bremen nur um 28 Prozent. Im Bundesdurchschnitt wird ein Plus von 47 Prozent erwartet.
Rein statistisch brauchen Männer in ihrem Leben 16 Monate Pflege, Frauen 32 Monate. Tatsächlich aber verdoppelt sich die Pflegezeit bei den wirklich betroffenen bei den Männern und liegt bei den Frauen um die Hälfte höher.
Die Eigenanteile bei Pflegeleistungen in allen Pflegestufen steigen weiter. Dies gilt auch bei den rein pflegebedingten Kosten, die ursprünglich vollständig von der Versicherung übernommen werden sollten. Hier betragen die Eigenanteile je nach Pflegestufe zwischen monatlich 346 Euro und 760 Euro.
Die Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungsleistungen – von denen vor allem demente Menschen profitieren – hat sich auf gut 200 000 Menschen verdreifacht. Hier spiegelt sich die zunehmende Bedeutung ambulanter Pflegedienste wider.
Es sind vor allem die Frauen, die Angehörige pflegen. Ein Heer von rund 2,2 Millionen meist Töchtern und Partnerinnen kümmert sich um kranke Angehörige. Das sind 6,2 Prozent aller über 16-Jährigen. Hingegen entsprechen die 1,3 Millionen pflegenden Männer nur 4 Prozent aller über 16-jährigen Männer.
Die Einnahmen der Pflegeversicherung steigen seit fünf Jahren. 2012 standen Einnahmen von 23 Milliarden Euro Ausgaben von 22,9 Milliarden Euro gegenüber. Zuletzt hatte es 2007 einen negativen Saldo in der Pflegekasse gegeben. Die Pflegeversicherung verfügte Ende 2012 über 5,55 Milliarden Euro.
Was gibt es beim Antrag auf Pflegeversicherung zu beachten?
Wenn der Antrag gestellt ist, beauftragt die Pflegekasse zunächst den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Er soll den Patienten begutachten, danach wird der Grad der Pflegebedürftigkeit festgestellt. Die Pflegestufe entscheidet über die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung.
Die Angehörigen empfinden die Pflegestufe als zu niedrig. Was nun?
Sie können gegen den Bescheid innerhalb von 4 Wochen Widerspruch einlegen. Dieser muss per Einschreiben und Rückschein bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen schriftlich eingereicht werden - und zwar unterschrieben vom Pflegebedürftigen oder dessen gesetzlichem Vertreter oder Betreuer. Es genügt ein formloses Schreiben mit der Mitteilung, dass Sie Widerspruch einlegen, die Begründung nachreichen und um Zusendung des MDK-Gutachtens bitten.
Was macht eine gute Krankenkasse aus?
Pflegebedürftige haben es sowohl mit Leistungen der Krankenversicherung als auch mit der Pflegeversicherung zu tun. Wenn sich Patient und Kasse über die Pflegestufe einig sind, gibt es mit der Pflegekasse meist wenig Reibungspunkte - anders als mit der Krankenkasse, weiß Gerhard Habicht: "Sie verweigert oft klassische krankenpflegerische Leistungen und will dazu Angehörige oder gar den Patienten verpflichten."
Wohlgemerkt: Die Kasse kann Leistungen ablehnen, wenn die Pflegeperson im Haushalt des Versicherten lebt und in die Gemeinschaft integriert ist. Außerdem muss der Angehörige zeitlich, körperlich und geistig dazu in der Lage sein, die Pflege zu leisten. Andernfalls können Sie Widerspruch einlegen - am besten mithilfe eines Attests.