




Es ist amtlich. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat das neue Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) verabschiedet. Während die Politik damit die Versicherer stützen will, müssen Versicherte mit Einbußen rechnen.
Das gilt vor allem für Versicherte, deren Police in Kürze ausläuft. Ihre Beteiligung an den Bewertungsreserven soll gekappt werden. Das ist eine Art stille Reserve auf die vom Versicherer gehaltenen Wertpapiere. Diese Reserven entstehen, wenn der Marktwert der Kapitalanlagen über dem entsprechenden Anschaffungswert liegt. Seit 2008 waren die Versicherer verpflichtet, die Kunden beim Auslaufen ihrer Verträge an den Reserven zu beteiligen. Für die Kunden war das angesichts der guten Börsenentwicklung in den letzten Monaten kein schlechtes Geschäft.
Konzern vor Verbraucher
Mit der neuen Regelung sollen allerdings die Versicherungskonzerne geschützt werden. Denn denen setzt die Niedrigzinsphase zu - sie müssen in sichere Anlagen wie Staatsanleihen investieren, die werfen aber kaum noch Rendite ab. Deswegen will die Regierung die Konzerne hinsichtlich der Bewertungsreserven entlasten. Aufgrund der niedrigeren Beteiligung kann es sich für einige Versicherte lohnen, ihre Police vorzeitig zu kündigen. Auskunft über die jeweiligen Erträge bei Kündigung und bei Fortführung des Vertrags bis zum Ende gibt die jährliche Zahlungsübersicht der Versicherung.
Recherchen der Verbraucherseite Finanztipp legen jetzt allerdings nahe, dass Versicherte doch nicht sofort handeln müssen. Demnach ist ein Großteil der Bewertungsreserven, die sogenannte Mindest- oder Sockelbeteiligung für 2014 bereits festgelegt worden. Daran sind die Versicherer gebunden. Lediglich ein kleiner Teil, nämlich die freien Reserven, darf gekürzt werden. Erst für das kommende Jahr können die Versicherer ihre Jahresdeklaration entsprechend anpassen. Wer also seine Versicherung noch nicht vor der Gesetzesänderung gekündigt hat, hat noch bis Dezember Zeit, das nachzuholen, wenn es sich auszahlt.
Hinzu kommt allerdings eine zweite Änderung, die erst zum 1. Januar 2015 in Kraft tritt. Der Garantiezins bei neuen Verträgen sinkt von 1,75 auf 1,25 Prozent. Für alte Verträge gilt weiter der bei Vertragsabschluss gültige Zins. Laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) betreffen die Änderungen etwa 62 der insgesamt knapp 88 Millionen Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die es in Deutschland gibt.
Es geht auch ohne
Insbesondere mit dem gesunkenen Garantiezins verliert die Lebensversicherung erneut ein Stück ihres Alleinstellungsmerkmals. Als die Policen noch mit einer garantierten Verzinsung von vier Prozent oder mehr verkauft wurden, war der Garantiezins noch das Kaufargument. Heute stehen andere Anlageformen oft besser da, weil sie die gleiche Verzinsung zu einem deutlich besseren Preis bieten. Denn Lebensversicherungen gelten aufgrund hoher Gebühren und Provisionen als teuer.
Einige Versicherer gehen daher einen neuen Weg und bieten Policen ganz ohne Garantiezins an. Unter den ersten Testern waren die Düsseldorfer Ergo und Deutschlands größter Versicherer, die Allianz. Und entgegen aller Kritik läuft das Geschäft offenbar gut an. Nach eigenen Angaben hat die Allianz im ersten Jahr mehr als 50.000 Verträge ohne Garantiezins verkauft. Dabei sei der Absatz in diesem Jahr gegenüber 2013 weiter angestiegen.
Die Versicherer rechtfertigen den fehlenden Garantiezins mit mehr Flexibilität. Kritiker wie Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) erwarten dagegen, dass die Versicherer sich damit ihr eigenes Grab schaufeln. Denn der Garantiezins sei das entscheidende Alleinstellungsmerkmal gewesen, welches die Versicherer gegenüber anderen Anlageprodukten gehabt hätten. Dieses geben sie jetzt auf.