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Reform Neue Ära der Lebensversicherungen beginnt

Die Reform der Lebensversicherung ist verabschiedet, Versicherte müssen mit Einbußen rechnen. Wer noch nicht gekündigt hat, hat möglicherweise noch eine Chance.

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Vier Versicherer verschweigen ihre Zinsen
Öko-Test: Töpfe der Versicherer sind prall gefülltDas Verbrauchermagazin Öko-Test hat die Ertragslage und die Stabilität der Lebensversicherer geprüft. Ergegnis: Die Branche verfüge weiterhin über hohe Bewertungsreserven. Auch die Töpfe mit bereits erzielten, aber noch nicht ausgeschütteten Gewinnen seien prall gefüllt: "Insgesamt schlummern hier weitere 40,8 Milliarden Euro, die eigentlich den Kunden zustehen." Die Finanzstärke der Versicherer wurde mit Schulnoten bewertet. Das ist wichtig für Verbraucher, die wissen wollen, ob ihr Versicherer seine Verpflichtungen erfüllen kann. Dabei wurde unterschieden nach großen und kleinen Versicherern. Ein "Sehr gut" erhielten nur einige kleine Unternehmen, unter den Großen aber keiner. Die Note zwei wurde dagegen immerhin acht Mal vergeben. Befriedigend und damit durchschnittlich lagen immerhin rund zwei Dutzend der Unternehmen. Der Rest landete im Vierer-Bereich.
Bund der Versicherten: "Die Versicherungen rechnen sich arm." Trotz des schwachen Zinsniveaus erwirtschafteten die Versicherer mit Kapitalanlagen immer noch hohe Gewinne, reagierte der Bund der Versicherten (BdV) auf Berechnungen von Öko-Test zur Finanzstärke der Lebensversicherer. Diese Gewinne würden in den Bilanzen aber schlichtweg verschleiert. „Die Versicherungen rechnen sich arm - auf Kosten der Kunden“, kommentierte Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Dies geschehe laut Öko-Test zum einen mittels der sogenannten Zinszusatzreserve, welche die Unternehmen seit 2011 zu bilden verpflichtet sind. Diese zusätzliche Reserve soll Niedrigzinsphasen ausgleichen und so die garantierten Zinserträge der Kunden über viele Jahre hinweg langfristig sichern. Die Mittel für diese zusätzliche Reserve generierten die Unternehmen aus Kapitalerträgen. Demnach müssten sie in der Bilanz eigentlich als Gewinn auftauchen. Doch buchhalterisch werde so getan, als würden diese Mittel schon heute eine feste Zahlungsverpflichtung an den Kunden sein.
Was die Lebensversicherer mitteilen: vom Schlechtesten bis zum BestenDie jährliche Zinsgutschrift der Lebensversicherer heißt Überschussbeteiligung, allerdings ist die Begriffswahl nicht völlig einheitlich in der Branche. Manchmal ist auch von Gesamtverzinsung die Rede, obwohl Überschussbeteiligung gemeint ist. Diese Kennzahl setzt sich zusammen aus dem Garantiezins und einem Bonus. Derzeit beträgt der Garantiezins 1,75 Prozent. In alten Verträgen kann er bis zu vier Prozent betragen. Die Lebensversicherer weisen neben der Überschussbeteiligung gerne noch die Gesamtverzinsung eines Vertrags aus, der im nächsten Jahr ausbezahlt wird. Diese Prozentzahl ist meist höher und bezieht sich auf auslaufende Verträge, weil der Kunde noch etwas aus weiteren Gewinntöpfen der Lebensversicherer erhält.  Quelle: dpa
Map-Report: "Nicht verstecken"Aktuell sei die Bereitschaft der deutschen Lebensversicherer, Vorhabinformationen zu ihren Überschussdeklarationen zu geben, nicht besonders stark ausgeprägt, stellt der Branchenkenner Manfred Poweleit in seinem wöchentlichen Map-Fax fest. "Warum eigentlich?", so fragt er. "Nach wie vor hat die Lebensversicherung keinen Grund, sich zu verstecken. Im vergangenen Jahr 2013 wurden die Guthaben der Versicherten mit einer kapitalbildenden gemischten Lebensversicherung im Schnitt aller Rechnungszinssätze mit 3,66 Prozent verzinst."
Vier Versicherer, die lieber schweigenEinige Lebensversicherer liefern seit einigen Jahren keine Daten mehr, etwa an die Ratingagentur Assekurata. Die Analysten der Agentur fertigen jedes Jahr einen Überblick an, wie sich die Überschussbeteiligung und die Gesamtverzinsung von Lebensversicherungen entwickelt. Auf diese Weise sorgen sie für Transparenz in der Branche und für Kunden, die gerne wissen möchten, wie sich ihr Vertrag im Vergleich entwickelt. Doch folgende Versicherer schweigen lieber, wie eine Aufstellung von Assekurata im Internet ergibt. Dies sind: MÜNCHENER VEREIN Lebensversicherung a.G.Uelzener Lebensversicherungs-AktiengesellschaftVPV Lebensversicherungs-AGWWK Lebensversicherung a.G.Auch auf Nachfrage von Handelsblatt Online erfolgte bisher keine Reaktion dieser vier Versicherer.
WWK: keine AntwortDer Versicherer WWK nennt zwar keine Überschussbeteiligung für seine klassische Lebensversicherung. Stattdessen versucht das Unternehmen, sich mit anderen sich von der Konkurrenz abzusetzen. So sei das Unternehmen in der Kategorie „Inländische Anbieter - Agentur-und Maklervertrieb“ mit dem Titel „Bester Lebensversicherer Deutschlands“ ausgezeichnet worden. Jürgen Schrameier, Vorstandsvorsitzender der WWK, erklärte dazu: "Besonders stolz sind wir auf unsere seit vielen Jahren überdurchschnittlich hohe Substanzkraft. Sie ist der Garant für unseren Geschäftserfolg, dies gilt in Zeiten der Niedrigzinsphase stärker denn je.“ Auf Unternehmensebene berücksichtige die umfangreiche Analyse wesentliche Unternehmenskennzahlen wie Eigenkapital- und freie RfB-Quote im Verhältnis zur Deckungsrückstellung. Das Unternehmen zählt nach eigenen Angaben mit Beitragseinnahmen von rund einer Milliarde Euro zu den größten 30 Lebensversicherungen in Deutschland.
Münchener Verein: keine AntwortDas Versicherungsgeschäft werde nicht mit der primären Absicht der Gewinnerzielung betrieben, sondern vornehmlich zur Sicherung eines günstigen Versicherungsschutzes, erklärt das Unternehmen in einer Selbstdarstellung. Im Gegensatz zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft seien in der obersten Vertretung des Versicherungsvereins keine Personen vertreten, die Kapitalinteressen verfolgen, sondern Mitglieder, die gleichzeitig Versicherungsnehmer sind. Bei der Münchener Verein Kranken- und Lebensversicherung erfolge die Vertretung der Mitglieder in der Hauptversammlung durch Mitgliedervertreter. Da nur Mitglieder durch die oberste Vertretung repräsentiert würden, sei der Einfluss von dritter Seite ausgeschlossen. Im Belastungstest des Analysehauses Morgen & Morgen habe der Versicherer im Oktober erneut die Note „Sehr gut“ erhalten, heißt es in einer Pressemitteilung. Morgen & Morgen untersucht dabei die Risiken, die aus den Verpflichtungen des Versicherungsbestands sowie den Kapitalanlagen eines Lebensversicherers resultieren. Quelle: Screenshot

Es ist amtlich. Nach dem Bundestag hat am Freitag auch der Bundesrat das neue Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) verabschiedet. Während die Politik damit die Versicherer stützen will, müssen Versicherte mit Einbußen rechnen.

Das gilt vor allem für Versicherte, deren Police in Kürze ausläuft. Ihre Beteiligung an den Bewertungsreserven soll gekappt werden. Das ist eine Art stille Reserve auf die vom Versicherer gehaltenen Wertpapiere. Diese Reserven entstehen, wenn der Marktwert der Kapitalanlagen über dem entsprechenden Anschaffungswert liegt. Seit 2008 waren die Versicherer verpflichtet, die Kunden beim Auslaufen ihrer Verträge an den Reserven zu beteiligen. Für die Kunden war das angesichts der guten Börsenentwicklung in den letzten Monaten kein schlechtes Geschäft.

Konzern vor Verbraucher

Mit der neuen Regelung sollen allerdings die Versicherungskonzerne geschützt werden. Denn denen setzt die Niedrigzinsphase zu - sie müssen in sichere Anlagen wie Staatsanleihen investieren, die werfen aber kaum noch Rendite ab. Deswegen will die Regierung die Konzerne hinsichtlich der Bewertungsreserven entlasten. Aufgrund der niedrigeren Beteiligung kann es sich für einige Versicherte lohnen, ihre Police vorzeitig zu kündigen. Auskunft über die jeweiligen Erträge bei Kündigung und bei Fortführung des Vertrags bis zum Ende gibt die jährliche Zahlungsübersicht der Versicherung.

Kunden von Lebensversicherern sollen weniger Bewertungsreserven bekommen. Ihren Anteil an den Reserven finden Sie in der Leistungsübersicht Ihres Versicherers. Unsere Infografik erklärt die wichtigsten Begriffe.

Recherchen der Verbraucherseite Finanztipp legen jetzt allerdings nahe, dass Versicherte doch nicht sofort handeln müssen. Demnach ist ein Großteil der Bewertungsreserven, die sogenannte Mindest- oder Sockelbeteiligung für 2014 bereits festgelegt worden. Daran sind die Versicherer gebunden. Lediglich ein kleiner Teil, nämlich die freien Reserven, darf gekürzt werden. Erst für das kommende Jahr können die Versicherer ihre Jahresdeklaration entsprechend anpassen. Wer also seine Versicherung noch nicht vor der Gesetzesänderung gekündigt hat, hat noch bis Dezember Zeit, das nachzuholen, wenn es sich auszahlt.

Hinzu kommt allerdings eine zweite Änderung, die erst zum 1. Januar 2015 in Kraft tritt. Der Garantiezins bei neuen Verträgen sinkt von 1,75 auf 1,25 Prozent. Für alte Verträge gilt weiter der bei Vertragsabschluss gültige Zins. Laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) betreffen die Änderungen etwa 62 der insgesamt knapp 88 Millionen Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die es in Deutschland gibt.

Es geht auch ohne

Insbesondere mit dem gesunkenen Garantiezins verliert die Lebensversicherung erneut ein Stück ihres Alleinstellungsmerkmals. Als die Policen noch mit einer garantierten Verzinsung von vier Prozent oder mehr verkauft wurden, war der Garantiezins noch das Kaufargument. Heute stehen andere Anlageformen oft besser da, weil sie die gleiche Verzinsung zu einem deutlich besseren Preis bieten. Denn Lebensversicherungen gelten aufgrund hoher Gebühren und Provisionen als teuer.

Einige Versicherer gehen daher einen neuen Weg und bieten Policen ganz ohne Garantiezins an. Unter den ersten Testern waren die Düsseldorfer Ergo und Deutschlands größter Versicherer, die Allianz. Und entgegen aller Kritik läuft das Geschäft offenbar gut an. Nach eigenen Angaben hat die Allianz im ersten Jahr mehr als 50.000 Verträge ohne Garantiezins verkauft. Dabei sei der Absatz in diesem Jahr gegenüber 2013 weiter angestiegen.

Die Versicherer rechtfertigen den fehlenden Garantiezins mit mehr Flexibilität. Kritiker wie Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) erwarten dagegen, dass die Versicherer sich damit ihr eigenes Grab schaufeln. Denn der Garantiezins sei das entscheidende Alleinstellungsmerkmal gewesen, welches die Versicherer gegenüber anderen Anlageprodukten gehabt hätten. Dieses geben sie jetzt auf.

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