Rekordjahr Naturkatastrophen kosten Versicherer 135 Milliarden Euro

Die Hurrikanserie in den USA macht das Jahr 2017 zum teuersten für die Versicherer. Auch in Asien und Europa kam es zu regional starken Überschwemmungen. Die Unwetterbilanz dürfte in Zukunft noch heftiger ausfallen.

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München Im Sommer war noch alles gut. Weltweit gab es in der ersten Hälfte des Jahres 2017 so wenige Schäden durch Naturkatastrophen wie zuletzt 2006 – die Gesamtschadenssumme lag bei nur 41 Milliarden Dollar. Die Jahresbilanz sieht dagegen völlig anders aus: Das Gesamtjahr 2017 liegt mit insgesamt 330 Milliarden Dollar auf Platz zwei der jemals registrierten Naturschäden. Lediglich 2011, als es unter anderem zum großen Erdbeben in Japan kam, war mit 354 Milliarden Dollar noch teurer. „Ein solcher Verlauf ist trotz seiner Extreme nicht untypisch. Schwere Wirbelstürme treten überwiegend im Spätsommer auf“, sagt Ernst Rauch, beim Rückversicherer Munich Re für die Bewertung von Klimaereignissen zuständig.

Für den völlig konträren Verlauf im vergangenen Jahr sind im Wesentlichen die drei extremen Stürme „Harvey“, „Irma“ und „Maria“ verantwortlich. Sie wüteten im August und September über dem Golf von Mexiko, in der Karibik und in den USA. Doch es gab auch eine Reihe weiterer Unwetter, mehr als zuletzt, wie Munich Re errechnet hat. So verzeichneten die Münchener 710 relevante Naturkatastrophen, der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag bei 605.

Weil sich immer mehr Menschen gegen solche Schadensfälle versichern, war das Jahr 2017 für die Versicherer sogar das teuerste Jahr der Geschichte. Voraussichtlich 135 Milliarden Euro müssen sie an Entschädigung für ihre Kunden aufbringen, heißt es bei der Munich Re. Die Konkurrenz von Swiss Re hatte kürzlich mit 136 Milliarden Dollar unmerklich mehr geschätzt.

Besonders auffällig dabei: In den USA lagen die Schäden im vergangenen Jahr noch höher als in den Vorjahren. Waren Schäden in Amerika im langfristigen Durchschnitt für circa ein Drittel weltweit verantwortlich, so stieg der Anteil nun auf die Hälfte. Der Hurrikan „Harvey“ beispielsweise war mit einer Gesamtsumme von 85 Milliarden Dollar der teuerste Einzelschaden überhaupt.

Auch außerhalb der USA gab es auf regionaler Ebene außergewöhnlich starke Wetterentwicklungen. In Südasien dauerte die jährliche Monsunzeit etwa vier Wochen länger als üblich. In einigen indischen Provinzen nahe dem Himalaya sowie in Teilen Nepals standen teils drei Viertel des Landes unter Wasser. „Gleichzeitig zeigen die Zahlen, wie erschreckend groß die Versicherungslücke speziell in Asien ist“, beobachtet Hermann Pohlchristoph, der als Vorstand bei der Munich Re seit dem vergangenen Jahr für den Bereich Asien/Pazifik zuständig ist. Nur acht Prozent der dortigen Schäden waren versichert. Ein Phänomen, das generell in Regionen mit nur geringem Einkommen zu beobachten ist.


Vorbild Baden-Württemberg

Allerdings erweist es sich als Trugschluss, dass die Bevölkerung in Deutschland und Europa weitaus besser gegen Unwetter abgesichert ist. Hierzulande verfügen lediglich rund 40 Prozent der privaten Haushalte eine sogenannte Elementarschadenversicherung für Überschwemmungsschäden, hat der Branchenverband GDV just gemeldet. Einzig Baden-Württemberg ragt hier mit fast flächendeckender Abdeckung heraus. Einst war es dort vom Gesetzgeber vorgeschrieben, das eigene Haus gegen Elementarschäden zu versichern. Diese Pflicht ist inzwischen Geschichte, doch die meisten Eigentümer behalten den bisherigen Schutz trotzdem bei.

Dabei blieb Baden-Württemberg im vergangenen Jahr von Großschäden weitgehend verschont. Dafür traf es Berlin und Brandenburg umso heftiger. Allein in den letzten beiden Junitagen fielen dort rund 200 Liter auf den Quadratmeter. Zum Vergleich: Im bundesweiten Schnitt sind es sonst im Monat circa 800 Liter pro Quadratmeter. „Regionale Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen innerhalb kürzester Zeit sind mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr“, so der neue GDV-Präsident Wolfgang Weiler.

Besonders die Landwirtschaft wird von solchen Wetterkapriolen stark getroffen. 2017 kam noch das Phänomen eines warmen Frühlings hinzu, der in eine Phase mit Spätfrost Ende April und Anfang Mai mündete. Viele Pflanzen, die schon gekeimt hatten, starben ab. Hohe wirtschaftliche Einbußen waren die Folge. Der Gesamtschaden lag bei 3,3 Milliarden Euro, versichert waren allerdings nur 600 Millionen Euro. Traditionell ist die Landwirtschaft nur in geringem Maße abgesichert – das lag auch an den bislang großzügigen Entschädigungen der EU, die in solchen Fällen immer flossen.

Für die Versicherer ist klar, dass derartige Wetterphänomene wie im vergangenen Jahr künftig noch zunehmen werden. Die Hurrikan-Schäden in den USA oder die Überschwemmungen in Südasien „haben einen Vorgeschmack auf die Zukunft gegeben“, sagt Torsten Jeworrek, Munich Re-Vorstand für das weltweite Rückversicherungsgeschäft.

Einen derartigen Vorgeschmack bekamen viele Deutsche in den ersten Tages des neuen Jahres vor allem im Westen und im Norden des Landes zu spüren. Dort war das Orkantief „Burglind“ seit Dienstagabend mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometern pro Stunde und starken Regenfällen hinweggezogen. Der Wintersturm kostet die Versicherer nach ersten Schätzungen des Versicherungsmaklers Aon Benfield ungefähr 300 Millionen Euro.

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