
Herbert Glenner* ist eigentlich ein humorvoller Mensch. Aber diesmal ist der 63-jährige Frührentner verärgert. Seinem Arbeitsleben trauert er keine Sekunde nach, im Gegenteil: Er genießt seinen Ruhestand. Aber er könnte ihn noch mehr genießen, wenn er sich nicht seit Monaten über seine örtliche Sparkasse aufregen würde – und über die Riester-Rente, deren Auszahlung nun eigentlich anstünde. „Für mich ist das Betrug“, sagt Glenner.
Glenners Riester-Tragödie beginnt im Herbst 2006. Um seine Rente aufzubessern, entschließt er sich nach Beratung bei der freundlichen Dame von der Sparkasse zu einer Riester-Rente in Form eines Banksparplans. Zehn Jahre und zwei Monate lang soll er einzahlen, anfangs monatlich 89,25 Euro. Dafür wird ihm zum Rentenbeginn 2017 eine monatliche Zusatzrente von 97,92 Euro in Aussicht gestellt. Die Rendite auf seine Ersparnisse und die staatlichen Zuschüsse von 154 Euro pro Jahr soll bei knapp 3,8 Prozent liegen.
Aber es kommt anders: Inzwischen plant Glenner seinen vorzeitigen Rentenbeginn mit 63 Jahren, im Dezember ist es soweit. Schon im März sprach er deshalb erneut mit der Beraterin der Sparkasse. Von dem angestrebten Guthaben von mehr als 20.000 Euro hatten sich bis dahin 13.580 Euro auf dem Riester-Konto angesammelt – rund ein Drittel weniger als geplant.
Als die Beraterin dann seine monatliche Rente ausgerechnet hatte, kam der Schock: 37,07 Euro sollte seine Riester-Rente ab Mai 2014 monatlich bringen – 62 Prozent weniger als ursprünglich prognostiziert.
30 Jahre bis zur Rendite
Zuhause nahm sich Glenner ein Blatt Papier und begann zu rechnen. Und das machte ihn erst recht zornig. Mehr als 30 Jahre würde es bei der angebotenen Rentenhöhe dauern, bis er nur sein Guthaben wieder rausbekommen hätte. Selbst ohne die staatliche Zulagen und die Zinserträge würde es 26 Jahre dauern, bis er seine Einzahlungen zurück hätte. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass mir das bei der Sparkasse passieren würde. Schließlich steckt das Geld ja nicht in irgendwelchen Aktien. Und die Riester-Rente ist ja vom Staat“, ärgert sich Glenner.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Das Beispiel des Rentners aus Bad Krozingen ist kein Einzelfall, bestätigt Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Der Fall zeigt, dass die von Versicherern unterstellte Lebenserwartung dazu führt, dass die Sparer extrem alt werden müssen, bis sie ihr Kapital zurückerhalten haben. Bis dahin wäre der Verbraucher mehr als 93 Jahre alt. Für eine Verzinsung von nur einem Prozent müsste er schon über 100 Jahre alt werden“, erklärt Nauhauser.
Teure Versicherung für die Rentengarantie
Laut Nauhauser steht der Fall exemplarisch für die Probleme, die selbst günstige Sparverträge mit sich bringen, wenn der Kunde in die Rentenphase übertritt. Denn dann muss eine Versicherung abgeschlossen werden, die die Rente für den Rest des Lebens garantiert. „Und das verursacht Kosten. Rechnet man die Kosten auf 26 Jahre hoch, belaufen sie sich in diesem Fall auf rund 1000 Euro. Bei dem überschaubaren Anlagebetrag von 13.580 Euro schlägt das mächtig auf die Rendite.“
*Name von der Redaktion geändert