
Ein Café um kurz vor neun. Einige Rentner genießen die Sonne und einen ersten Morgenkaffee, während die Berufstätigen auf ihren Fahrrädern zur Arbeit hetzen, um noch pünktlich zum ersten Meeting zu kommen. Laut einer aktuellen Studie spiegelt diese Alltagssituation die Stimmung in punkto Altersvorsorge wider: Während fast zwei von drei Berufstätigen über eine wachsende Angst in Sachen Altersvorsorge klagen, freuen sich drei Viertel der derzeitigen Rentner darüber, dass ihre Lebensqualität im Alter gleich geblieben ist oder sich sogar verbessert hat.
Zu diesem Ergebnis kommt der neue AXA Deutschland-Report zur Ruhestandsplanung, der WirtschaftsWoche Online vorliegt. "Wir stellen immer wieder fest, wie unterschiedlich Ruheständler ihre Situation erleben gegenüber dem Bild, das sich die Erwerbstätigen davon machen", erklärt Patrick Dahmen, Mitglied des Vorstands der AXA Konzern AG. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre habe sich der Gegensatz nochmal deutlich verschärft.
AXA Deutschland-Report 2015
3.243 Telefoninterviews (CATI) mit je 100 Erwerbstätigen und 100 Ruheständlern repräsentativ in allen 16 Bundesländern im März und April 2015 sowie bundesweite Gesamtauswertung nach bevölkerungsrepräsentativer Gesamtgewichtung mit z.T. Vergleichen zu einer bundesweit repräsentativen CATI-Studie von AXA aus 2005
Frage an Erwerbstätige:
„Wird sich Ihre Lebensqualität Ihrer Ansicht nach im Ruhestand verbessern, verschlechtern oder gleich bleiben?“
Ergebnis:
Während 2005 noch 71% der Erwerbstätigen an eine gleich bleibende oder bessere Lebensqualität im Ruhestand glaubten sind es im Jahr 2015 nur noch knappe 61%.
Frage an Ruheständler:
„Ist Ihre Ansicht nach Ihre Lebensqualität im Ruhestand besser geworden, gleich geblieben oder schlechter geworden?“
Ergebnis:
Im Gegensatz dazu berichten im Jahr 2015 76% der Ruheständler von einer gleichen oder besseren Lebensqualität während es 2005 nur 73% waren.
Frage an Erwerbstätige:
„Haben Sie mit der Vorbereitung auf den Ruhestand begonnen?“
Ergebnis:
Vor zehn Jahren hatten bundesweit 82 Prozent der Erwerbstätigen Planungen für ihren
Ruhestand schon entwickelt. Heute sind es 60 Prozent, also ein Viertel weniger.
Frage an Erwerbstätige:
Würden Sie dieser Aussage zustimmen: „Ich weiß gar nicht, ob private Altersvorsorge überhaupt noch Sinn macht“?
Ergebnis:
Die größten Zweifel hegen die Erwerbstätigen in Thüringen mit 61 % gefolgt von Bayern (58%), Brandenburg und Sachsen (beide 57%) sowie Mecklenburg mit 53%.
Der Bundesdurschnitt bildet mit 49 % das Schlusslicht.
Frage an Erwerbstätige:
„Wie viel Euro monatlich sparen / investieren Sie regelmäßig im Hinblick auf Ihre private Altersvorsorge?“
Ergebnis:
Spitzenreiter mit 345€ im Monat ist das Saarland dicht gefolgt von Hamburg (323€ i. M.).
Während der Bundesdurchschnitt bei 257€ i.M. liegt, fallen Berlin mit 194€ i.M. und Sachsen (178€ i.M) weit von den Sparleistung der restlichen Bundesländer ab.
Quelle: AXA Deutschland-Report 2015 sowie AXA Ruhestand-Barometer 2005
Für den Deutschland-Report zur Ruhestandsplanung haben die AXA und das Meinungsforschungsinstitut YouGov im März und April 2015 rund 3200 Interviews mit Rentnern und Erwerbstätigen in allen Bundesländern geführt. So konnten sie auch regional unterschiedliche Wahrnehmungen des Ruhestands und der Ruhestandsplanung ausfindig machen.
Ökonomische Belastung
Auch wenn dieser Generationenkonflikt für die meisten kaum überraschend sein dürfte - die Gefahr liegt darin, dass er sich wohl in den kommenden Jahren massiv verschärfen wird. Denn das Ungleichgewicht zwischen den Generationen nimmt immer weiter zu. 2011 mussten 100 Beschäftigte 31 Rentner finanzieren, in knapp 20 Jahren werden es schon 55 Ruheständler sein, die finanziert werden wollen. Wohlgemerkt, Anfang des Jahrtausends waren es nur 24 Rentner je 100 Berufstätige. Das Verhältnis droht also deutlich zu kippen.





Hinzu kommt die Interessenverlagerung, die ebenfalls zu Lasten der Zufriedenheit bei den Erwerbstätigen geht. Je älter die Bevölkerung im Durchschnitt ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass in Politik und Gesellschaft vor allem die Interessen der Älteren verfolgt werden.
Das kann gefährliche wirtschaftliche Folgen haben, wie Henning Vöpel, Direktor am Hamburgerischen Weltwirtschafts Institut (HWWI), in einem Aufsatz konstatiert: „Die politischen Mehrheitsverhältnisse verschieben sich zu Ungunsten der Jüngeren“, schreibt Vöpel. Besitzstandswahrung und intergenerative Verteilungskonflikte würden so zum Hauptgegenstand der Politik.
Das Wichtige, nämlich Investition und Innovation, würden dagegen vernachlässigt. „Eine alternde Gesellschaft spart viel und investiert risikoavers“, erklärt Vöpel.
Wo die zufriedensten Rentner wohnen
Je schneller Deutschland in diese demografische Falle läuft, desto stärker droht sich die Zufriedenheitsspanne zwischen Jüngeren und Älteren zu verschärfen. Hinzu kommt, dass die zunehmende Digitalisierung den Bedarf an Innovationen noch erhöht. Stellt sich die alternde Gesellschaft nicht darauf ein, droht eine langfristige Wachstumsschwäche.
Niedrige Zinsen belasten
Hinzu kommen die niedrigen Zinsen, die vor allem den Jungen die Aussicht auf den Ruhestand vermiesen. Viele sind verunsichert, ob und wie sich das Anlegen für den Ruhestand überhaupt noch lohnt. Auch der AXA Deutschland-Report zeigt ein stark gesunkenes Engagement bei der Vorsorge. Demnach haben sechs von zehn Beschäftigten damit bereits begonnen. Vor zehn Jahren waren es noch 82 Prozent gewesen. Die entstehende Lücke ist den Beteiligten allerdings durchaus bewusst. Bundesweit halten sie im Schnitt einen monatlichen privaten Vorsorgeaufwand von 412 Euro für nötig, legen aber durchschnittlich nur 257 Euro pro Monat zurück.





Nicht nur die Unsicherheit, auch die monatlichen Sparbeiträge zur privaten Altersvorsorge sind im Osten Deutschlands am niedrigsten. Nur 178 Euro investieren die Sachsen durchschnittlich in ihre private Altersvorsorge. Zum Vergleich: die Saarländer sparen mit 345 Euro den höchsten Betrag. Die Tendenz dürfte auch bei der Vorsorge fürs Alter eher negativ ausfallen. „Sechs von zehn Erwerbstätigen schließen wegen der niedrigen Zinsen keine neuen Vorsorgeverträge mehr ab“, schreibt die AXA in ihrem Report.
Offenbar ist die Unsicherheit in Sachen Altersabsicherung eng mit der Form der Vorsorge verknüpft. Relativ optimistisch in Sachen Rente sind vor allem die Erwerbstätigen im Saarland und in Baden-Württemberg – gleichzeitig ist in diesen beiden Bundesländern auch der Anteil derer am höchsten, die auf ein Eigenheim als Altersvorsorge setzen. Jeweils zwei Drittel der Saarländer und Baden-Württemberger gehen davon aus, mit ihren eigenen vier Wänden gut auf die Rente vorbereitet zu sein. Gleichzeitig befürchten laut AXA Deutschland-Report Sparer ohne eigene Immobilie bundesweit rund doppelt so häufig, im Alter nicht ausreichend Geld zu haben, wie Immobilienbesitzer.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Stimmungskiller in Bayern
Auch wenn die Erwerbstätigen in Baden-Württemberg und Saarland noch am positivsten in die finanzielle Zukunft als Rentner schauen, sind sie im bundesweiten Vergleich nicht unbedingt die zufriedensten Rentner. Am positivsten überrascht sind die Ruheständler laut AXA-Report in Bremen und Rheinland-Pfalz, dort sind jeweils vier von fünf Rentner der Meinung, ihre Lebensqualität sei besser geworden oder zumindest gleich geblieben. Ein Stimmungskiller ist der Ruhestand dagegen in Bayern und Thüringen, fast jeder dritte Befragte erklärt, sein Lebensstandard habe sich verschlechtert.
Vorsorge
Perspektivisch sind die Aussichten in Sachen Altersvorsorge in Deutschland nicht rosig. In die demografische Falle sind wie längst reingetappt, und auch die niedrigen Zinsen dürften uns noch eine Weile begleiten. Bisher macht die Europäische Zentralbank (EZB) keine Anstalten, ihre geldpolitische Richtung zu verändern. Das Vorsorge-Dilemma der Erwerbstätigen dürfte damit zunehmen.
Sie haben es im Niedrigzinsumfeld nicht nur schwerer, ausreichend vorzusorgen, sondern müssen auch immer mehr Ruheständler finanzieren. Belastend hinzu kommen die ökonomischen Folgen des demografischen Wandels - je schwächer das Wachstum, desto geringer die Lohnsteigerungen, desto höher die Arbeitslosigkeit, desto problematischer die Altersvorsorge.