Rente Was von Ihrer Altersvorsorge übrig bleibt

Das Zinstief lastet schwer auf den Altersvorsorge-Sparern. Doch wie karg fällt die private Vorsorge im Alter tatsächlich aus? Eine Analyse zeigt Rentenhöhen und Renditen für neue Policen. Die Ergebnisse alarmieren.

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Eine kleine Plastikfigur sitzt am 08.11.2012 in Berlin in einem Liegestuhl vor dem Schriftzug

Spätestens seit dem 1. Januar können Altersvorsorge-Sparer die Augen nicht mehr vor der Niedrigzinsrealität verschließen. Seit dem Jahreswechsel garantieren Lebensversicherer den Neukunden bei klassischen Policen nur noch einen Zins von 1,25 Prozent auf ihren Sparanteil, der den monatlichen Beiträgen abzüglich der anfallenden Kosten entspricht. Wie hart die Garantiekürzung die Versicherten in der Praxis trifft, hat das unabhängige Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) für "Handelsblatt Online" ausgerechnet.  

Neukunden, die ab sofort jeden Monat 100 Euro in eine klassische Rentenpolice einbezahlen, müssen im Marktschnitt 23 Jahre sparen, um bei einem Garantiezins von 1,25 Prozent im Plus zu landen. „Erst nach 23 Jahren garantieren die Versicherer in diesem Fall eine positive Rendite“, sagt Joachim Geiberger, Geschäftsführer von Morgen & Morgen. „In den Jahren 1994 bis 2000, als der Garantiezins noch vier Prozent betrug, erzielten Sparer bereits nach weniger als 12 Jahren einen garantierten Beitragserhalt“.

Typische Irrtümer von Riester-Sparern

Natürlich bieten die Versicherer mehr als den Garantiezins. Bis dato markiert die garantierte Beitragsrendite das Worst-Case-Szenario – die Mindestrendite, auf die Sparer in jedem Falle zählen können, sollten alle Überschüsse ausbleiben. Das ist bislang noch nie passiert. Doch die Luft wird auch hier immer dünner.

Aktuell erzielen Versicherer im Branchendurchschnitt noch eine laufende Verzinsung von 3,15 Prozent. In den vergangenen drei Jahren sank diese aber mit schöner Regelmäßigkeit um rund 20 bis 30 Basispunkte. „Vor dem Hintergrund des niedrigen Garantiezinses kommt der Überschussbeteiligung eine besondere Bedeutung zu“, sagt Lars Gatscke vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

Weil die Neuanlage kaum mehr Zinsen einbringt und Versicherer mit den Überschüssen auch Reserven bilden müssen, schmilzt die Überschussbeteiligung dahin. Die führenden Analysehäuser gehen davon aus, dass der sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt.

Weil es innerhalb des Kollektivs immer weniger zu verteilen gibt, verlieren klassische Lebenpolicen für renditebewusste Sparer an Attraktivität. Wie karg die Renditen in der Praxis ausfallen und mit welchen absoluten Renten die Versicherten im aktuellen Niedrigzinsumfeld rechnen können, zeigt jetzt eine aufwendige Studie. Das Analysehaus Morgen & Morgen hat für Handelsblatt Online ausgewertet, wie stark das Zinstief auf Neuverträge von klassischen Rentenpolicen und Fondspolicen durchschlägt.

Die Privat-Rente ist sicher, aber ziemlich niedrig

Jahrelang war die klassische Lebenpolice das Produkt, mit dem die Deutschen fürs Alter vorsorgen wollten. Gut 76 Millionen klassische Leben- und Rentenpolicen gab es 2013 in der Bundesrepublik – statistisch gesehen hat fast jeder Deutsche damit das eine oder andere. Ob das Produkt auch in naher Zukunft ein Kassenschlager bleibt, ist fraglich. Denn der neue, niedrigere Garantiezins wirkt mit voller Wucht auf die sicheren Renditen der konservativen Rentensparer.

Die Analyse von Morgen & Morgen zeigt: Würden alle Überschüsse wegfallen, schaffen es nach zwölf Jahren lediglich zwei von 34 Anbietern, eine minimal positive Beitragsrendite zu garantieren. In den allermeisten Fällen fressen die Kosten zu viel vom Sparbetrag auf, als dass die reine Garantieverzinsung das kompensieren könnte.

Die garantierte Rente ist dementsprechend niedrig: Weniger als die Hälfte der 100 Euro Einsatz würde ein Sparer nach zwölf Jahren im Schnitt jeden Monat bis zum Lebensende ausbezahlt bekommen. Mit Überschüssen sieht die Situation ein wenig besser, aber auch nicht wirklich gut aus. 1,72 Prozent Rendite könnte ein Sparer nach zwölf Jahren erwarten – oder 57 Euro monatliche Rente.

Vor- und Nachteile der Altersvorsorge mit VL

Altersvorsorge ist aber nichts für Sparer mit kurzem Atem. Mindestens 20, besser 30 oder mehr Jahre sollten die Versicherten für ihre Vorsorge einkalkulieren. Aber auch bei langlaufenden Verträgen gibt es Probleme. Bei Policen mit 20 Jahren Dauer schaffen es 17 von 39 Tarifen, wenigstens den Beitragserhalt zu garantieren.

Am besten wirtschaften die Europa Versicherung, Cosmos Direct oder die Hannoversche Leben. Zwischen 83 und 88 Euro garantierte Rente kann ein Sparer erwarten, der heute bei diesen Gesellschaften eine klassische Police über 20 Jahre abschließt. Mit Überschüssen schafft die Branche nach heutiger Hochrechnung eine durchschnittliche Rente von 105 Euro, wenn die Versicherten zwanzig Jahre jeden Monat 100 Euro einzahlen.

Wie sieht es bei Policen mit einer Laufzeit von 30 Jahren aus? Drei von 39 Anbietern können ihren Versicherten nicht den Erhalt ihrer Beiträge garantieren. Dazu zählen die Ergo Leben, Helvetia und die Ideal Lebensversicherung. Nur den Garantiezins angesetzt, lägen die garantierten Beitragsrenditen im Marktschnitt bei 0,24 Prozent. Ab Rentenantritt hätte der Kunde einen Mindest-Anspruch auf monatlich 121 Euro.

Nur, wenn der Versicherer auch künftig verlässlich Überschüsse erzielen könnte, würde sich der Sparvertrag wirklich lohnen. Würde die Überschussbeteiligung so bleiben wie in diesem Jahr, hätten Rentner bis zum Lebensende im Branchenmittel knapp 185 Euro Privatrente jeden Monat. Die Spanne im Markt ist groß.

Die Europa, Allianz, Debeka, HUK 24 und Neue Leben bieten Neukunden über die lange Laufzeit aktuell die besten Aussichten – was garantierte und mögliche Rente angeht. Bei der Europa können Kunden, gerechnet mit aktuellen Überschüssen, mit einer Rente von 225 Euro im Monat rechnen – immerhin 40 Euro mehr als der Durchschnitt. „Ein individueller Marktvergleich ist absolut notwendig, damit sich die private Altersvorsorge lohnt“, sagt Geiberger.

Fondspolicen ohne Garantie – Größere Chancen, höhere Risiken

Mit Blick auf die schwindenden Überschussbeteiligungen und Garantien ist sich Stephan Kalb, Teamleiter der deutschen Versicherungsanalyse bei der Ratingagentur Fitch, sicher, dass es die klassischen Policen im Vertrieb schwer haben werden.

Profitieren dürften andere Produkte: „Die vergangenen Zinssenkungen werden dazu führen, dass Produkte mit Garantiezins gegenüber anderen Angeboten an Attraktivität verlieren.“ Die Folge: Seit gut einem Jahr bastelt die Branche an neuen Produkten, die flexibler mit Garantien umgehen. Branchenbeobachter sprechen von rund 30 Unternehmen, die mittlerweile Policen ohne Garantien anbieten, die den klassischen Verträgen zumindest optisch ähneln.

Laut Kalb könnte aber „auch die reine fondsgebundene Lebensversicherung schon bald wieder an Zulauf gewinnen“. Schon seit 2006 bieten Versicherer neben der klassischen Variante auch Lebenpolicen an, bei denen die Beiträge zu 100 Prozent am Kapitalmarkt investiert werden.

Was im aktuellen Marktumfeld Chancen bieten kann, hat allerdings auch seine Kehrseite: Eine garantierte Verzinsung gibt es nicht, bei einem Börsencrash steht die Altersvorsorge zur Disposition. Soweit ist es aber bislang nicht gekommen, für Anleger mit langem Atem bietet die Börse gute Renditechancen. „Die Branche zeigt derzeit bei den Hochrechnungen oft eine Performance der Nettoverzinsung der Fonds von sechs Prozent“, sagt Geiberger von Morgen & Morgen. Das Analysehaus kalkuliert ebenfalls unter dieser Annahme.

Laufende Verzinsung wichtiger bAV-Versicherer

Lange Zeit waren klassische Fondspolicen gegenüber klassischen Lebenpolicen im Hintertreffen. „Die Deutschen sind keine Fondssparer“, sagt so mancher Branchenkenner bisweilen frustriert. Die Bürger wollen also traditionell kein Risiko bei der Altersvorsorge eingehen. Doch nicht nur das unterschiedliche Chancen-Risiko-Profil schreckte viele Deutsche. Denn Fondspolicen gelten auch als vergleichsweise teuer.

In der aktuellen Hochrechnung der Renditen von Fondspolicen schlagen die Kosten zu Buche. „Fondsgebühren in Höhe von 1,7 Prozent wie in der aktuellen Hochrechnung sind üblich“, weiß Geiberger. Dazu kommen andere laufende Kosten und Abschlusskosten. Bei einer Laufzeit von zwölf Jahren betragen die Kosten bei Fondspolicen im M&M-Vergleich 3,6 Prozent der Beiträge. Günstiger ist es, wenn der Vertrag 30 Jahre läuft. Dann fressen die Kosten noch rund 2,4 Prozent der Einzahlungen auf.

Zum Vergleich: Bei den klassischen Rentenpolicen liegen die Kostenquoten im Branchenmittel mehr als einen Prozentpunkt niedriger. Trotz höherer Kosten übersteigen die Rendite und auch die Rentenhöhe trotzdem das, was eine klassische Lebenpolice bei gleicher Laufzeit samt Überschussbeteiligung bereithalten würde. Bedingung ist natürlich ein guter Fonds, der in den M&M-Annahmen sechs Prozent per annum bringt. Für die Police über zwölf Jahre könnte der Kunde am Ende der Laufzeit mit durchschnittlich 4,1 Prozent Rendite rechnen, für die Police über 30 Jahre mit 5,2 Prozent.

Bei den besten Anbietern über die lange Laufzeit – Europa, Barmenia, Continentale – liegen die möglichen Renditen bei 5,9 Prozent (Europa) und 5,6 Prozent (Barmenia, Continentale). Neukunden können bei den besten Anbietern im Beispielfall bis zu 326 Euro monatliche Rente erwarten. Im Branchenschnitt sind es 278 Euro.

Mehr Sicherheit bei steigenden Kosten

Für Sparer, die am Finanzmarkt eine höhere Rendite als bei klassischen Rentenpolicen erzielen möchten und trotzdem ein Mindestmaß an Sicherheit erwarten, kann der Abschluss einer Fondspolice mit Beitragsgarantie interessant sein. Sparer müssen aber wissen: Bei der Geldanlage gibt es nichts geschenkt.

Kunden bezahlen für Fondspolicen mit Beitragserhalt noch einmal mehr als für garantielose Fondspolicen. Im M&M-Vergleich betragen die Kosten der beitragserhaltenden Fondspolice bei zwölf Jahren Laufzeit im Schnitt bei 3,7 Prozent und bei 30 Jahren noch 2,8 Prozent. Die möglichen Renditen liegen damit zwischen denen von klassischen Rentenpolicen und denen von Fondsverträgen ohne Garantie.

Mit durchschnittlich 3,6 Prozent Rendite kann ein Neukunde bei einer Fondspolice mit Garantie nach zwölf Jahren im Schnitt rechnen. 4,1 Prozent sind es im Vergleich der garantielosen Fondspolicen. Nach 30 Jahren könnte der Neukunde knapp 4,6 Prozent Rendite erwarten – rund 0,6 Prozentpunkte weniger als bei der Variante ohne die Beitragsgarantie.

Ausgedrückt in absoluten Rentenhöhen, kann ein Neukunde, der ab heute 100 Euro monatlich einbezahlt, nach 30 Jahren mit 250 Euro Rente rechnen. Das sind 28 Euro weniger als bei der garantielosen Fondspolice. Die besten Anbieter im Vergleich übertreffen den Durchschnitt aber deutlich. Eine Monatsrente von 310 Euro würde die Alte Leipziger nach 30 Jahren bieten, 300 Euro die Stuttgarter, 290 Euro die Axa

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