Renten-Diskussion Taschenspieler-Tricks und Zahlensalat

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Was bleibt als Standardrentner

Aktuell weist die Rentenversicherung diese Zahlen nur für 2014 so detailliert aus (mit Datenstand Mai 2015): Die Rente nach Abzug der Sozialabgaben und vor Steuern liegt demnach beim Standardrentner bei 13.743 Euro. Diese Zahl wird ins Verhältnis gesetzt zum Durchschnittsentgelt der Arbeitnehmer. Von 34.507 Euro Bruttoentgelt der Arbeitnehmer gehen hier 5959 Euro Sozialabgaben ab, so dass unter dem Strich Arbeitnehmern 28.548 Euro Nettoentgelt vor Steuern blieben. Doch, merkwürdig: Damit lägen die Sozialabgaben der Arbeitnehmer nur bei 17,3 Prozent (5959 Euro von 34.507 Euro Bruttoentgelt). Das jedoch ist falsch: Schon 2014 mussten Arbeitnehmer gut 20 Prozent an Sozialabgaben tragen.

Auf den Fehler hatte das Deutsche Institut für Altersvorsorge schon 2013 gemeinsam mit dem Finanzmathematiker Werner Siepe hingewiesen. Die Erklärung ist genauso bizarr wie simpel. "Seit 2005 zieht man zur Berechnung des Netto-Durchschnittsentgelts vor Steuern nicht den tatsächlichen Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung ab, sondern die volkswirtschaftliche Sozialabgabenquote", erklärt Siepe. Sie gibt an, wie viel alle Erwerbstätigen an Beiträgen zur Sozialversicherung aufbringen. Dazu zählen natürlich auch Beamte und Selbstständige. Doch Beamte zahlen überhaupt keine Sozialabgaben, einige Selbstständige auch nicht. Im Ergebnis liege die volkswirtschaftliche Sozialabgabenquote systembedingt immer einige Prozentpunkte unter dem Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung, so Siepe.

Trotz des Hinweises hat sich nichts geändert. Politik und Rentenversicherung rechnen weiter wie bisher. Kaum jemand hinterfragt die Zahlen. Im konkreten Fall kann man der Regierung wenigstens nicht vorwerfen, das Problem schön zu reden. Würde das Sicherungsniveau vor Steuern richtig berechnet, läge es sogar etwas höher als bei der genutzten falschen Berechnung. Für 2014 ergäbe sich ein Wert von rund 50 Prozent statt der ausgewiesenen 48,1 Prozent.

Die 10 schlimmsten Fehler bei der Vorsorge
Schlecht informiertDie Deutschen kaufen Autos, Computer, Küchengeräte und gehen auf Reisen. Vor dem Kauf werden oft zahlreiche Testberichte gelesen. Geht es allerdings um Versicherungen und die eigene Vorsorge, sieht dies anders aus. Dabei sind ausreichende Informationen wichtig, um teure Fehlabschlüsse zu vermeiden. Quelle: Institut GenerationenBeratung IGB Quelle: Fotolia
Lückenhafte VorsorgeOft werden einzelne, wichtige Teile der Altersvorsorge vergessen. Dazu gehören: 1) individuelle Vorsorgevollmacht 2) Patientenverfügung 3) Klärung der Finanzen im Pflegefall 4) Testament Quelle: Fotolia
Die falschen Berater„Freunde, Familie und Bekannte in alle Vorsorgefragen einzubeziehen, ist wichtig und stärkt die Bindung zueinander. Doch sich allein auf ihren Rat zu verlassen, wäre fatal“, sagt Margit Winkler vom Institut GenerationenBeratung. Denn nur ausgebildete Finanzberater könnten auch in Haftung genommen werden. Sie sind verpflichtet, alle besprochenen Versicherungen und Vorsorgeprodukte zu dokumentieren. Quelle: Fotolia
Vorsorge ist nicht gleich VorsorgeJeder sollte seine Altersvorsorge an seine eigenen Bedürfnisse anpassen, pauschale Tipps von Beratern oder Freunden taugen in der Regel wenig. Je nach Familiensituation können andere Versicherung und Vorsorgeleistungen wichtig sein. „Vor allem in Patchwork-Situationen oder bei angeheirateten Ehepartnern gelten andere Spielregeln in der Vorsorge", sagt Winkler. Quelle: Fotolia
Schwarze Schafe Deshalb ist bei der Auswahl des Beraters Vorsicht geboten, in der Branche sind schwarze Schafe unterwegs. Geht ein Berater nicht auf die persönliche Situation ein oder preist ein bestimmtes Produkt besonders an, sollten die Kunden hellhörig werden.
Informiert ins GesprächWer Fehlern im Zuge von Falschberatung entgehen will, der muss sich vorher selber informieren. Je besser der Kunde im Beratungsgespräch selber informiert ist, desto eher kann er schlechte Berater enttarnen. Quelle: Fotolia
Vorsorge-FlickenteppichBeraterin Winkler warnt davor, zu viele Verträge bei vielen verschiedenen Beratern abzuschließen. Am Ende drohten Versicherte, den Überblick zu verlieren, besser sei eine ganzheitliche Lösung, die auf die individuelle Situation abgestimmt ist. Quelle: Fotolia

Eine echte Nettobetrachtung - also auch nach Steuern - wäre grundsätzlich sowieso sinnvoller. Doch die ist kaum möglich. Durch den schrittweisen Übergang zur nachgelagerten Rentenbesteuerung wäre diese Kennzahl nicht mehr zwischen verschiedenen Jahrgängen sinnvoll vergleichbar.

Worauf Beitragszahler sich einstellen sollten

Finanzmathematiker Siepe plädiert daher dafür, nur das Bruttorentenniveau vor Steuern als Kennzahl heranzuziehen. Hier bleiben Steuern und Sozialabgaben bei Renten und Arbeitsentgelten unberücksichtigt. Und anders als das Sicherungsniveau vor Steuern könne es nicht so leicht verzerrt werden.

Die Top 5 Rentenversicherer mit den höchsten Auszahlungen

Laut Alterssicherungsbericht 2012 der Bundesregierung soll dieses Bruttorentenniveau bis 2030 auf 40,6 Prozent sinken. Für 2015 war ein Wert von 44,6 Prozent erwartet worden. Tatsächlich lag er bei 45,1 Prozent. Siepe geht davon aus, dass im nächsten Alterssicherungsbericht 2016 die Prognose für 2030 auf 41 Prozent leicht erhöht wird. Damit würde es pro Jahr um knapp 0,3 Prozentpunkte sinken – allerdings nicht kontinuierlich, sondern besonders stark erst von 2020 an. Darauf sollten sich die Beitragszahler von heute also einstellen.

Verlässliche Zahlen sind wichtig. Vor allem in einer so zukunftsweisenden Debatte.

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