Der Eckrentner hat ausgedient, stellt Michael Böhmer vom Prognos-Institut gleich zu Beginn der Präsentation der Studie "Rentenperspektiven 2040" klar. Im Auftrag der Versicherungswirtschaft (GDV) hat Prognos vorausberechnet, wie es deutschen Rentnern in 25 Jahren gehen wird - aufgeschlüsselt nach Berufen, Regionen und Geschlecht. Der Eckrentner, also der Durchschnittsverdiener, der 45 bis 47 Jahre konstant in die Rentenversicherung einzahlt, kommt in dieser Betrachtung nur als statistische Größe vor, denn eine derart idealtypische und stete Erwerbsbiografie ist in der Realität praktisch nicht anzutreffen.
Wie gut ein Rentner in 25 Jahren von seiner gesetzlichen Rente leben kann, hängt vielmehr von vielen Faktoren ab: Wie sind die beruflichen Entwicklungsperspektiven während des Arbeitslebens und damit die Aussicht auf Gehaltssteigerungen? Wie groß ist das Risiko von Arbeitslosigkeit und damit Lücken in der Erwerbsbiografie? Wie ist das Preisniveau am Wohnort und dementsprechend groß die Kaufkraft der Rentenbezüge? Um diese Fragen zu beantworten, hat Prognos tausende Erwerbsbiografien untersucht und diese für Männer und Frauen in jeweils drei typisierten Berufen unterschiedlicher Gehaltsniveaus bis in das Jahr 2040 fortgeschrieben. Im nächsten Schritt wurden diese typisierten Fälle auf Lohniveau und die wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven in den 402 Kreisen und kreisfreien Städte angepasst. Somit entstand letzten Endes eine Landkarte Deutschlands, die anzeigt, wie gut es den Ruheständlern in den Regionen im Jahr 2040 mit ihrer gesetzlichen Rente gehen wird. Dieses Bild soll der Realität deutlich näher kommen als der statistische Eckrentner.
Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Die Rentenhöhe hängt maßgeblich von der Berufswahl und der Region ab, in der erst gearbeitet und dann der Ruhestand verbracht wird. So hat etwa eine Verkäuferin mit zwei Kindern nicht nur ein niedriges Einkommensniveau, sondern wegen der Erziehungszeiten auch Lücken auf dem Rentenkonto. Lebt und arbeitet sie in Weimar, dürften Gehaltsniveau und geringe Chancen auf kräftige Lohnerhöhungen zudem dazu führen, dass sie 2040 nur eine Bruttorente von 960 Euro erhält.
Der Bundesdurchschnitt läge für die Verkäuferin hingegen bei 1095 Euro. Verbrächte sie die nächsten 25 Jahre gar in der Boomregion Erlangen, dürfte sie wegen es höheren Gehaltniveaus und eines intakten Arbeitsmarktes schon mit 1173 Euro Bruttorente rechnen.
Der Haken: In Erlangen ist auch das Preisniveau besonders hoch, so dass die Kaufkraft der Rente entsprechend geringer ausfällt. Ein Beispiel verdeutlicht das: Mit ihrer Durchschnittrente von 1095 Euro hätte die Verkäuferin im oberpfälzischen Tirschenreuth ein Kaufkraft, die in heutigen Preisen 1313 Euro entspräche. In München hingegen wären ihre 1095 Euro nur 838 Euro wert.
Mehr private Vorsorge in Westdeutschland
Die Kaufkraftbetrachtung führt dazu, dass die wirtschaftlichen Boomregionen wegen ihres hohen Preisniveaus und der zu erwartenden Steigerung desselben bis zum Rentenalter im Ruhestand keine monetären Vorteile mehr bieten. "Die wirtschaftlichen Kraftzentren der Republik, also Kreise mit hoher Wertschöpfung, Zunahme der Erwerbstätigkeit, starker Einkommensentwicklung und niedriger Arbeitslosigkeit, sind weder heute noch in Zukunft die besten Orte für Rentner. Hier ist das Leben schlicht zu teuer", konstatieren Michael Böhmer und seine Prognos-Kollegen im Fazit der Studie.
Die Untersuchung zeigt noch etwas: Wer wenig verdient, kommt auf ein relativ höheres Bruttorentenniveau als ein Gutverdiener. Die Verkäuferin aus dem Beispiel sichert über die gesetzliche Rente etwa 50 Prozent ihres Bruttolohns ab. Eine kinderlose Teamleiterin mit lückenlosen Rentenzahlungen und höherem Gehalt schafft damit im Bundesdurchschnitt nur ein Drittel ihres bisherigen Einkommens im Alter.
Rentenprognosen für 2040
Die vorliegenden Berechnungen stammen aus der Studie "Rentenperspektiven 2040" von Prognos. Die Prognosen beziehen sich jeweils auf zwei Kreise im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Berechnet wurden jeweils die durchschnittliche Bruttorente für sechs typisierte Erwerbsbiografien. Erwerbslücken aufgrund von Kindererziehungszeiten weisen in diesem Beispiel zwei Erwerbsbiografien auf. Gerechnet wurden die Prognosewerte ohne Inflationsanpassung, das heißt nach dem Preisniveau in Euro aus dem Jahr 2015 um die Zahlen mit heutigen Werten vergleichbar zu machen. Nominal dürften die zukünftigen Renten und Einkommenshöhen 2040 entsprechend höher liegen. Der Kaufkraftvergleich steht im Zentrum der Betrachtung.
Stand: 12.11.2015
Bruttorente (€) | Bruttorentenniveau |
1678 | 38,90 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hamburg | 2726 | 2383 | 33,5 % |
Schwerin | 2291 | 2343 | 33,6 % |
Bund | 2597 | 34,0 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Halle | 2045 | 2158 | 35,8 % |
Saalekreis | 2191 | 2463 | 34,4 % |
Bund | 2324 | 36,9 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Berlin | 1451 | 1369 | 35,3 % |
München | 1452 | 1113 | 34,4 % |
Bund | 1456 | 35,4 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hildesheim LK | 1083 | 1174 | 52,0 % |
Konstanz LK | 1086 | 1026 | 50,9 % |
Bund | 1095 | 50,8 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hohenlohekreis | 2579 | 2658 | 34,1 % |
Merzig-Wadern | 2391 | 2439 | 35,5 % |
Bund | 2366 | 33,6 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Bonn | 1611 | 1506 | 42,1 % |
Köln | 1620 | 1473 | 41,8 % |
Bund | 1612 | 39,7 % |
Ist heute vor allem für ostdeutsche Rentner das Einkommen aus der gesetzlichen Rente in der Regel höher als im Westen - was etwa an den durchgängigeren Erwerbsleben zu weit höherem Anteil berufstätiger Frauen zu DDR-Zeiten zurückzuführen ist, ändert sich das Bild bis 2040 deutlich. Dann werden sich die Einkommensniveaus der Rentner über ganz Deutschland durchmischt haben. Lediglich in den teuren Metropolen und Boomregionen bleibt der Wohlstand nach Kaufkraft unterdurchschnittlich. Im Landkreis nebenan kann das Niveau schon wieder weit überdurchschnittlich ausfallen.
Allerdings darf bei der Betrachtung des derzeitigen Ost-West-Gefälles nicht vergessen werden, dass die Einkommensunterschiede nur die gesetzlichen Renten betreffen. Während in Ostdeutschland die Ruheständler 90 Prozent ihrer Einkünfte aus der gesetzlichen Rente beziehen, sind es in Westdeutschland nur zwei Drittel der Einkünfte. Dort kommen häufiger noch Betriebsrenten, private Vorsorge oder Vergleichbares zum Tragen.
Aus der Studie eine Handlungsanweisung für die heutige Generation 40-Plus abzuleiten, ist schwierig. Zum einen sollte bei aller Sorge um die künftige Rentenhöhe das Preisniveau vor Ort nicht aus den Augen verloren werden. Zum anderen hilft eine möglichst durchgängige Erwerbsbiografie sicher immer, die künftige Rentenhöhe planbarer zu machen.
Letzten Endes muss jedem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten heute klar sein, dass selbst bei günstiger Einkommenssituation kaum mehr als die Hälfte des bisherigen Bruttogehalts durch die spätere gesetzliche Rente gedeckt sein wird, sondern im Gegenteil dieses Niveau durchaus auch auf ein Drittel absacken kann. Auf weitere Maßnahmen zur Altersvorsorge zu setzen und dafür zu sparen, bleibt somit unerlässlich. Und das wiederum bedeutet Kaufkraftverzicht. Und nur wer clever spart, holt die maximale Rente bis ins hohe Alter raus.