Mit 100 Euro Monatsbeitrag die Versorgungslücke im Alter auffangen? So hatte man sich das offenbar in Regierungskreisen vorgestellt, im Jahr 2002, zum Start der Riester-Rente. Eine neue kapitalgedeckte Altersvorsorge mit staatlichen Zulagen und Steuervorteilen sollte die Demografie-Misere der gesetzlichen Altersvorsorge lösen, Bundesbürger zu Renditejägern machen und die schrittweise Absenkung der gesetzlichen Rente abfedern.
Heute tun die Politiker so, als habe man sie hinters Licht geführt. „Traumrenditen“, hätten die Riester-Anbieter der Politik versprochen, meint sich Karl-Josef Laumann, heute Sprecher des Arbeitnehmerflügels der CDU, zu erinnern. Er bemängelt ebenso, dass ein einfaches, transparentes und kostengünstiges Riester-Produkt fehle. Der CDU-Bundestagsabgeordnete vergisst aber – wie viele andere Politiker quer durch die Parteien auch –, dass vor allem die politischen Vorgaben Riestern komplex gemacht haben. „Die Diskussion zeigt nur, wie wenig Detailwissen auf höchsten Regierungsebenen vorhanden ist“, sagt Lars Kalwitzke vom Finanzvermittler Deutsche Direktanlage in Berlin.
Die Diskussion in Berlin verunsichert Sparer
Willkommen in der Wirklichkeit. 16,5 Millionen Riester-Verträge haben die Deutschen abgeschlossen. Allein in den 3,1 Millionen Depots bei den Fondsgesellschaften der Banken liegen rund 22 Milliarden Euro an angespartem Kapital. Wie viel Kapital Sparer in den klassischen elf Millionen Riester-Verträgen bei Versicherungen liegen haben, ist ein Geheimnis. Hochgerechnet müssten es um die 50 Milliarden Euro sein.
Die aktuelle Diskussion der Politik um Riester hat Folgen: Statt 200 Riester-Neuverträge am Tag wie noch vor einem Jahr kommen etwa bei der Deutsche-Bank-Fonds-Tochter DWS täglich nur 120 an.
Von dem Hickhack auf der Wahlkampfbühne sollten sich Riester-Sparer aber nicht irritieren lassen. Jeder sollte die Förderung nutzen und versuchen, selbst das Beste aus einem Vertrag herauszuholen.
Überschüsse der Versicherer schrumpfen wegen Niedrigzins
Wer sich allerdings zutraut, seine Geldanlage selbst in die Hand zu nehmen, der kann sich die Förderung schenken. Mit einer guten Anlagestrategie holt er die Zuschüsse mühelos auf. Die sehen so aus: Es gibt jährlich 154 Euro staatliche Maximalzulage für diejenigen, die vier Prozent ihres sozialversicherungspflichtigen Einkommens in einen Riester-Vertrag zahlen, und Kinderzulagen in Höhe von 185 Euro (300 Euro für nach 2008 Geborene). Riester-Sparer zahlen aus dem Nettoeinkommen bis zu 2100 Euro ein, erst über den Umweg der Steuererklärung stellt das Finanzamt sie so, als hätten sie steuerfrei eingezahlt. Die Zulagen gehen von dem Steuervorteil ab. In der Rentenphase holt sich der Staat dann Geld zurück: Die Riester-Rente muss mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden.
Typische Irrtümer von Riester-Sparern
Sie übersehen, dass die Verzinsung variabel ist. Die Bank kann also die Zinsen jederzeit senken. Nur Lebens- und Rentenversicherungen müssen laut Gesetz mindestens 1,25 Prozent Zinsen garantieren, ab 2017 sind es nur noch 0,9 Prozent. Für Banksparpläne gilt dieser Garantiezins nicht beziehungsweise erst, wenn das Sparguthaben in eine Rentenversicherung überführt wird. Dann sind die Versicherungsbedingungen zu diesem Zeitpunkt gültig. Garantiezins, Sterbetafeln, etc. können sich also während der Ansparphase noch deutlich zu Ungunsten des Sparers ändern.
Ihnen ist nicht klar, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Sparvertrag oder eine vorgezogene Rentenphase die Auszahlung drastisch schmälert. Denn es fehlen nicht nur Einzahlungsjahre, sondern auch die Rentenbezugsdauer steigt gleichzeitig. Es ist also weniger Geld für mehr Rentenjahre im Topf.
Die Riester-Rente lockt Sparer mit zwei Garantien: Der Auszahlung einer lebenslangen Rente, selbst wenn der Kapitalstock aufgebraucht ist, und der Garantie, dass die Einzahlungen, staatlichen Prämien und die bis zum Rentenbeginn aufgelaufenen Zinsgewinne für die Rente bereit stehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Sparer die volle Summe nach zu Lebzeiten ausgezahlt bekommt. Es ist nur eine Garantie dafür, dass der Kapitalstock durch Investition in die falschen Anlagemärkte Verluste erleidet und dahinschmelzen könnte.
Sparer gehen häufig von einer halbwegs realistischen Lebenserwartung aus. Die Anbieter müssen jedoch so kalkulieren, dass sie auch bei Erreichen eines weit überdurchschnittlichen Alters noch eine Rente zahlen können, ohne das Geld anderer Sparer oder ihr eigenes Kapital aufzuwenden, sprich ohne Verluste zu machen.
Sie verwechseln Prognosen und Anlagevorschläge der Anbieter mit Garantien. Dabei gibt es zahlreiche Faktoren, die erheblichen Einfluss auf die Rente haben können. Zum Beispiel ein allgemein sinkendes Zinsniveau, gesetzliche Rahmenbedingungen, Änderungen in den Versicherungsbedingungen, im Steuerrecht und in den Sterbetafeln.
Sie vertrauen auf ihre Bank und ihren Kundenberater. Dabei ist ein Riester-Vertrag eine komplizierte Angelegenheit, bei deren Berechnung auch schnell Fehler passieren. Eine gründliche Prüfung aller Vertragsunterlagen ist Pflicht, am besten durch einen unabhängigen Berater, der gegen Honorar und nicht für eine Verkaufsprovision berät.
Sie konzentrieren sich auf die staatlichen Zulagen und unterschätzen die Steuern in der Auszahlphase. Dabei wird der volle Steuersatz auf das gesamte Guthaben fällig, egal ob Verrentung oder Einmalauszahlung. Vorteilhaft ist diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung nur, weil der persönliche Steuersatz mit Renteneintritt in der Regel deutlich sinkt.
Riester bedient grundsätzlich viele Anleger, vom vorsichtigen Sparer über den Immobilienkäufer bis hin zum risikobereiten Aktiensparer. Die meisten Bundesbürger riestern mit einer Rentenversicherung, weil diese durch ihren Garantiezins und die Beitragsgarantie sehr solide wirkt. Gut wirtschaftende Versicherer zahlen noch Überschüsse, doch die schrumpfen, weil der Niedrigzins den Versicherern zusetzt.
Fonds können höhere Renditen erwirtschaften
Anbieter von Riester-Fonds, die Fondsgesellschaften der Banken und Sparkassen also, haben nicht so strenge Anlagevorschriften wie Versicherer und dadurch Chancen, höhere Renditen zu erzielen, über eine verstärkte Aktienanlage. Börsenabenteuer sind dabei ausgeschlossen, denn bei allen Riester-Verträgen gilt: Die Beiträge sind voll abgesichert, ins Minus rutscht niemand. Banksparpläne sind als die sichersten Produkte gefragt, der Sparer zahlt eigene Beiträge an die Bank, die Zulagen fließen hinzu, normalerweise sollte es Zinsen geben, aber die liegen derzeit nur knapp über der Nulllinie.
Wenn riestern, dann richtig: In den meisten Fällen ist ein Fondssparplan ideal, weil er die höchste Rendite bringt.
Riester-Vorgaben begrenzen auch die Rendite
Eine kostengünstige Fondsvariante mit börsengehandelten Indexfonds bietet Fairr.de in Kooperation mit der Sutor Bank. Bis zu einem Depotvolumen von 10 000 Euro ziehen die Hamburger zwar zwei Prozent jährlich als Kosten ab, darüber hinaus sinkt die Belastung auf ein Prozent. Bei der Deutsche-Bank-Tochter DWS können Riester-Sparer Fondsprovisionen von üblichen drei Prozent per Onlineabschluss halbieren. Bei Direktvermittlern wie AVL, fondsrabatt-mainz oder fonds-super-markt entfallen die Kaufkosten sogar komplett. Und wer schon einen DWS-Vertrag hat, bei dem der Berater von jeder Einzahlung Provision kassiert, der lässt sich bei der DWS einen günstigeren Anbieter als Berater eintragen.
Wie sich die Verträge entwickeln, das erkennen Sparer an den jährlichen Mitteilungen der Anbieter. Lange lag etwa ein 2007 bei der DWS abgeschlossener Vertrag durch die Provisionsbelastung unter der Höhe der Einzahlungen, heute hat er einen Depotwert von 14.455 Euro, 10.932 Euro davon hat der Sparer selbst eingezahlt. Mit 5,77 Prozent ist die Rendite vor Steuern kein Traum, aber im Vergleich zu anderen Anlagen auch nicht schlecht.
Ohne die strengen Riester-Vorgaben wäre es mitunter noch besser gelaufen. So hätte ein normaler Sparplan auf den Aktienindex MSCI Welt den Riester-Vertrag um 3528 Euro übertroffen – ganz ohne Zulagen wären 17.983 Euro herausgekommen. Sogar 20.733 Euro hätte ein globaler Aktienfonds wie der Robeco Global Consumer Trends gebracht. Die Crux aber ist, dass nur 285 von 1390 Aktien- und Mischfonds, für die Thomson Reuters Lipper Sparpläne berechnet hat, sich besser als Riester geschlagen haben. Anleger können bei einer falschen Fondsauswahl auch schlechter abschneiden als mit Riester.
Um Einzahlungen wieder raus zu holen, müssen Sparer 90 Jahre alt werden
Beim größten Anbieter Union Investment liegen die Renditen in den 1,8 Millionen Depots aktuell im Durchschnitt bei immerhin über vier Prozent allein für die eigenen Einzahlungen der Sparer, ohne Zulagen. Renditen zwischen zwei und sieben Prozent hat das Institut für Vorsorge und Finanzplanung aus dem fränkischen Altenstadt aus 1000 unterschiedlichen Riester-Verträgen ermittelt, die bereits fällig wurden.
Alles in allem liegen Anleger zumindest vor Steuern vorn, wie am Ende das Ergebnis wirklich aussieht, hängt von der individuellen Besteuerung ab. Oft müssen Sparer um die 90 Jahre alt werden, um allein die Einzahlungen wieder rauszuholen.
Produktinformationsblätter erst ab 2017
Ein Problem bei der Auswahl: Der Anleger muss sich derzeit noch durch kaum verständliche Informationen wühlen, die ihm die Anbieter liefern. Ein Produktinformationsblatt, das Kosten, Risiken und Ertragschancen der verschiedenen Produkte vergleichbar machen soll, wird der Gesetzgeber – viel zu spät – erst 2017 vorschreiben. Dabei war schon Ende der Nullerjahre der Politik bekannt, dass Anleger wegen der hohen Provisionen für Riester von gierigen Finanzverkäufern zu ständigen Produktwechseln animiert wurden. „Solchen Vertriebsaktionen hat der Gesetzgeber keinen Riegel vorgeschoben, und er hat die Verbraucher nicht wirksam vor Falschberatung geschützt“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Jetzt Guthaben aus einem alten Riester-Vertrag in einen neuen zu übertragen ist nur sinnvoll, wenn es den neuen provisionsfrei gibt. Alte Verträge können Anleger aber ruhen lassen, wenn sie sich für eine andere Riester-Variante entscheiden möchten.
Erfreulich: Manche Versicherer reduzieren ihre Verwaltungskosten, damit sie den Sparanteil der Versicherten nicht zu stark belasten. Und die Deutsche-Bank-Tochter DWS bietet ihre zuvor sehr provisionsteuren Riester-Fonds nun wenigstens etwas günstiger an. Aus Eigennutz: Die hohen Provisionen reißen Löcher, die in der Niedrigzinsphase nicht mehr auszugleichen sind. Anleger, die keine Direktvermittler oder Rabatte haben, zahlen etwa bei Neuverträgen der DWS-Premium-Variante auf die Beitragssumme statt 5,5 Prozent aber immer noch satte 3,3 Prozent für 60 Monate.
Versicherer nutzen erlaubte Aktienquote nicht aus
Auch Versicherern fällt es immer schwerer, den Garantiezins ihrer Verträge und die Riester-Beitragsgarantie zu erwirtschaften, weil sie üblicherweise zu mehr als 95 Prozent in Zinspapiere investieren und schon 40 Prozent aller Anleihen von Industrieländern negative Renditen haben. Die ihnen erlaubte Aktienquote von 35 Prozent nutzen sie längst nicht aus. Deshalb sind Fondsvarianten mit ihrem potenziell höheren Aktienanteil flexibler. Komplett entziehen können aber auch die sich der Zinsmisere nicht. Um den Kapitalerhalt zum Ruhestandsbeginn zu gewährleisten, investieren auch sie Geld in Anleihen, die Aktienschwankungen abfedern sollen. Zu etwa 75 Prozent liegen die Anlagen im Schnitt auch bei den Riester-Produkten der DWS in Anleihefonds und nur zu 25 Prozent in Aktien. Aber das ist mehr als das Fünffache der in Rentenversicherungen üblichen Aktienquote.
Bei Union Investment verhindern Anleger den zu schnellen Umstieg von Aktien- in Anleihefonds in ihrem Riester-Depot, wenn sie statt in den Aktienfonds Uniglobal in den neuen Uniglobal Vorsorge-Fonds einzahlen. Der seit August angebotene Fonds sichert die Börsenschwankungen ab, und er hat starke Kursverluste etwas besser abgefangen als der reine Aktienfonds Uniglobal. Da die Kursbewegungen am Aktienmarkt entscheidend dafür sind, ob Geld der Anleger in Anleihefonds umgeschichtet wird und dann bei den Union-Investment-Riester-Verträgen auch nicht wieder in den Aktienmarkt zurückfließt, bewahrt ein weniger schwankender Fonds Anleger davor, dass ihr Guthaben künftig nur noch in Rentenfonds festhängt. Dafür macht der Vorsorgefonds aber auch Aufschwungphasen nicht so stark mit wie der Aktienfonds Uniglobal.
Ein weiterer Kniff, um eine bessere Gesamtrendite zu erzielen: Wer seinen Vertrag nur bis zur Mindestschwelle, dem 60. Lebensjahr abgeschlossen hat, der kann sich überlegen, ob er nicht doch lieber bis zum Renteneinstieg mit 65 spart und dadurch einen höheren Aktienanteil ermöglicht. Dafür läuft die Anleihephase dann kürzer.