Riesterrente Der wirklich wahre Riester-Vorteil

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Die garantierten Renditen mit einer, nicht gerade kurzen, Lebensdauer von 95 Jahren liegt bei der Riester-Rente und über alle Musterfälle hinweg zwischen 1,2 und 1,6 Prozent. Die Renditen aus der unverbindlichen, höheren Modellrente ergäben bei der Riester-Rente Werte zwischen 3,7 und 4,2 Prozent. Würden Riester-Rentner ihre Rente nur 85 Jahre lang kassieren, wären sie in den meisten Fällen noch auf negative Renditen gekommen.

Warum die Deutschen in Frührente gehen
In Deutschland gehen weniger Menschen vorzeitig in den Ruhestand: Nur noch jeder dritte Neurentner sei zuletzt vorzeitig mit Abschlägen in die Altersrente gegangen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, über die die „Rheinische Post“ berichtet. Die Zahl der Frührentner ging demnach vom Jahr 2007 bis 2013 um 85.000 auf 323.000 zurück. Ihr Anteil an allen Neurentnern habe damit 2013 bei nur noch 36,7 Prozent gelegen. Sechs Jahre zuvor seien es noch 45,9 Prozent gewesen. Wer 2013 vorzeitig Altersrente beansprucht hat, musste laut Regierung zudem deutlich geringere Abschläge in Kauf nehmen - im Durchschnitt 77,50 Euro pro Monat, nachdem es 2007 noch 115,24 Euro waren. Quelle: dpa
Wenn der Friseur auf einmal die Shampoos und Haarfarben nicht mehr verträgt und mit Hautausschlag reagiert, ist Schluss mit dem Beruf. Gleiches gilt für den Maler und Lackierer, der auf die Farben sensibel reagiert. Probleme mit der Haut sind allerdings nur sehr selten Gründe für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben. Nur 0,4 Prozent der Frührentner hängen den Job wegen Erkrankungen der Haut an den Nagel. Quelle: dpa
2,9 Prozent, also rund 5226 Personen, mussten wegen Erkrankungen der Atemwege wie Asthma vorzeitig in Rente gehen. Quelle: dpa
3,9 Prozent litten dagegen an Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder an chronischen Erkrankungen des Verdauungssystems. Quelle: dpa
Erkrankungen der Sinne waren bei 5,9 Prozent der Grund für das vorzeitige Ende des Berufslebens. Im Jahr 2010 tauchten Erblindung oder Taubheit noch gar nicht in den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung als Gründe für die Frührente auf. Quelle: AP
Die übrigen Diagnosen, also andere Krankheiten, haben 9,2 Prozent aus dem Beruf geworfen. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Auf dem vierten Platz landen in diesem Jahr die Krankheiten von Herz und Kreislaufsystem, also zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen. 9,7 Prozent aller Frührentner gingen wegen Herz-Kreislauf-Problemen in den Ruhestand. Quelle: dapd

Bestimmte Einzelfälle, in denen sich die Riester-Rente sehr stark lohnt, bilden die möglichst repräsentativ ausgewählten Musterfälle nicht ab. So würde eine 30-jährige Sparerin, die drei Kinder (2, 4 und 6 Jahre alt) hat und dauerhaft nur 30.000 Euro brutto im Jahr verdient, mit Riester auf hohe Renditen kommen, vor allem wenn sie - anders als bei den Musterfällen angenommen - nur den Mindestbeitrag leistet, um vollen Anspruch auf die staatlichen Zulagen zu haben. Von den zu leistenden 1200 Euro Mindestjahresbeitrag (4% der 30.000 Euro) müsste die Frau anfangs selbst nur 146 Euro im Jahr übernehmen, der Rest würde über die Zulagen (allein 900 Euro Kinderzulagen) abgedeckt.

Die Rendite aus den garantierten Renten würde in diesem Fall mit 85 Jahren schon bei 1,1 Prozent pro Jahr liegen, mit 95 Jahren bei 2,6 Prozent - mit den unverbindlichen Modellwerten wären es gar 4,8 Prozent (85 Jahre) und 5,7 Prozent (95) Rendite pro Jahr. Im Vergleich zu einer ungeförderten, privaten Rentenversicherung, in den die Frau den Durchschnitt ihrer bei der Riester-Rente aus eigener Tasche zu leistenden Beiträge einzahlen würde, läge der Renditevorteil hier bei über zwei Prozentpunkten. Beeindruckend! Allerdings sollte die hohe Rendite hier nicht täuschen: Da die Frau nur den Mindestbeitrag geleistet hätte, würde die absolute, garantierte Riester-Rentenhöhe von netto nur 128 Euro im Monat der Frau später keine großen finanziellen Sprünge ermöglichen.

Tristes Bild

Rendite nach Steuern einer klassischen Rentenversicherung je nach Lebensalter (in Prozent pro Jahr, garantiert / prognostiziert)

Single, 30 Jahre, 30.000 Euro Bruttojahreseinkommen, 3 Kinder (2, 4 und 6 Jahre)Single, 30 Jahre, 40.000 Euro Brutto-JahreseinkommenSingle, 30 Jahre, 60.000 Euro Brutto-JahreseinkommenSingle, 40 Jahre, 50.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen
mit 75 Jahren-5,4 / -0,8-5,2 / -0,8-5,2 / -0,8-6,6 / -2,3
mit 85 Jahren-0,9 / 2,4-0,9 / 2,2-0,9 / 2,2-1,2 / 1,9
mit 95 Jahren0,7 / 3,50,6 / 3,30,6 / 3,30,6 / 3,2
Verheiratet, 40 Jahre, 60.000 Euro Brutto-Haushaltsjahreseinkommen, 2 Kinder (2 und 4 Jahre)Verheiratet, 40 Jahre, 80.000 Euro Brutto-Haushaltsjahreseinkommen, 2 Kinder (2 und 4 Jahre)Single, 50 Jahre, 60.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen
mit 75 Jahren-6,6 / -2,2-6,6 / -2,2-9,0 / -4,7
mit 85 Jahren-1,2 / 2,0-1,2 / 1,9-1,6 / 1,4
mit 95 Jahren0,7 / 3,30,7 / 3,20,7 / 3,1
Angaben gelten für eine kostengünstige Rentenversicherung (ohne staatliche Förderung), die Einzahlungen entsprechen den Einzahlungen aus eigener Tasche bei einer Riester-Rentenversicherung (nach Abzug von Zulagen und eventuellen Steuervorteilen), für die Auszahlungsphase wurde ein um zehn Prozentpunkte niedrigerer Steuersatz als während der Einzahlungsphase angenommen; Quelle: Versicherer, eigene Berechnung

Auch Fälle, in denen die Grenzsteuersätze in der Sparphase sehr viel höher sind als später im Alter (also: hohe Einkünfte jetzt, geringe Einkünfte später), machen Riester tendenziell attraktiver. Trotzdem: Die niedrigen Renditen für die realistischeren Musterfälle dürften die Gegner der Riester-Rente als Beleg dafür werten, dass sich Riester eben doch nicht lohnt: So geringe Renditen? Lächerlich!

Tatsächlich sollten Sparer bei der Altersvorsorge darauf achten, aus ihrem meist knappen Einsatz möglichst viel herauszuholen. Ob ihnen dafür die in Aussicht gestellten Renditen reichen, muss jeder - auch mit Blick auf die eigene Risikobereitschaft - selbst beantworten. Andere Riester-Produkte, wie Riester-Fondssparpläne, bieten zumindest eine größere Chance auf höhere Renditen bei gleichzeitig etwas größerem Risiko.

Dass dieses Risiko durch die für Riester vorgeschriebene Garantie, dass zu Ruhestandsbeginn alle Einzahlungen als Guthaben vorliegen müssen, begrenzt wird, ist allerdings nicht unbedingt ein Vorteil. Sparer haben mit dem freien Sparen abseits von Riester, etwa mit Ratensparplänen auf Indexfonds, bessere Renditechancen. Wollen sie später dann unbedingt eine lebenslange Rente kassieren, können sie zu Rentenbeginn immer noch eine Sofortrente gegen Einmalzahlung abschließen.

Und die Debatte, ob sich Riester lohnt, schauen sich die Sparer dann entspannt von der Seitenlinie an.

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