Tool der Woche Wie Kunden mit Telematik-Tarifen bei der Kfz-Versicherung sparen können

Bis zu 40 Prozent können Autofahrer mit Telematik-Tarifen der Versicherer sparen. In der Praxis wird das aber kaum jemand erreichen.

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Wie Kunden mit Telematik-Tarifen bei Kfz-Versicherungen sparen Quelle: AXA Konzern AG

München Fast scheint es, als wolle die Branche ihren Kunden die Scheu nehmen vor der neuen Technik. Vom „digitalen Beifahrer“ sprechen sie deshalb bei Deutschlands größtem Kfz-Versicherer, der Huk-Coburg. Die Axa beschwichtigt, es gebe „keine dauerhafte Überwachung“.

Gemeint sind die sogenannte „Telematik-Tarife“, die die Versicherer seit gut zwei Jahren für bestimmte Gruppen von Autofahrern anbieten. Statt einer einheitlichen Tarifgestaltung für alle kann dort jeder Kunde anhand seines Fahrstils selbst seinen Beitrag beeinflussen. Geschwindigkeit und Beschleunigung, Bremsverhalten und Kurvenmanöver werden gemessen.

Außerdem prüft die Technik, ob das Mobiltelefon während der Fahrt bedient wird. Das System ist relativ leicht verständlich: Wer sich an die Verkehrsregeln hält, zahlt weniger als derjenige, der stets gut auf dem Gaspedal steht. Am Ende jeder Fahrt steht immer ein so genannter „Score“, der zeigt, wie sehr sich der Fahrer dem maximal möglichen Sparpotenzial angenähert hat.

Hier liegt der Teufel wiederum im Detail. Denn die Regeln, nach denen gemessen wird, bestimmt jeder Versicherer selbst. Dabei lassen sich spürbare Unterschiede feststellen: Manche Versicherer erheben bereits Punktabzüge, wenn der Fahrer besonders häufig neuralgische Unfallschwerpunkte an Kreuzungen oder Autobahnauffahrten passieren muss.

Dass dort der ein oder andere Fahrer zwangsläufig häufiger entlangfährt, ist klar – mit negativem Einfluss auf den Punktestand. Manche Assekuranzen messen auch die Tageszeit und lassen mit einfließen, ob jemand eher in der Stadt oder eher auf dem Land unterwegs ist. Wie einzelne Kriterien aufs Gesamtergebnis wirken, bestimmt ebenfalls jeder Versicherer selbst.

Das gilt auch für die Technik, die er zur Messung anwendet. Weit verbreitet ist der Einsatz einer App auf dem Mobiltelefon des Fahrers. Manche Versicherer setzen auch auf einen Stecker im Zigarettenanzünder, bei anderen ist eine Box fest im Fahrzeug eingebaut. „Die App ist die billigste Lösung für die Versicherer“, weiß Andreas Kelb, Bereichsleiter bei E+S Rück in Hannover. Für die Versicherer ist das wichtig, da die Kfz-Tarife in Deutschland als die günstigsten in Europa gelten und die Margen in der Branche gering sind. Mithilfe des Vergleichstools können Autofahrer ihre optimale Kfz-Versicherung errechnen und Sparpotenziale erkennen.

Trotzdem wittern viele Verbraucher bei den Telematik-Tarifen ein Schnäppchen. Schließlich halten sich 90 Prozent der Deutschen für überdurchschnittliche Autofahrer, wie Umfragen immer wieder bestätigen. Gut 15 Versicherer bieten Telematik-Tarife inzwischen an. Große Namen wie Huk, Allianz und Axa sind ebenso dabei wie die kleine Itzehoer. Sie alle berichten von steigender Akzeptanz beim Kunden, von breiter Marktabdeckung wie etwa in Italien sind sie hierzulande jedoch weit entfernt.

In Großbritannien gab es erste derartige Versuche bereits in den 1990er-Jahren. Auch die USA sind in dieser Hinsicht deutlich weiter. Für Roland Weber, den Chef der Deutschen Aktuarvereinigung, sind Telematik-Tarife hingegen ein erster Versuch, die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden exakter bestimmen zu können.

Die finanziellen Vorteile für Kunden sind teils beachtlich. Zwischen 15 und 40 Prozent können Autofahrer je nach Anbieter bei ihrer Kfz-Prämien sparen, hat das Portal „Finanztip“ errechnet. Natürlich sind diese Zahlen immer abhängig vom persönlichen „Score“, den die Kunden mit ihrem individuellen Fahrstil erzielen. Wer hier am Ende des Jahres ein besonders gutes Ergebnis vorweisen kann, darf mit einer erfreulichen Rückerstattung von seinem Versicherer rechnen.

Davor geht es allerdings darum, sich durch ein Dickicht von Angeboten zu wühlen. Allein die Grundvoraussetzungen entscheiden, ob ein bestimmter Fahrer überhaupt Zugang zu solchen Tarifen erhält. Diese könnten unterschiedlicher kaum sein: Manche Versicherer wie die Huk-Coburg bieten derartige Tarife nur für Kunden unter 25 Jahren an, andere wie die Axa lassen auch Fahrer bis 30 Jahren zu. Manche, etwa die VHV oder die zur Itzehoer gehörende Admiral Direkt, machen den gleichzeitigen Abschluss eines Schutzbriefes zur Voraussetzung. Der direkte Vergleich wird damit erschwert.

Insgesamt fällt auf, dass sich viele Versicherer mit diesem Angebot allen voran an junge Fahrer wenden. Deren Affinität für Technik ist zum einen höher. Zum anderen ist diese Zielgruppe wegen noch geringer Erfahrungen im Straßenverkehr tendenziell gefährdeter als ältere Fahrer. Wer hier den „digitalen Beifahrer“ seines Versicherers an seiner Seite weiß, der wird sich – bewusst oder unbewusst – eher an die Verkehrsregeln halten. Zumal der finanzielle Nutzen gerade für Fahranfänger, die in der Regel besonders teure Prämien zahlen müssen, entsprechend hoch ist.


Angst vor digitaler Überwachung

Wie unausgegoren das Gesamtbild ist, zeigt die Praxis. Wer, wenn es mal schnell gehen muss, sein Smartphone während der Fahrt ausschaltet oder zuhause lässt, muss keine negativen Folgen für seine Prämie fürchten. Auch der Stick im Zigarettenanzünder ist in solchen Fällen leicht abgezogen.

Lediglich eine fest im Auto eingebaute Box zeichnet alles auf. Ein solches Angebot hat die Mercedes Benz Bank gemeinsam mit dem Versicherer HDI im Herbst zur IAA präsentiert. Die neue E-Klasse der Stuttgarter enthält die Technik bereits werkseitig. Schrittweise sollen weitere Modelle folgen.

Die Banken der Autohersteller haben auf solch neue Formen der Bezahlung schon lange ein waches Auge. Nicht nur die Versicherungsprämie soll sich für den Kunden künftig anhand seines Fahrverhaltens messen lassen, sondern auch die Leasingrate. Wessen Fahrzeug beispielsweise in der Urlaubszeit wochenlang steht, der muss entsprechend weniger bezahlen. Über solche und andere Bezahlmodelle denken mittlerweile alle großen Hersteller nach. Die fortschreitende Technik macht hier in den kommenden Jahren vieles möglich. „Daten sind der heilige Gral für alle Mobilitäts-Services“, beobachtet Joachim Häcker, Professor am Deutschen Institut für Corporate Finance im schwäbischen Nürtingen.

Dieses Potenzial schürt bei vielen Punkten unweigerlich auch Ängste. Vom gläsernen Kunden ist die Rede, sollten tatsächlich Bewegungsprofile möglich sein. Die Versicherer wissen das, vorauseilend betonen sie schon jetzt, dass sie generell nur die Daten verwerten, die zur Berechnung des Beitrags nötig sind. „Wir haben uns generell gegen eine permanente Aufzeichnung von Daten entschieden“, beschwichtigt Thomas Jäckel, Kraftfahrt-Experte bei Axa. Nur 40 Fahrten würden aufgezeichnet und bewertet. Der Fahrer entscheide selbst, welche das sind.

Andererseits hängt mit der Aufzeichnung auch die Frage nach der juristischen Verwertbarkeit von Daten bei Unfällen oder schweren Verkehrsverstößen zusammen. Die Verwendung ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich, nämlich dann, wenn ein Richter die Herausgabe von Daten anordnet.

Andere Kritiker fürchten auch bei der Kfz-Versicherung ein Ende des Solidarprinzips, wie es sich beispielsweise schon bei der Krankenversicherung andeutet. Wer sich gesund ernährt, kein Übergewicht hat, nicht raucht und regelmäßig zur Vorsorge geht, kann dort schon auf niedrigere Beiträge hoffen. Wer jedoch regelmäßig Nachtschicht arbeitet und dafür das eigene Auto für die Fahrt dorthin nutzt, hat wegen der höheren Gefahr in der Dunkelheit zwangsläufig einen höheren Beitrag zu zahlen als seine Kollegen von der Tagschicht.

Komplex ist das Thema Telematik somit allemal. Wer zunächst testen will, ob er damit überhaupt etwas anfangen kann, kann bei einigen Anbietern die App zu Testzwecken herunterladen. Ein gespannter Blick aufs eigene Testergebnis dürfte zu Beginn nach dem Abstellen des Motors groß genug sein.

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