




Adam Fletcher hat in Großbritannien und Neuseeland gelebt, ein Unternehmen in Leipzig gegründet und zuletzt in Berlin gearbeitet. Seine Erfahrungen mit den Deutschen haben ihn dazu veranlasst, einen Leitfaden zu schreiben, wie Ausländer typische Deutsche werden.
Besonders wichtig sei es, sich Versicherungen zuzulegen gegen alles, was man nicht planen könne. Fletcher ist sich sicher: Würde jemand eine Versicherung erfinden, die immer dann greift, wenn man gerade nicht die richtige Versicherung hat (insurance-insurance), würden 80 Millionen Deutsche vor lauter Glück tot umfallen.
Ein Drittel hat keine Haftpflichtversicherung
Die Statistik gibt ihm Recht: Laut des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt jeder Deutsche pro Jahr 2219 Euro für Versicherungen aus. Das liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 1843 Euro pro Jahr, den der europäische Versicherungsverband Insurance Europe (IE) ermittelt hat. Im Schnitt besitzt jeder Deutsche sechs Policen, wie eine Umfrage des Bundes der Versicherten (BdV) zeigt.
Nur: Die richtigen sind oft nicht dabei. Da wird die Brille versichert, das Smartphone, das Fahrrad und die Ausbildung der Kinder, aber nicht die existenziellen Risiken. So geht die Versicherungswirtschaft davon aus, dass ein Drittel der Deutschen keine private Haftpflichtversicherung besitzt.
Wer dann mit einer Silvesterrakete den Bauernhof nebenan abfackelt und einen Millionenschaden verursacht, muss aus eigener Tasche zahlen. Aber Hauptsache, bei Verlust des neuen iPhones gibt es noch 80 Euro von der Handyversicherung.
Private Haftpflicht: Günstige Versicherungen für Singles
Mann, 40 Jahre (01.06.1973), mindestens fünf Millionen Euro Deckungssumme, keine Selbstbeteiligung, mit Forderungsausfalldeckung, wenn möglich mit Gefälligkeitsschäden, jährliche Zahlweise, Schlüsselschäden mindestens 5000 Euro
Quelle: Check24
Die teuerste Versicherung im Vergleich kostete gut 120 Euro Jahresbeitrag. Die günstigste liegt dagegen nur bei 40 Euro. Im Extrem können Verbraucher also mehr als 80 Euro sparen beim günstigsten Anbieter.
Asstel
Tarif: Plus
Deckungssumme: 7.500.000 Euro
Prämie: 40,29 Euro
Besonderheiten: keine Gefälligkeitsschäden
GVO
Tarif: TOP VIT
Deckungssumme: 5.000.000 Euro
Prämie: 40,78 Euro
Bavaria Direkt
Tarif: Einfach Sicher
Deckungssumme: 5.000.000 Euro
Prämie: 41,20 Euro
WGV-Himmelblau
Tarif: Privathaftpflicht
5.000.000 Euro
41,80 Euro
Selbstbeteiligung bei Schlüsselschäden
Janitos
Tarif: Basic
Deckungssumme: 10.000.000 Euro
Prämie 42,03 Euro
Selbstbeteiligung bei Schlüsselschäden, Selbstbeteiligung bei Gefälligkeitsschäden
Überversicherte Deutsche
Die vielzitierte Überversicherung der Deutschen rührt von all diesen kleinen zusätzlichen Versicherungen her, die letztlich mehr kosten als sie bringen. Dabei erscheint nichts zu unsinnig. "Man weiß ja nie", denkt der Vollkasko-Deutsche und schließt vorsichtshalber noch eine Glasbruch- oder Insassenunfallversicherung ab.
Selbst vor Hochzeitsrücktritt-Kostenversicherungen schrecken manche nicht zurück. Diese Versicherungen machen laut BdV knapp ein Drittel des gesamten jährlichen Versicherungsvolumens aus.
Die Versicherungen, die keiner braucht
Ob Brillen, Handy oder Glas - in Deutschland kann man fast alles versichern lassen. Doch von vielen dieser Verträge profitiert nur einer - die Versicherungsgesellschaft. Der Bund der Versicherten hat die überflüssigsten Policen zusammengetragen.
Eine kaputte Scheibe ist ärgerlich, aber kein finanzielles Desaster. Deshalb mache eine Glasbruchversicherung für die meisten keinen Sinn, so der Bund der Versicherten. Die Beiträge seien für die mögliche Schadenshöhe zu hoch. Ausnahme: Sie haben einen Wintergarten oder teure Spezialglasscheiben im Haus. Oder fußballverrückte Kinder.
Kaum einem Brillenträger wurde sie nicht angeboten: Die Brillenversicherung. Dabei glauben viele, dass die Brille bei Bruch oder Beschädigung vollständig ersetzt würde. Doch falsch gedacht. Geht die Brille kaputt, gibt es nur Geld für die Sparvariante zurück. Wer eine hochwertige Fassung und aufwändige Gläser haben möchte, muss auch mit Brillenversicherung zuzahlen. Neue Gläser gibt es übrigens nur bei Beschädigung und bei einer starken Veränderung der Sehstärke (ab 0,5 Dioptrien). Wer das nicht zu befürchten hat, sollte seine Brille unversichert lassen.
Die Krankenhaustagesgeldversicherung verspricht eine Zuzahlung für jeden Tag, den man in einer Klinik verbringen muss. Ob sie die finanzielle Grundlage fürs tägliche Obst oder für das Fernsehgerät im Krankenhaus sein muss, bezweifelt der BDV allerdings. Der Verein rät, für solche Fälle lieber Geld auf einem Tagesgeldkonto bereit zu halten.
Wer sich Geld von einer Reisegepäckversicherung verspricht, muss bestens auf seine Koffer aufpassen. Denn oft zahlen die Versicherer nur anteilig oder gar nicht, wenn sie ihren Kunden grob fahrlässiges Verhalten vorwerfen. Und was grob fahrlässig ist, ist Auslegungssache. Wertsachen wie Schmuck, Film- und Fotoapparate nur unzureichend mitversichert, bemängelt der BDV. Hinzu kommt, dass unter bestimmten Voraussetzungen das Gepäck ohnehin in der Hausratversicherung versichert ist.
Auch eine Handyversicherung bieten Verkäufer gerne und häufig an, meist gleich an der Kasse. Da hört sie sich auch besonders gut an - schließlich kostet ein Smartphone mehrere Hundert Euro. Es zu versichern, lohnt sich trotzdem nicht. Geht das Gerät verloren oder kaputt, ersetzt die Versicherung nur den Zeitwert des Handys und eine Selbstbeteiligung wird fällig. Wer Geld zurück möchte, für den gilt also: Das Handy zeitnah kaputt machen oder im Taxi liegen lassen.
Eine ausgefallene Heizung oder ein vergessener Schlüssel - das sind die „häuslichen Notfälle”, gegen die sich Verbraucher versichern können. Doch einmal einen Notdienst zu rufen, treibt einen nicht in den finanziellen Ruin. Eine Versicherung gegen häusliche Notfälle zieht einem dagegen unnötig Geld aus der Tasche. Auch, weil sie nur begrenzt zahlt. Wer zur Miete wohnt, muss sich ohnehin keine Sorgen machen. Mieter müssen nicht für Schäden an Mietsachen aufkommen, die sie nicht selbst verursacht haben, zum Beispiel bei einem Heizungsausfall.
Eine Police, bei der man seine eingezahlten Beiträge am Ende zurückbekommen soll - das verspricht die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr. Dahinter steckt aber ein Koppelprodukt, nämlich eine Versicherung mit einem schlecht verzinsten Sparvertrag. Als „Milchmädchen-Rechnung“ bezeichnet der BDV solche Policen: Den Betrag, den der Kunde zurück bekommt, hat er vorher zusätzlich eingezahlt. Und auch die Versicherungsleistungen seien oft nicht ausreichend.
Die Angst vor Autounfällen ist groß, deshalb schließen viele Deutsche die Insassenhaftpflichtversicherung ab. Unnötigerweise, so der BDV. Verursacht der Fahrer einen Unfall und werden die Fahrgäste verletzt, tritt seine eigene Kfz-Haftpflicht ein. Trägt ein anderer Verkehrsteilnehmer die Schuld, zahlt dessen Versicherung. Eine Insassenunfallversicherung lohnt sich nur bei Fahrerflucht oder, wenn der Unfall durch einen Fußgänger verursacht wurde, der keine private Haftpflicht besitzt. Doch auch dem kann vorgebeugt werden, etwa durch eine Forderungsausfallabdeckung in der eigenen Haftpflichtversicherung.
Die Sterbegeldversicherung ist eine Kapitallebensversicherung. Wer sie abschließe, zahlt bei langer Laufzeit am Ende häufig mehr ein als die Hinterbliebenen herausbekommen, so der BDV. Wer seine Angehörigen entlasten wolle, sollte lieber rechtzeitig Geld beiseite legen.
Selbst die zahlreichen Versicherungen, die für junge Eltern beziehungsweise deren Kinder konzipiert sind, können besorgte Verbraucher getrost vergessen, wie die Stiftung Warentest bewiesen hat. "Die Finanzbranche kennt die Ängste der Eltern und weiß, dass sich mit Spezialprodukten für die Jüngsten gut verdienen lässt", heißt es bei den Testern.
Das gilt auch für Ausbildungsversicherungen, die den lieben Kleinen später ein Studium ermöglichen sollen. Diese seien zwar bequem, aber teuer und unflexibel. Mit einem guten Aktienfonds ließe sich die Ausbildung der Kinder wahrscheinlich deutlich besser finanzieren als mit einer solchen Art der Kapitallebensversicherung.
Die Assekuranzen bieten die Sinnlos-Policen gerne auch mit Beitragsrückgewähr an, was sich bei genauerem Hinsehen als mies verzinster Sparvertrag entpuppt. Und beim aktuellen Zinsumfeld will das schon etwas heißen. Deshalb solle man Prioritäten setzen, findet Bianca Boss vom BdV. "Wer sich gegen existenzielle Risiken absichert, kann eine Überversicherung vermeiden", sagt sie. Dazu gehören in jedem Fall eine private Haftpflichtversicherung und eine Berufsunfähigkeitspolice.
Kosten einer Berufsunfähigkeits-Police
Maximum: 607,28 Euro
Minimum: 309 Euro
Quelle: Franke & Bornberg; Marktvergleich unter 40 Versicherern, Basis der Berechnung: 1500 Euro monatliche Rente, Eintrittsalter 35, versichert bis 67, ausgewiesen ist jeweils der niedrigste und höchste Bruttobeitrag
Maximum: 292,18 Euro
Minimum: 225,31 Euro
Maximum: 572,38 Euro
Minimum: 193,79 Euro
Maximum: 568,32 Euro
Minimum: 155,20 Euro
Maximum: 323,61 Euro
Minimum: 94,15 Euro
Maximum: 323,61 Euro
Minimum: 94,15 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 91,45 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 91,45 Euro
Maximum: 411,20 Euro
Minimum: 89,86 Euro
Maximum: 212,10 Euro
Minimum: 78,40 Euro
Maximum: 195,35 Euro
Minimum: 78,40 Euro
Wer eine Immobilie besitzt, brauche außerdem eine Wohngebäudehaftpflicht. (Ehe-)Partner sollten sich beispielsweise durch eine Risikolebensversicherung gegenseitig absichern, empfiehlt Boss. Alles andere sind Kann-Versicherungen, die im Zweifelsfall nur Geld kosten.
Deutsche sind nicht gut aufs Alter vorbereitet
Es gibt jedoch einen Versicherungsbereich, in dem die Deutschen ihren europäischen Nachbarn hinterherhinken: Im Schnitt gibt jeder Deutsche pro Jahr 1067 Euro für die Altersvorsorge aus, beispielsweise in Form von Lebensversicherungen. Das zeigt ein Bericht des IE.
Damit rangiert Deutschland zum Beispiel weit hinter den Briten (2740 Euro). Auch in Belgien (1925 Euro), Frankreich (1728 Euro), Italien (1146 Euro) und den Niederlanden (1135 Euro) geben die Menschen mehr für private Altersvorsorge aus als in Deutschland.