Unfallfolgen und Arbeitsunhähigkeit Was leistet die private Unfallversicherung?

Rollstuhl, Unfallversicherung Quelle: imago images

In den vergangenen Jahren sind bei privaten Unfallversicherungen neue Leistungen hinzugekommen, etwa für Tätigkeiten im Homeoffice. Doch welche Erweiterungen sind sinnvoll, wo bleiben Lücken? Die wichtigsten Antworten.

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Reicht die gesetzliche Unfallversicherung?
In der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) sind nur Arbeitnehmer versichert, aber nicht Unternehmer und Freiberufler. Bis zum vergangenen Jahr war sogar die Arbeit im Homeoffice nur lückenhaft versichert, danach wurde der Versicherungsschutz erweitert. So ist jetzt auch der Gang zur Toilette oder in die Küche versichert.
Der Versicherungsschutz der gesetzlichen gilt nur für die Arbeit und den Weg zur Arbeit, aber nicht für Unfälle in der Freizeit. Hier hilft allein die private Unfallversicherung. Grundsätzlich kann ein Versicherter bei einem Arbeitsunfall gleichzeitig Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der privaten Unfallversicherung erhalten.

Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr – macht das Sinn?
In vergangenen Jahren haben viele Versicherer stark für Unfallpolicen mit Beitragsrückgewähr geworben. Diese versprechen den Kunden, dass am Ende der Laufzeit ein Teil der eingezahlten Beiträge, inklusive Zinsen und eventueller Überschüsse, an den Versicherungsnehmer zurückgezahlt wird. Allerdings wird bei der UV mit Beitragsrückgewähr nur der Teil der Beiträge zurückgezahlt, der vom Versicherer angelegt und verzinst wird. Der andere Teil wird dagegen nur für den Versicherungsschutz eingesetzt und somit nicht dem Kunden erstattet.

Im Prinzip handelt es sich also um eine Unfallversicherung mit angehängtem Sparvertrag. Dabei ist die Verzinsung meist nicht sehr attraktiv. Im Durchschnitt muss man für eine UV mit Beitragsrückgewähr eine vier- bis fünffach höhere Prämie zahlen als für eine normale UV mit gleicher Versicherungssumme. Außerdem haben Policen mit Beitragsrückgewähr meist lange Laufzeiten von mindestens 20 Jahren. Wer vor Ende der Laufzeit kündigt, erleidet hohe Verluste. Der Finanzberater und Unfallversicherungsexperte Stefan Bierl zur Beitragsrückgewähr: „Klingt gut, ist es aber nicht. Neben dem Beitrag für die Absicherung fließt Geld in eine Lebens- oder Rentenversicherung – das ist völlig unnütz.“

Welche wichtigen Leistungen fehlen häufig?
Sehr sinnvoll ist der Verzicht auf einen Mitwirkungsanteil bei Vorschäden. Wenn nach einem Unfall bleibende Schäden entstehen, hat der Versicherer das Recht, wenn es bei einem betroffenen Körperteil bereits einen Vorschaden gab, diesen auf die Versicherungsleistung anzurechnen. Verletzt sich beispielsweise ein Radfahrer durch einen Sturz sein Knie und wird festgestellt, dass dieses bereits durch eine Arthrose geschädigt war, so könnte der Mitwirkungsanteil der Arthrose mit 50 Prozent berechnet werden. Entsprechend wird die eigentlich zu zahlende Leistung um die Hälfte gekürzt.

Es ist daher sinnvoll, einen Tarif mit Verzicht auf einen Mitwirkungsanteil bei Vorschäden zu wählen oder wenigstens einen Tarif, der erst ab einem Mitwirkungsanteil von mindestens 75 Prozent Leistungen kürzt. Denn leider ist dieser wichtige Punkt noch keineswegs die Regel am Markt.

Grundsätzlich wird ein Unfall als „ein plötzlich und von außen auf den Körper wirkendes Ereignis“ definiert. Doch was ist mit dem Bänderriss nach Dauerbelastung beim Joggen oder dem Bandscheibenschaden nach dem Heben von schweren Möbeln? Plötzlich und von außen trifft hier nicht mehr zu. Diese Vorfälle fallen unter die Unfallursache „Eigenbewegung“. In einem Standardtarif ist sie nicht versichert. Allerdings ist ein Gesundheitsschaden durch eine Eigenbewegung nicht selten. Deshalb sollte sie möglichst mitversichert sein. Das ist beispielsweise beim Tarif Classic der HUK und den Tarifen Gold und Silber der Basler UV der Fall.

Sind Tarife ohne Gesundheitsfragen sinnvoll?
Seit einigen Jahren bieten immer mehr Versicherer Tarife ohne Gesundheitsfragen an. Für Menschen mit Vorerkrankungen ist dies sinnvoll, denn andernfalls müssten sie verschiedene Fragen zu ihren Vorerkrankungen beantworten. Bei einigen Anbietern ist hier schon ein kleiner Fragenkatalog entstanden. Das Ausfüllen kann für den Kunden sehr aufwendig werden, da er oft Unterlagen von verschiedenen Ärzten anfordern oder sogar aktuelle Untersuchungsergebnisse vorlegen muss. Müssen im neuen Tarif Vorerkrankungen berücksichtigt werden, kann dies zu einem Ausschluss von Leistungen und/oder einer Erhöhung des Versicherungsbeitrags führen.

Tarife ohne Gesundheitsfragen bieten beispielsweise die Haftpflichtkasse, die VHV und die DEVK an. Sinnvoll ist es, einen Tarif mit Verzicht auf die Anrechnung von Vorschäden zu wählen. Denn nicht umsonst bezeichnen Experten die Anrechnung von Vorschäden als nachgelagerte Gesundheitsprüfung, die besonders für Menschen mit Vorerkrankungen problematisch ist.

Stefan Bierl weist auf den Tarif der Askuma Versicherung hin: „Es gibt keine Gesundheitsfragen. Ok, das haben andere auch. Aber die Askuma verzichtet komplett auf einen Mitwirkungsanteil. Vorerkrankungen werden also nicht angerechnet auf die Invalidität“.

Welche Verbesserungen gab es in den vergangenen Jahren?
Viele Versicherer haben zusätzliche Leistungen in ihre Tarife aufgenommen: Unfälle in Folge eines Schlaganfalls, Herzinfarkts oder Kreislaufstörungen sind heute in guten Tarifen mitversichert (Tarife „Einfach Besser“ und „Einfach Komplett“, Haftpflichtkasse; Tarif Classic, HUK). Früher waren diese meist aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen. Der Ausschluss entsprach zwar durchaus dem Unfallbegriff, sorgte aber bei vielen Versicherten für absolutes Unverständnis. Denn gerade hier kann es zu schwereren Unfällen kommen, die eine bleibende Invalidität zur Folge haben.
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Bei vielen Tarifen sind jetzt auch Impfschäden eingeschlossen. Bei einigen Versicherern umfasst dies sogar mögliche Folgewirkungen der Corona-Schutzimpfung.
Mitversichert sind sehr häufig auch Vergiftungen, beispielsweise durch Gase. Bei verschiedenen Anbietern sind nun sogar Lebensmittelvergiftungen mitversichert. Diese Leistung erweitert gleichfalls den klassischen Unfallbegriff erheblich und war in der Vergangenheit meist nicht abgesichert.

Großzügiger geworden sind verschiedene Versicherer auch bei der Berechnung von Promillegrenzen bei einem Auto- oder Zweiradunfall. Einzelne Versicherer legen hier die Messlatte erstaunlich hoch, bis zu 1,7 Promille. Ob das immer sinnvoll ist, darüber lässt sich streiten. Dagegen halten sich einige Versicherer sogar weiter an die Null Promillegrenze.

Häufig haben die Versicherer auch Regelleistungen erhöht. So sind in einigen Tarifen jetzt kosmetische Operationen mit Summen bis zu 500.000 Euro abgesichert wie im Tarif „Einfach besser“ der Haftpflichtkasse.

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Fazit: Die Leistungen der privaten Unfallversicherung haben sich in den vergangenen Jahren verbessert. Allerdings sind die allermeisten Krankheiten nach wie vor durch die UV nicht mitversichert. Einen wesentlich umfassenderen Schutz bietet daher die private Berufsunfähigkeitsversicherung. Wer jedoch aufgrund von Vorerkrankungen und risikoreichen Berufen oder Hobbys hier nicht oder nur mit Ausschlüssen bzw. sehr hohen Beiträgen versichert werden kann, für den ist die UV eine Alternative.

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